Vom Kanton Luzern gibts keine Zuschüsse

Jobs für Ukrainer: Arbeitgeberinnen gucken in die Röhre

Urban Frye setzt sich für Ukrainerinnen ein – die Regierung findet, sie mache genug für die Arbeitsintegration von Menschen mit Schutzstatus S. (Bild: zvg)

Der Kanton Luzern tut genug dafür, dass Flüchtlinge aus der Ukraine hier einen Job finden und nicht längere Zeit auf Asylsozialhilfe angewiesen sind. Das glaubt der Kantonsrat. Dabei geht er aber wohl von falschen Voraussetzungen aus.

Die Flüchtlinge mit Schutzstatus S dürfen in der Schweiz arbeiten –theoretisch. In der Praxis stellen sich einige Probleme (zentralplus berichtete). Die Luzerner Regierung machte den Kantonsrat letzte Woche glauben, es gäbe finanzielle Zuschüsse für Arbeitgeber, die Menschen aus der Ukraine beschäftigen. Eine Nachfrage zeigt nun: Das stimmt so nicht.

Kantonsrat Urban Frye (Grüne / junge Grüne) hatte am Dienstag den Kanton Luzern in einem dringlichen Vorstoss aufgefordert, für Personen mit Status S «arbeitsmarktliche Massnahmen» mitzufinanzieren. «Machen wir schon», lautete stark verkürzt die Antwort der Regierung.

Alles in Butter – oder doch nicht?

«Arbeitgeberinnen (...) im Kanton Luzern, welche Personen mit Schutzstatus S mit einem ausserordentlichen Einarbeitungsbedarf zu den üblichen Arbeitsbedingungen anstellen, erhalten während einer begrenzten Zeit finanzielle Zuschüsse», heisst es in der Antwort der Regierung wörtlich.

«Jeder, der einen Job findet, belastet die Asylsozialhilfe nicht.»

Kantonsrat Urban Frye (Grüne)

Was es für eine Teilnahme am FiZu genannten Pilotprojekt des Bundes brauche, sei eine Arbeitsbewilligung des Amts für Migration. Bereits 48 Ukrainerinnen haben eine solche.

«Super, dann gibt es ja genügend Anreize», muss sich da die eine oder andere Kantonsrätin gedacht haben. Das Parlament erklärte die Forderung kurzerhand für erfüllt und lehnte den Vorstoss von Urban Frye ab (zentralplus berichtete).

Geld für Einarbeitung oder Weiterbildung

Recherchen von zentralplus zeigen jetzt aber ein anderes Bild. Das Programm FiZu richtet sich ursprünglich an Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene, die für den ersten Arbeitsmarkt qualifiziert sind. Wenn sie einen Arbeitsvertrag haben, gibt es tatsächlich Einarbeitungszuschüsse oder es werden arbeitsplatzbezogene Weiterbildungen finanziert.

Der finanzielle Beitrag vom Bund beträgt maximal 10’000 Franken pro Person. Geld wird aber nur ausbezahlt, wenn sich der Kanton Luzern in der ebengleichen Höhe beteiligt. Und das ist das Problem für Menschen mit Schutzstatus S.

Luzern bezahlt den Bund mit Bundesgeldern

Der Kanton Luzern setzt für seinen Anteil an FiZu nämlich ausschliesslich Mittel aus den Integrationspauschalen ein, die er vom Bund bekommt. Doch für Personen mit Schutzstatus S gibt es keine solchen. Nur bei Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen zahlt der Bund Geld für die Integration.

«Die Luzerner Regierung wird erst noch prüfen, ob und aus welcher Quelle die seitens Kanton erforderlichen finanziellen Mittel bereitgestellt werden könnten.»

Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen

«Das Staatsekretariat für Migration hat einseitig festgelegt, dass dieses Programm (FiZu, Anm. der Redaktion) nun auch für Personen mit Schutzstatus S zugänglich ist», heisst es auf Anfrage von der kantonalen Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen. Doch rechtlich hätten diese Menschen «nur» Anspruch auf Beratung und Unterstützung in der Arbeitsvermittlung. Also nicht auf finanzielle Zuschüsse für Arbeitgeber, wie Frye sie gefordert hatte.

Da der Bund für Flüchtlinge aus der Ukraine keine Integrationspauschalen zahlt, «muss die Luzerner Regierung erst noch prüfen, ob und aus welcher Quelle die seitens Kanton erforderlichen finanziellen Mittel bereitgestellt werden könnten.»

Heisst: Personen mit Schutzstatus S haben theoretisch Zugang zu FiZu. Aber bislang eben nur theoretisch.

Konkrete Nachfrage blieb unbeantwortet

Ob das allen Parlamentariern klar war, als sie die Forderungen von Frye für erfüllt erklärten? Der grüne Kantonsrat bezweifelt das. «Ich bin – wohl zusammen mit den bürgerlichen Ratskollegen und -kolleginnen – davon ausgegangen, dass das aufgegleist ist», sagt er auf Anfrage.

Konkret danach gefragt hatte SP-Kantonsrat Marcel Budmiger. «Vielleicht könnte der Gesundheitsdirektor etwas dazu sagen, ob die Unternehmen die Zuschüsse nun bereits beantragen können?», bat er in der Debatte. Doch der angesprochene Regierungsrat Guido Graf ging darauf nicht ein.

«Wenn der Regierungsrat nicht bereit ist, eigene Mittel einzusetzen, werden wir mit einem Vorstoss nachdoppeln.»

SP-Kantonsrat Marcel Budmiger

«Der Regierungsrat wollte mit seinen schwammigen oder gar falschen Antworten wohl davon ablenken, wie wenig eigene Mittel der Kanton zur Bewältigung der Ukraine-Krise ausgibt», meint Budmiger dazu. Die Deutschkurse würden aus Kostengründen erst im Juni starten (zentralplus berichtete) und auch bei den arbeitsmarktlichen Massnahmen scheine vieles noch unklar zu sein.

«Wie bei den Corona-Hilfen brüstet sich der Kanton mit vielen Massnahmen, die letztlich der Bund bezahlt», kritisiert Budmiger. Es brauche Einarbeitungszuschüsse oder Mittel aus dem Pilotprogramm FiZu. «Wenn der Regierungsrat nicht bereit ist, eigene Mittel einzusetzen, werden wir mit einem Vorstoss nachdoppeln», kündigt er an.

Schutzstatus S: Bund geht über die Bücher

Aus Sicht von Urban Frye besteht ein breiter Konsens von links bis rechts darüber, dass es finanzielle Unterstützung bei der Integration braucht. «Jeder, der einen Job findet, belastet die Asylsozialhilfe nicht. Und es ist allen klar, dass der Krieg nicht morgen aufhört», so Frye.

Das bestätigte am Freitag auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter an einer Medienkonferenz. «Ein Ende ist leider nicht in Sicht.» Sie räumte ein, dass sich wegen dem Schutzstatus S immer wieder neue Fragen stellen. Deswegen setzt sie nun eine Evaluationsgruppe ein, die Antworten auf diese sucht.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Urban Frye
  • Telefonat mit Marcel Budmiger
  • Schriftlicher Austausch mit Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen
  • Stellungnahme der Regierung zum Postulat Frye
  • Projektbeschrieb: «Finanzielle Zuschüsse zur Arbeitsmarkt­integration von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen»
  • Medienmitteilung des Bundes: Zwischenbilanz der Aufnahme von Geflüchteten nach knapp drei Monaten Krieg
  • Aufnahme der Kantonsratsdebatte (Votum Budmiger ab Minute 36)
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