Luzerner Stadtratskandidat im Porträt

Jona Studhalter: «Hausbesetzer sind Akteure, die vorwärts machen»

Jona Studhalter mit seinem «Wahlkampf-Pulli». (Bild: ida)

Er versteht sich als Sprachrohr der Jugend, die in der Politik oftmals zu kurz kommt. Nun will der Junge Grüne Jona Studhalter dem Luzerner Stadtrat zeigen, wie Politik richtig geht. Wieso Autofahrer selbst schuld sind, wenn sie im Stau stehen und warum Bodum enteignet werden soll, erzählt der 24-Jährige im Gespräch.

Seine fordernde Seite hört man nicht nur, schon optisch sieht man, dass er was zu sagen hat. Als wir am vereinbarten Treffpunkt im Neubad auf Jona Studhalter warten, erscheint er mit dem Megaphon bepackt am Tresen, wo er sich einen Espresso bestellt. Und auch auf seiner Kleidung steht ein politisches Statement: «Equality».

«Politik wird auf der Strasse gemacht», sagt er bestimmt. Das Megaphon zeigt seine aktivistische Seite. Seine laute und fordernde. «Jetzt möchte ich anpacken. Und das umsetzen, was ich in den letzten Jahren an den vielen Klimademos übers Megaphon gefordert habe.» Der 24-Jährige strebt einen Sitz im Luzerner Stadtrat an.

«Make Love – not Co2» und auch ein Frauenstreik-Kleber zieren das Megaphon der Jungen Grünen. (Bild: ida)

«Equality» – sein Wahlkampfpullover

Studhalter zupft sich sogleich seinen grauen Pullover zurecht. «Ich habe mich bewusst für diesen Wahlkampf-Pulli entschieden.» Für ihn sei Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit. Umso überraschter sei er beim Kauf gewesen, als die Verkäuferin meinte: «Toll, dass sich auch Männer dafür einsetzen.»

«Man muss keine Frau sein, um eine feministische Politik zu vertreten.»

Einmal mehr drängt sich aber die Frauenfrage auf. Weshalb möchten die Jungen Grünen mit einem Mann einen Stadtratssitz erobern? «Man muss keine Frau sein, um eine feministische Politik zu vertreten», entgegnet Studhalter. Das Spitzentrio der Jungen Grünen für die Wahlen besteht neben Jona und seiner Schwester Irina Studhalter, die bereits im Stadtparlament sitzt, aus Michelle Meyer. «Das ist ein guter Ausgleich von beiden Geschlechtern», sagt Studhalter.

Von der Frauenquote hielt er anfangs nicht viel

Mit seiner Schwester pflegt Studhalter eine intensive Beziehung, in der auch mal die Fetzen fliegen können. Nicht, was die politische Haltung betrifft, aber zu deren Umsetzung. Gerade in Sachen Feminismus seien sie sich schon öfters in die Haare geraten.

«Anfangs konnte ich mit einer Frauenquote nicht viel anfangen», sagt Studhalter. «Doch ich wurde mit harten Bandagen bekämpft.» Er und seine Schwester hätten sich ihre Ansichten gegenseitig geformt. Politisiert wird nicht selten auch beim sonntäglichen Familienznacht bei den Eltern.

Wer über die Seebrücke fährt, soll künftig 15 Stutz bezahlen

Der 24-Jährige kritisiert, dass die Jungen die schwächste Lobby von allen in der Politik haben. «Dabei sind wir es, die am längsten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Wir sind mit Problemen konfrontiert, welche die Älteren nicht mehr betreffen, und müssen sie ausbaden .»

Die Klimafrage ist eine grosse Herzensangelegenheit Studhalters. Er ist ein bekanntes Gesicht der Jungen Grünen, engagierte sich von Anfang an beim Klimastreik Luzern.

Studhalter will keine klassische Ochenstour machen. «Einerseits ist dafür zu wenig Zeit, weil wir die Klimakrise jetzt bekämpfen müssen. Der Klimawandel wartet nicht, bis ich je acht Jahre Grossstadtrat und Kantonsrat hinter mir habe», so Studhalter. Andererseits bringe er viel Erfahrungen mit. Seit neun Jahren ist Studhalter politisch aktiv, leitet eine Kantonsratspartei mit einem eigenen Sekretariat. Im Mai gibt er nach dreieinhalb Jahren das Co-Präsidium der Jungen Grünen ab.

Road-Pricing: Für 15 Stutz über die Seebrücke fahren

Nicht selten sind Studhalter Autofahrer ein Dorn im Auge.

«Du stehst nicht im Stau, du bist der Stau», klagte Studhalter bereits:

Studhalter bringt eigene Ideen ein, wie man den Autoverkehr in der Stadt eindämmen könnte. Beispielsweise durch ein Road-Pricing auf der Seebrücke: Wer mit dem Auto über die Seebrücke fährt, soll 15 Franken zahlen, so seine Forderung.

«Wir müssen die Bequemlichkeit von ein paar wenigen nicht mittragen.»

So werde die Strasse frei für all jene, die aufs Auto «wirklich angewiesen» seien. Werden dadurch aber nicht diejenigen bestraft, die das Auto wirklich benötigen? «Ein Grossteil des Verkehrs in der Stadt ist unnötig», so Studhalter. Es staue da am meisten, wo ein gutes öV-Angebot vorhanden wäre, dieses aber zu wenig genutzt werde. Und er sagt bestimmt: «Wir müssen die Bequemlichkeit von ein paar wenigen nicht mittragen.»

Der Junge nimmt den Stadtrat in die Pflicht

Studhalter gibt zu, dass man prüfen müsste, ob Autofahrer nach einer solchen Massnahme nicht auf andere Strassen in den Quartieren ausweichen würden und in so einem Fall flankierend eingreifen. Aber manchmal würden kleine Schritte viel bewirken. Wie zum Beispiel beim Verkauf von Plastiksäcken: Nachdem Schweizer Detailhändler pro Sack fünf Rappen einforderten, brach die Nachfrage nach Plastiksäcken ein. Und das um über 80 Prozent.

Mit weitaus grösseren Schritten soll der Stadtrat laut Studhalter aber in Sachen Netto-Null bis 2030 vorpreschen. «Dem Stadtrat fehlt es an politischem Willen», kritisiert er. «Klar ist es angenehmer zu sagen, es wird schwierig, wir müssen ‹langsam schauen›.» Die Frage sei nicht, ob es die Stadt umsetzen könne, sondern wie. «Denn wir müssen.»

Das Kämpfen ist er sich gewohnt. Seit elf Jahren macht Studhalter Hapkido – eine koreanische Kampfkunst.

Jona Studhalter ist gelernter Koch und studiert derzeit angewandte Psychologie. (Bild: ida)

Junge Grüne wollen Fraktionsstärke erreichen

Derzeit haben die Jungen Grünen mit Irina Studhalter einen Sitz im Stadtparlament. Nun wollen sie um zwei Mandate zulegen. Fraktionsstärke zu erreichen sei ein grosses Ziel. Ist das nicht ein wenig gar optimistisch?

Studhalter winkt ab. Er zieht einen Vergleich zu den letztjährigen Kantonsratswahlen, bei denen Jonas Heeb als erster Junggrüner den Einzug schaffte. Knapp haben sie einen zweiten Sitz verfehlt. «Wir wollen doch das Ergebnis von letztem Jahr nicht einfach wiederholen – sondern verbessern», sagt er und lacht. Denn die Jungen wollen mehr. Das Resultat habe die Partei noch mehr angespornt, von Ernüchterung sei nichts zu spüren.

«Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer sind Akteure, die vorwärts machen.»

Die grüne Welle hält an, ist er überzeugt. Auch wenn er mit dem Begriff eigentlich nicht viel anfangen kann. Dass die Öko-Allianz bei den Kantonsratswahlen um 11 Sitze zulegen konnte, sei keiner grünen Welle zu verdanken. «Vielmehr ist es ein Bewusstseinswandel in der Bevölkerung. Es wird vielen bewusst, dass auch wir hier etwas dafür können, wenn in Australien ganze Wälder abbrennen.»

Bodum soll enteignet werden

Studhalter studiert in Zürich angewandte Psychologie. Deswegen würde er am liebsten die städtische Sozial- und Sicherheitsdirektion übernehmen. «Mit wenigen Massnahmen kann man das Leben von Kindern, Jugendlichen und Familien sehr viel einfacher machen. Ich will schauen, dass hier nicht gespart wird», so Studhalter.

Doch was kann er besser als der bisherige Stadtrat? Gerade an der städtischen Baudirektorin übt er harsche Kritik. «Sehr befremdlich» fände er, dass die städtische Baudirektion vom Kantonsgericht zurückgepfiffen wurde, weil sie den Abbruch eines historischen Gebäudes bewilligt hat. Und das, ohne sauber abzuklären, ob eine Sanierung möglich und zumutbar wäre (zentralplus berichtete). Eine «Peinlichkeit», findet Studhalter.

Er fordert zudem, dass der Besitzer der Bodum-Villen enteignet werde. Besetzungen sind für Studhalter per se nichts Schlechtes. «Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer sind Akteure, die vorwärts machen. Niemand besetzt ein Haus aus destruktivem Willen oder aus der Absicht, jemandem etwas wegzunehmen.»

Und was wäre denn nun das beste Rezept, um gegen Hausbesetzungen vorzugehen? «Zuvor handeln, sodass erst gar keine Häuser leer stehen.»

Auf der Bernstrasse wird's heikel

Das Neubad als Treffpunkt für dieses Gespräch hat Studhalter ganz bewusst ausgesucht. «Das Neubad ist für mich ein Beispiel dafür, was die Stadt tun kann, um Kultur zu fördern. Es muss nicht immer eine Stadtverwaltung dahinter stehen.» Auch das Treibhaus, in dem der gelernte Koch seit fünf Jahre arbeitet, sei ein solcher Ort.

Studhalter hat aber auch lobende Worte für den Stadtrat. Die Stadt sei in Sachen Veloförderung gut unterwegs. Lob gibt's von Studhalter für die Lösung an der Bruchstrasse, wo er in einer WG wohnt, Tadel für die Situation an der Bernstrasse. Die Strasse sei zu schmal, Autos dürfen mit 50 Stundenkilometer durch fahren, «was verkehrstechnisch überhaupt keinen Sinn macht». Ist er selbst ein Rowdy oder ein gesitteter Velofahrer? «Ich bin ein selbstbewusster Velofahrer, der nicht rechts am Randstein kleben bleibt sondern seinen berechtigten Platz einnimmt.»

Der Espresso ist schon lange leer getrunken, Studhalter packt sein Megaphon. Es steht noch eine Aktion der Jungen Grünen an.

Jona Studhalter im Video: «Die Stadt Luzern würde mir besser gefallen, wenn …»

Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer zentralplus-Serie zu allen zehn Kandidatinnen und Kandidaten für den Luzerner Stadtrat. Mehr Infos zu den Wahlen vom 29. März gibt’s in unserem Dossier.

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7 Kommentare
  • Profilfoto von faktencheck
    faktencheck, 13.03.2020, 16:39 Uhr

    Hehre Ideen und sicherlich stark einseitig politisch gefärbt, aber das tut der Politik gut und führt schliesslich zu tragbaren Lösungen, wo niemand nur verliert und jeder etwas bekommt.

    Bedenklich aber, dass heute meist vergessen geht, dass unser Staat und die Politik auf allen Ebenen die Verfassungen und Gesetze sowie Reglemente zu befolgen hat. Sie bilden die Schranken innerhalb derer «gespielt» werden darf und soll. Zuerst also die Schranken verschieben, dann ist die Tat auch eben legal und HausbesetzerInnen dürfen zu ihrer Identität stehen…

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  • Profilfoto von anonym
    anonym, 07.03.2020, 09:31 Uhr

    Der ruft im Grunde zum Landfriedensbruch auf.

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  • Profilfoto von Roland Grüter
    Roland Grüter, 06.03.2020, 18:59 Uhr

    An Herrn Hug

    Gibt es keine anderen politischen Kandidaten zur Wahl? Deshalb die Minuspunkte, wegen der Auswahl.

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    • Profilfoto von Christian Hug
      Christian Hug, 06.03.2020, 21:39 Uhr

      Selbstverständlich gibt es andere Kandidatinnen und Kandidaten. Und wir haben schon verschiedene vorgestellt, die weiteren werden folgen. Daher verstehe ich die «Minuspunkte» nicht. Unsere Aufgabe ist es nicht, eine beliebige Selektion vorzunehmen. Die Übersicht gibts übrigens in unserem Dossier: https://www.zentralplus.ch/dossier/wahlen-luzern/

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  • Profilfoto von Roland Grüter
    Roland Grüter, 06.03.2020, 17:42 Uhr

    Ein weiterer Selbstdarsteller mit kruden Ideen. Gibt es da nichts Gescheiteres zu berichten? Minuspunkte für Zentralplus!

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    • Profilfoto von Christian Hug
      Christian Hug, 06.03.2020, 18:30 Uhr

      Selbstdarstellung gehört wohl ein Stück weit zum Wesen eines jeden Politikers. Doch warum vergibst Du uns Minuspunkte dafür, dass wir die Stadtratskandidaten porträtieren? Müssten wir eine Auswahl treffen, und wenn ja, nach welchen Kriterien? Oder was vermisst Du sonst auf zentralplus, über das wir nicht berichtet haben?

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  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 06.03.2020, 10:13 Uhr

    Klare und überzeugende Worte von Jona Studhalter. Bravo! Schade bin ich nicht wahlberechtigt im Kanton Luzern.

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