Seilziehen um Untersuchung bei Educase

Luzerner IT-Flops: Wie viel Transparenz darf es sein?

Der Kanton Luzern hat mit zwei grösseren IT-Projekten zu kämpfen. (Bild: Symbolbild: Unsplash/Thisisengineering Raeng)

Im Kanton Luzern machen mehrere Informatikprojekte Probleme. Das Debakel um die Schulsoftware Educase nimmt die Aufsichtskommission jetzt genauer unter die Lupe. Eine zusätzliche externe Untersuchung zu den IT-Problemen lehnt die Regierung ab. Dennoch soll die Bevölkerung erfahren, was schiefläuft.

Der Schaden ist angerichtet: Nachdem die neue Schulsoftware Educase lange nicht richtig funktioniert hatte, wurde das Projekt diesen Winter endgültig abgebrochen. Kanton und Gemeinden stehen vor einem Scherbenhaufen.

Den auch die Politik nicht einfach so unter den Teppich kehren will. Die Aufsichts- und Kontrollkommission (AKK) des Kantonsrates hat vor wenigen Wochen eine Untersuchung angekündigt (zentralplus berichtete).

Bei mehreren IT-Grossprojekten haperts

Dabei ist Educase nicht das einzige IT-Projekt, das dem Kanton Luzern Kopfzerbrechen bereitet. Letztes Jahr sorgte eine Panne bei der Steuersoftware für viel Ärger und eine Intervention der Wettbewerbskommission (Weko) des Bundes (zentralplus berichtete).

Auch beim Service-Portal von Kanton und Gemeinden, quasi ein Online-Schalter für die Bürger, laufen die Arbeiten nicht reibungslos. Die Agglomerationsgemeinden intervenierten letzten Dezember beim Kanton, weil zu vieles unklar sei. Sie drohten damit, ihre Beiträge an das Projekt auf ein Sperrkonto zu zahlen (zentralplus berichtete).

Gleich mehrere Vorstösse im Kantonsrat forderten darum eine externe Untersuchung der Probleme im IT-Bereich. «Bei mehreren grossen Software-Projekten des Kantons Luzern sind in den letzten Jahren teils gravierende Probleme aufgetreten», begründet zum Beispiel SP-Kantonsrätin Anja Meier ihr Postulat. Auch GLP-Fraktionschefin Claudia Huser Barmettler verlangt eine externe Evaluation.

Die Bürgerlichen ihrerseits fordern einen Rechenschaftsbericht über problematische und gescheiterte Informatikprojekte. Sie alle erhoffen sich davon nebst Erkenntnissen über strukturelle Schwachstellen auch, das Vertrauen in die Regierung wieder zu stärken und Transparenz zu schaffen. Während SP und GLP eine unabhängige Prüfung bevorzugen, wollen FDP, Mitte und SVP mit einem verwaltungsinternen Rechenschaftsbericht weniger weit gehen.

Interner Bericht, aber keine zusätzliche externe Analyse

Der Regierungsrat spricht sich ebenfalls für den weniger aufwändigen Weg aus. Er zeigt sich bereit, einen internen Rechenschaftsbericht zu erstellen. Dem Vorschlag einer externen Untersuchung zu Grossprojekten und Schwachstellen im IT-Bereich allgemein steht er hingegen ablehnend gegenüber.

Zwar räumt er ein, dass keineswegs alles perfekt sei. Doch er relativiert zugleich: Die allermeisten IT-Projekte würden erfolgreich umgesetzt. Und der Kanton beziehungsweise die zuständigen Stellen laufend dazulernen.

Eine externe Evaluation verspreche daher keinen Mehrwert und würde nur hohe Kosten verursachen, schreibt die Regierung in ihrer Antwort auf die Vorstösse. Vor allem, da bei der Steuersoftware bereits eine externe Expertise vorliegt, beim Service-Portal eine Untersuchung durch den Verband Luzerner Gemeinden (VLG) geplant ist und die AKK die Schwierigkeiten im Fall Educase unter die Lupe nehmen wird.

AKK schaut kritisch hin, ohne auf Schuldigen zu zeigen

Die Frage, wer welche Art Untersuchung macht, ist aus zwei Gründen relevant. Erstens hängt davon ab, ob und in welcher Form die Resultate öffentlich gemacht werden. Grundsätzlich legt der Regierungsrat seine Rechenschaftsberichte jeweils dem Kantonsrat vor. Inwiefern das hier der Fall sein wird, scheint zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. Und zweitens entscheidet sich daran, wie kritisch der Bericht ausfallen dürfte. Naturgemäss schauen unabhängige Experten genauer auf die wunden Punkte als die Verwaltung, die selber für die Umsetzung verantwortlich ist.

«Wir wollen so viel Transparenz schaffen wie möglich, damit die Bürger auch sehen, was falsch läuft.»

Irene Keller, Präsidentin Aufsichtskommission

Die AKK wird für ihren Bericht solche externe Spezialisten beiziehen. Insofern kommt im vorliegenden Fall der AKK-Untersuchung besondere Bedeutung zu. Dessen ist sich die Kommissionspräsidentin Irene Keller bewusst. «Wir schauen sehr kritisch hin», sagt die FDP-Kantonsrätin. «Aber wir werden auch konstruktiv sein. Das Ziel ist nicht, auf eventuelle Schuldige zu zeigen, sondern die Prozesse zu verbessern und die Lehren für zukünftige Projekte zu ziehen.» 

Derzeit erarbeitet die AKK die Fragen, die im Kontext der Untersuchung gestellt werden sollen. Erst müssten intern alle Informationsquellen ausgeschöpft und die nötigen Unterlagen zusammengestellt werden, sagt Keller. Erst darauf aufbauend ergebe sich der Auftrag für die unabhängigen Experten. Dass es eine externe Sicht braucht, ist für Keller unbestritten.

Transparenz wird grossgeschrieben

Ebenso verspricht sie, dass die Information der Bevölkerung das nötige Gewicht erhalten wird. «Mir liegt sehr viel an Transparenz», sagt Irene Keller. Die AKK werde informieren, wenn der Auftrag für die externe Untersuchung vergeben wird. Und sie beabsichtigt auch, den Schlussbericht – mit Ausnahme der vom Persönlichkeits- und Datenschutz betroffenen Angaben – zu veröffentlichen. Genauso wie sie das rund um den Subventionsskandal bei den Luzerner Verkehrsbetrieben letzten Sommer tat.

«Ich erwarte auch von der Regierung eine selbstkritische Haltung.»

Claudia Huser Barmettler, GLP-Fraktionschefin

Das ist begrüssenswert. Und gleichwohl nicht selbstverständlich. Denn der Kanton Luzern kennt als einer der letzten Kantone noch kein Öffentlichkeitsprinzip. Derzeit liegt zwar ein neuer Anlauf auf dem Tisch und dessen Chancen stehen gut (zentralplus berichtete). Doch aktuell gilt, dass Dokumente der Verwaltung nicht zwangsläufig öffentlich gemacht werden müssen. AKK-Präsidentin Irene Keller betont allerdings: «Wir wollen so viel Transparenz schaffen wie möglich, damit die Bürger auch sehen, was falsch läuft.»

Das ist auch Claudia Huser wichtig. Die Öffentlichkeit verlange Antworten, sagt die GLP-Politikerin, die ihre Motion jetzt zugunsten der AKK-Untersuchung zurückgezogen hat. «Ich vertraue darauf, dass die AKK sorgfältig und kritisch hinschaut», so Huser. «Und erwarte auch von der Regierung eine selbstkritische Haltung.»

«Wenn jetzt nicht effektiv die Lehren aus den Vorkommnissen gezogen werden, nimmt der Kanton längerfristig weitere Fiaskos in Kauf.»

Anja Meier, SP-Kantonsrätin

Auch SP-Kantonsrätin Anja Meier attestiert den Untersuchungsergebnissen ein hohes öffentliches Interesse. Dass die AKK den Fokus hauptsächlich auf Educase legt und die Regierung eine unabhängige Gesamtschau ablehnt, bezeichnet sie als verpasste Chance. «Ein interner Rechenschaftsbericht, bei dem sich Regierung und Verwaltung selber auf die Finger schauen, ist für uns kein ausreichend unabhängiger Ersatzmechanismus», sagt Meier und warnt: «Wenn jetzt nicht effektiv die Lehren aus den Vorkommnissen gezogen werden, nimmt der Kanton längerfristig weitere Fiaskos in Kauf – und nicht zuletzt weitere finanzielle Mehraufwände für die Steuerzahlenden.»

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 26.04.2022, 19:54 Uhr

    Wenn eine Baufirma einen Pfusch macht oder das bestellte Produkt mangelhaft ist, wird sie umgehend vollumfänglich haftbar gemacht. Anders in der verwöhnten IT-Branche: Hier haben wir uns daran gewöhnt, dass Fehler auf Kosten der Kunden repariert oder das bestellte Produkt nicht geliefert wird – der Bund macht dies mit seinen zahlreichen Debakeln ja immerzu vor, und es werden Millionen der Steuerzahler in den Sand gesetzt. Wo bleibt hier die rechtlich vorgesehene Haftung? Wenn die Politik nicht endlich angemessen durchgreift und Regress auf die Schuldigen sowohl auf der Besteller- als auch auf der Lieferantenseite nimmt, kommt dies einer Wettbewerbsverzerrung gleich und fördert schlampiges Arbeiten.

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  • Profilfoto von Urs Eggler
    Urs Eggler, 26.04.2022, 12:33 Uhr

    IT-Projekts sind halt immer anspruchsvoll und je mehr verschiedene Stellen involviert sind, umso schwieriger ist es, alles unter einen Hut zu bringen und schlussendlich «zu liefern».

    Im Rückblick Schuldige zu suchen mag auch dazu führen, dass man die gleichen Fehler nicht mehr wiederholt, sind aber nicht DIE Lösung. Besser wäre es, das nächste Projekt sorgfältig, respektvoll und immer zielgereichtet anzugehen und es nicht auf die leichte Schulter zu nehmen denn Projekte sind halt eben NICHT business as usual.

    Wenn ich allerdings lese, dass bei Educase das Angebot für eine nicht existente Neuentwicklung erfolgte und dass die Migration vom Altsystem vergessen wurde, dann scheint mir, dass man da von Anfang an auf das falsche Ross gesetzt hat und darf sich schon fragen, wie/wer das entschieden hat und ob diese Stellen die notwendige Kompetenz für diesen Entscheid haben.

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  • Profilfoto von mvonrotz
    mvonrotz, 26.04.2022, 11:58 Uhr

    eine interne Untersuchung reich hier bei Weitem nicht aus. Und die Aussage Niemanden zu beschuldigen ist nicht zielführend. Da müssen gegebenenfalls «Köpfe rollen» um die sich IMMER wieder widerholenden Debakel zu verhindern!

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