Jeder dritte Kantonsrat will Fessel für kriminelle Asylsuchende
:focal(345x500:346x501)/www.zentralplus.ch/wp-content/uploads/2015/02/imagescms-image-005228200.jpg)
Über ein Drittel des Luzerner Kantonsrats verlangt ein elektronisches Monitoring von straffälligen Asylsuchenden. Die Regierung lehnt dies aber ab. Das sind ihre Gründe.
Kantonsrat Luca Boog (Mitte) ist besorgt. Und mit ihm über ein Drittel von Kantonsrätinnen und Kantonsräten der Mitte, der FDP und der SVP. Seine breit unterstützte Motion vom Oktober 2024 bezieht sich auf die Tatsache, dass Diebstähle 2023 schweizweit um elf Prozent zugenommen haben.
Mit Blick auf den Kanton Aargau, wo sich diese Delikte innerhalb von fünf Jahren fast versechsfacht haben, konstatiert er, dass vor allem Männer aus den Maghreb-Staaten zunehmend in solche Delikte verwickelt seien.
Delikte von Personen aus dem Maghreb steigen
Seine Motion verlangt von der Luzerner Regierung gesetzliche Grundlagen, damit sichergestellt werden kann, dass den Behörden der Aufenthalt jeder straffälligen asylsuchenden Person bis zu ihrer Ausreise jederzeit bekannt ist. Zielführend dafür wäre eine elektronische Fussfessel (zentralplus berichtete).
Die Dringlichkeit seiner Motion begründet er damit, dass die Anfrage A 177 im Kantonsparlament gezeigt habe, dass im Kanton Luzern die Zahl der Delikte von Personen aus dem Maghreb zwischen 2022 und 2023 von 197 auf 392 gestiegen sei.
Zu lange Ausschaffungsfrist öffne Tür und Tor für Delikte
Gerade bei Asylsuchenden, die einen ablehnenden Bescheid erhalten würden, würden sich die Straftaten häufen, «weil diese nichts mehr zu verlieren haben». In seinen Antworten zur Anfrage A 177 habe der Regierungsrat denn auch offengelegt, dass die Ausschaffung von asylsuchenden Personen in ihre Heimatstaaten nicht «zufriedenstellend» sei.
:focal(50x50:51x51)/www.zentralplus.ch/wp-content/uploads/2024/02/Luca-Boog-Europaplatz-e1708066751462.jpg)
Es komme immer wieder zu Verzögerungen, und die Ausschaffungen würden hinausgeschoben. Entsprechend würden Personen mit Ausschaffungsentscheid oft noch über Wochen in der Schweiz bleiben. Was dann Tür und Tor öffne für Straffälligkeiten.
Dank Tracking liessen sich Straffällige besser belangen
Es liege also auf der Hand, straffällige Asylsuchende bis zum Vollzug ihrer Ausschaffung mittels Tracking nachzuverfolgen. Auf diese Weise könnte man besser nachvollziehen, wenn diese Personengruppe in Delikte verwickelt sei, und man könne sie auch leichter rechtlich belangen.
Luca Boog und seine über 40 Mitunterzeichner erhoffen sich mit der Fussfessel mehr Kontrolle und Sicherheit.
Regierung lehnt Fussfessel für Asylsuchende in Luzern klar ab
Die Antwort des Regierungsrats stellt gleich zu Beginn klar: Es sei gesetzlich geregelt, dass die Gesetzgebung im Ausländer- und Asylbereich in die Kompetenz des Bundes falle und ein Kanton hier keine Befugnisse habe. Das gelte eben auch für eine Überwachung im Sinn einer Präventions- und Sicherheitsmassnahme.
Die Regierung führt aus, dass von Wegweisungen betroffene ausländische Personen gemäss Ausländer- und Integrationsgesetz bereits dazu verpflichtet werden könnten, sich regelmässig bei der Behörde zu melden, eine angemessene finanzielle Sicherheit zu leisten und ihre Reisedokumente zu hinterlegen.
Präventive Massnahmen seien vorhanden
Ausserdem könne eine zuständige kantonale Behörde auch verordnen, dass eine ausländische Person ein bestimmtes Gebiet nicht verlassen respektive ein bestimmtes Gebiet betreten dürfe. Das gelte insbesondere dann, wenn die Person weder eine Kurzaufenthalts-, Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitze noch die öffentliche Sicherheit und Ordnung störe oder gefährde.
Als weitere präventive Massnahme sei es auch bereits heute möglich, diese Einschränkungen zu verordnen, wenn zu befürchten sei, diese Person werde nicht innerhalb der gegebenen Frist ausreisen oder sie eine entsprechende Frist nicht eingehalten habe. Weiter könne man entsprechende Personen bereits heute in besonderen Zentren festhalten.
Bundesrat hat mit Kantonen wegen Fussfesseln gesprochen
Auf Bundesebene sei das Thema der elektronischen Überwachung mit präventivem Zweck alles andere als neu. So sei der Bundesrat in seinem Bericht zu einem entsprechenden Postulat und vorgängiger Konsultation der Kantone zum Schluss gekommen, dass weder die Zweckmässigkeit eines Electronic Monitoring gegeben sei noch der Bedarf bestehe, eine entsprechende Gesetzgebung einzuführen.
Alle involvierten Kantone und Behörden hätten den Aufwand gegenüber dem Nutzen als deutlich höher eingeschätzt. Kein anderes europäisches Land wende Electronic Monitoring als Alternative zur Administrativhaft im Rückkehrbereich an.
Bund will Handlungsspielraum der Kantone erweitern
Der Bundesrat erachte die vorhandenen Möglichkeiten – insbesondere die Meldepflicht sowie die Ein- und Ausgrenzung – als zielführender und zweckmässiger.
Hingegen habe der Bund es als sinnvoll erachtet, den Handlungsspielraum der zuständigen kantonalen Behörden zu erweitern. Und zwar mit der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Anwesenheitspflicht in kantonalen Unterbringungsstrukturen. Des Weiteren behalte der Bund die laufenden Entwicklungen im Auge.
Umsetzung wäre sehr aufwendig und teuer
Zu guter Letzt gibt der Regierungsrat zu bedenken, wie aufwendig und kostenintensiv die Umsetzung einer elektronischen Fussfessel wäre. Es brauche Überwachungsgeräte und weitere Infrastruktur mitsamt Installations- und Auswertungsaufwänden.
Dass die Geräte von den Überwachten regelmässig beschädigt und manipuliert würden, liege auf der Hand. Die Polizei müsste entsprechende Geräte installieren, damit die Asylsuchenden diese bei Verlassen der Asylunterkunft auch mit sich führen.
Das alles liege weit über einem vertretbaren finanziellen und personellen Aufwand. Daher und wegen der fehlenden Kompetenz des Kantons in dieser Frage empfiehlt der Regierungsrat, diese Motion von Luca Boog abzulehnen.
Hinweis: In einer ersten Version stand fälschlicherweise, die Motion war auf die März-Session traktandiert.