Zuger macht Hochhaus auf Bürgenstock möglich

Joachim Eder bläst zum Angriff auf den Landschaftsschutz

Moränen.

(Bild: Urs Raschle)

Eine vom Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder eingereichte parlamentarische Initiative könnte fatale Folgen haben. So sind etwa die Moränen bei Menzingen, das Hochmoor von Rothenthurm oder auch die Landschaft auf dem Bürgenstock in Gefahr. Nun schlagen Schutzverbände Alarm.

Die Drumlinlandschaft bei Menzingen, das Hochmoor in der Ebene von Rothenthurm: Diese Zuger Landschaftsperlen sind nebst anderen im Inventar der bedeutendsten Landschaften der Schweiz verzeichnet. Und jetzt das: Ein politischer Vorstoss verlangt, dass künftig auch bloss kantonale Interessen genügen sollen, um von der ungeschmälerten Erhaltung dieser wertvollen Objekte abweichen zu können.

Im Zentrum des Films: der Gubel, ebenfalls ein Moränenhügel und mit seinen Kloster ebenfalls eine Art Kreuzhügel.

Mythisch: Der Gubel, auf einem Moränenhügel in Menzingen, hier im Dok-Film «Ex Voto» von Erich Langjahr.

(Bild: langjahr-film)

 

Bisher war dafür zwingend ein nationales Interesse nötig. Zudem will der Vorstoss den Einfluss der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission schmälern. Deren Gutachten waren für die Gerichte bisher sehr zentral. Nun sollen sie bloss noch eine Entscheidungsgrundlage unter mehreren darstellen.

Damian Müller ist mit von der Partie

Kurz vor Ostern hat die Umweltkommission des Ständerats entschieden, dass das Natur- und Heimatschutzgesetz entsprechend geändert werden soll. Der Schutz des Bundesinventars der Landschaften von nationaler Bedeutung (BLN) und des Bundesinventars der schützenswerten Ortsbilder (ISOS) soll entsprechend aufgeweicht werden. Derzeit sind schweizweit 162 Gebiete im BLN aufgeführt. Im ISOS sind 1’274 Ortschaften oder Ortsteile verzeichnet.

Für diese Gesetzesänderung sprachen sich alle FDP-, SVP- und CVP-Vertreter in der Kommission aus. Als einziger Vertreter der Zentralschweiz sitzt auch der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller in diesem Gremium.

Hat gut lachen: Der 31-jährige Damian Müller (FDP) wurde am Sonntag in den Ständerat gewählt.

Der Hitzkircher Damian Müller (FDP) ist der einzige Zentralschweizer in der Umweltkommission des Ständerats.

(Bild: Jakob Ineichen)

Für Eder hat Heimatschutz zu viel Gewicht

Vater dieses Vorhabens ist der Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder. Er hatte 2012 eine entsprechende parlamentarische Initiative eingereicht. Auf Anfrage meint Eder, dass die Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) nicht vom Volk legitimiert sei. Es gehe nicht an, dass eine solche Kommission ein «derartiges Gewicht» besitze. Eder spricht von einem «Unbehagen über den zu hohen Stellenwert der ENHK-Gutachten». Dies habe vor sechs Jahren seinen Vorstoss ausgelöst.

Joachim Eder will es noch einmal wissen. Der ehemalige Zuger Landammann hat seine ersten vier Jahre im Ständerat hinter sich.

Joachim Eder hat die Diskussionen mit einem Vorstoss ausgelöst.

(Bild: anm)

Herbert Bühl war bis 2017 Präsident der ENHK. Er sagt: «Ständerat Eder liegt falsch. Die ENHK verfasst ihre Gutachten aufgrund eines im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz festgehaltenen Auftrags. Dieses Bundesgesetz bildet die rechtliche, demokratisch erfolgte Legitimation der ENHK. Wahlbehörde ist der Bundesrat.» Das Gleiche gelte auch für die Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalschutz (EKD).

Deponien in Zug, Tourismus am Vierwaldstättersee

Sollte es wirklich zu dieser Gesetzesänderung kommen, so geht Herbert Bühl davon aus, dass die grössten Auswirkungen in den BLN-Objekten zu erwarten sind. Diese könnten auch die Kantone Zug und Luzern betreffen. «Im Kanton Zug standen schon wiederholt Deponieprojekte und Materialabbau im Konflikt mit dem BLN.» Es sei denkbar, dass hier der Kanton vermehrt oder gar regelmässig ein kantonales Interesse geltend machen könnte.

«Sollte die Zuger Regierung eine mögliche Gefährdung konkreter Inventarobjekte befürchten, wird sie sich verlauten lassen.»

Joachim Eder, Ständerat (FDP), Unterägeri

Im Kanton Luzern dürften touristische Erschliessungen, Meliorationen und neue Bauzonen – zum Beispiel über dem Vierwaldstättersee – mit dem BLN in Konflikt geraten und zugunsten der Nutzer entschieden werden.

Sein Vorstoss habe eine gesamtschweizerische Dimension, meint Ständerat Eder auf die Frage, ob nun unter anderem nicht auch gerade die BLN-Landschaften im Kanton Zug unter Druck kommen könnten. Der Kanton Zug sei im Rahmen der jetzt laufenden Vernehmlassung ebenfalls zur Stellungnahme eingeladen: «Sollte die Zuger Regierung eine mögliche Gefährdung konkreter eigener Inventarobjekte befürchten, wird sie sich diesbezüglich verlauten lassen.»

Kantone gewichten Gewerbelobby stärker

Die Schutzverbände sprechen jetzt schon Klartext. Selbstverständlich wäre bei einer Umsetzung dieses Vorstosses von einer Schwächung des Landschaftsschutzes auch im Kanton Zug auszugehen, meint André Guntern, Präsident von Pro Natura Zug.

Mit der Moränenlandschaft Menzingen-Höhronen, dem Zugerseeufer und der Reussebene verfüge der Kanton Zug über drei BLN-Landschaften, die schon heute unter starkem Druck stünden. Dies wegen der hohen Bautätigkeit und dem «Hunger» nach Kies und Deponien.

Kiesgrube Äbnetwald.

Kiesgrube Äbnetwald.

(Bild: mam)

«Wenn die Anforderungen reduziert und die Kompetenzen für die Beurteilung von landschaftsrelevanten Bauvorhaben auf die Kantone verschoben werden, kann das sicher gravierende Auswirkungen haben.» Guntern verweist dabei als Beispiele auf die umstrittenen Kiesabbauvorhaben in der Moränenlandschaft, den geplanten Golfplatz beim Reussspitz oder auf das Projekt der Novartis am Seeufer in Risch.

WWF: «Der Vorstoss ist gefährlich»

Auch Marc Germann vom WWF Zentralschweiz sagt, der Vorstoss Eder würde sicher auch Auswirkungen auf die BLN-Gebiete der Zentralschweiz haben. Bereits aufgrund der Energiestrategie 2050 seien nun Vorhaben im Bereich der erneuerbaren Energien in BLN-Gebieten leichter realisierbar: «Der Vorstoss Eder ist deshalb unnötig, ja gefährlich, denn er weicht nationale Schutzinteressen noch weiter auf und möchte gar kantonale Interessen den nationalen gleichsetzen.»

Das Ganze könnte gut darauf hinauslaufen, dass zum Beispiel ein regional geplanter Deponiestandort auch in einem wertvollen, national geschützten BLN-Gebiet realisiert würde. «Der Vorstoss Eder ist daher eine Gefahr für den Landschaftsschutz und unseren Umgang mit den wertvollsten Gebieten.»

Das Ganze sei auch aus touristischer Sicht ein «heisses Spiel», dies, wenn zum Beispiel aus regional-wirtschaftlichen Gründen ein Hochhaus auf dem Bürgenstock die schöne See- und Voralpenlandschaft verunstalten würde.

Conrad Wagner, Präsident des Innerschweizer Heimatschutzes.

Conrad Wagner, Präsident des Innerschweizer Heimatschutzes.

(Bild: bra.)

Ortsbildschutz unter Druck

Aus Sicht des Denkmalschutzes sagt Conrad Wagner, Präsident des Innerschweizer Heimatschutzes, dass der Druck auf die ISOS-Inventare und den Denkmalschutz generell schon heute gross sei. Als ein Beispiel unter vielen nennt er das vom Abbruch bedrohte CSS-Gebäude an der Tribschenstrasse in Luzern. Dieses liegt in einer sogenannten Umgebungszone des ISOS.

Das Gewerbegebäude selber ist im ISOS ebenfalls erwähnt, und zwar als Einzelobjekt mit dem Erhaltungsziel «A» (Integrales Erhalten der Substanz).

Das umstrittene Gewerbegebäude mit der CSS-Werbung, dahinter der Hauptsitz der Versicherung im Tribschenquartier.

Das vergammelte, aber geschützte Gewerbegebäude im Luzerner Tribschenquartier.

(Bild: jal)

Werden Gutachten zu Alibiübungen?

Vor diesem Hintergrund sagt Patrick Schoeck vom Schweizer Heimatschutz: «Herr Eder will mit seinem Vorstoss die nationalen Expertengutachten zum Beigemüse degradieren.» Falls diese Pläne realisiert würden, so wären die Auswirkungen gerade dort besonders schädlich, wo die kantonalen Fachstellen politisch gewollt an der kurzen Leine gehalten werden. Das sei in vielen Kantonen der Zentralschweiz so der Fall.

«Herr Eder will mit seinem Vorstoss die nationalen Expertengutachten zum Beigemüse degradieren.»

Patrick Schoeck, Schweizer Heimatschutz

Wie fahrlässig das Ganze sei, zeige sich mit Blick auf all jene Fälle, wo eine vernünftige Lösung oder zumindest ein Etappenhalt jeweils nur dank einem solchen nationalen Expertengutachten zustande kamen. Als aktuelle Beispiele in der Zentralschweiz nennt Schoeck die Kantonalbank in Sarnen oder den Dorfplatz in Stans.

13 Häuser der Gartenstadt (Bildmitte) sollen Neubauten weichen. Zehn gehören der kantonalen Gebäudeversicherung.

Eigentümerinteressen gehen vor: Zum Beispiel bei den 13 Häusern der ortsbildgeschützten Zuger Gartenstadt (Bildmitte), die Neubauten weichen sollen.

(Bild: Flying Camera Baar)

Besorgnis wegen regionalen Schutzobjekten

Meinrad Huser, Präsident des Zuger Heimatschutzes, befürchtet zudem, dass auch die kantonalen und regionalen Schutzobjekte bald in ähnlicher Weise unter Druck geraten würden, falls diese Gesetzesrevision zustande käme. Huser verweist dabei auf die ganz spezielle Situation im Kanton Zug: «Hier wird mit der Revision des Denkmalschutzgesetzes alles versucht, um nicht die Denkmäler, sondern die Eigentümerinteressen zu schützen.»

Beispiel Zug: Landschaften und Ortsbilder unter Schutz

Folgende Gebiete, die den Kanton Zug betreffen, sind im Bundesinventar der Landschaften von nationaler Bedeutung: die Reusslandschaft, die Glaziallandschaft Lorze–Sihl mit Höhronenkette und Schwantenau, die Moorlandschaft zwischen Rothenthurm und Biberbrugg, der Zugersee, die Bergsturzgebiet von Goldau.

Teilweise handelt es sich um kantonsübergreifende Gebiete, bei denen gegebenenfalls nur ein kleiner Teil im Kanton Zug liegt – zum Beispiel die Reusslandschaft.

Gubel oder Niederwil – 14 Orte von nationaler Bedeutung

Das ISOS umfasst im Kanton Zug 14 Ortsbilder von nationaler Bedeutung. Darunter fallen grosse Teile der Stadt Zug, aber auch kleine Ortsbilder wie Frauental, Niederwil oder die Spinnerei in Baar.

Befragt nach besonders markanten oder bemerkenswerten Beispielen nennt die Zuger Baudirektion bei den BLN-Gebieten die Glaziallandschaft bei Menzingen. Die bekannten Drumlins mit der Linde oben drauf seien einmalig in der Schweiz. Als weiteres Highlight sei der Zugersee zu nennen. Das Westufer als eine Mischung von Schlossliegenschaften, Naturschutzgebieten und freier Kulturlandschaft suche seinesgleichen in der Schweiz.

Bei den Ortsbildern sei eine Auswahl schwierig. Alle 14 Inventargebiete würden typische Zuger Ortsbilder abbilden. Sehr markant seien sicher die Klosteranlagen Gubel und Frauental. Zu denken sei aber auch an die ins Inventar aufgenommenen Zeitzeugen der Industrialisierung, die bäuerlich geprägten Weiler und die Stadtbilder von Cham und Zug.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von franz
    franz, 16.04.2018, 20:40 Uhr

    es ist einfach skandaloes wie wenig sich gewisse Politiker um unsere Umwelt sorgen

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