18-Jähriger ist Präsident der Grünen Sursee

«Ich will nicht nur allen auf den Sack gehen»

Samuel Zbinden in Städtchen Sursee.

(Bild: Chris Roos)

Samuel Zbinden war der Kopf hinter Luzerner Protesten gegen die Sparmassnahmen, wurde zum Ortspartei-Präsidenten gewählt und musste kurz darauf die heutige Jugend im Fernsehen verteidigen, zu wenig rebellisch zu sein. Der Jungpolitiker darüber, plötzlich im Scheinwerferlicht zu stehen und warum ihn die Jungsozialisten enttäuschten.

Seit dem 17. Oktober ist er Präsident der Grünen Sursee und am 24. Oktober hatte er bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr einen Auftritt im Schweizer Fernsehen. Er diskutierte im «Club» darüber, warum die Jungen heute nicht mehr gegen die Alten rebellieren. Zuvor war er im April dieses Jahres vom «10vor10» als Kopf hinter den Protesten gegen die Sparmassnahmen im Bildungsbereich porträtiert worden. Der 18-jährige Samuel Zbinden blickt selbst mit Erstaunen darauf zurück, was in diesem Jahr alles passiert ist. Irgendwie sei er da so reingerutscht, sagt der Jungpolitiker. 

Kaum Mitglied, schon Präsident

Im November 2016 sei er zum ersten Mal an eine Mitgliederversammlung der Jungen Grünen in Luzern gegangen, erzählt Samuel Zbinden. Weil er mehr tun wollte, begann er, sich bei den Grünen Sursee zu engagieren. Schon bald habe er selbst Sitzungen einberufen und geleitet und immer mehr Aufgaben innerhalb der Ortsgruppe übernommen. 

Samuel Zbinden am Protest gegen Sparmassnahmen:

 

Im Sommer dieses Jahres wurde er schliesslich angefragt, ob er bei den Grünen Sursee nicht das Präsidium übernehmen wolle. «Ich dachte: Spinnt ihr eigentlich, ich bin doch erst seit einem halben Jahr dabei», erzählt er, «aber dann realisierte ich, dass ich bereits viele der Aufgaben eines Präsidenten sowieso schon mache.» Trotzdem stellen sich ihm in dieser Position viele neue Herausforderungen. So muss er sich etwa gerade mit einem 70-seitigen Voranschlag zum Budget 2018 der Stadt Sursee herumschlagen. «Ein gewisser Druck ist natürlich schon da, aber ich erhalte viel Unterstützung vom vorherigen Präsidenten, alt Kantonsratspräsident Andreas Hofer, und wir haben einen super Vorstand», sagt er.

Hadern mit dem Scheinwerferlicht

Obwohl erst seit kurzem in der Parteipolitik aktiv, hat er bereits viel mediale Aufmerksamkeit erfahren. Mit dem Scheinwerferlicht auf seine Person haderte Samuel Zbinden manchmal: «Gerade bei den Jungen Grünen gibt es so viele Leute, die schon viel länger aktiv dabei sind. Da hatte ich manchmal schon das Gefühl, dass es nicht so gerechtfertigt ist, dass ich jetzt soviel Aufmerksamkeit erhalte.»

Insbesondere ein Beitrag des «10vor10», in dem er als Organisator der Proteste gegen die Sparmassnahmen im Bildungsbereich porträtiert wurde, habe ein falsches Bild vermittelt, das bei gewissen Weggefährten für Frustration gesorgt habe. «Die Organisation der Demo war eine riesige Teamleistung von vielen verschiedenen Leuten», stellt er klar. 

Der Beitrag im «10vor10» dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, warum die Redaktion des «Clubs» Samuel Zbinden in die Sendung «Jugend ohne Rebellion» einlud, wo er mit Gästen wie dem bekannten Kinderarzt Remo Largo oder dem Soziologen Thomas Held mitdiskutierte. Die Einladung erhielt er telefonisch am Donnerstag vor der Sendung. «Ich konnte es fast nicht glauben und habe mich mega gefreut», erinnert er sich.

Plötzlich im politischen Rampenlicht: Samuel Zbinden.

Plötzlich im politischen Rampenlicht: Samuel Zbinden.

(Bild: Chris Roos)

Während der Sendung habe er dann aber ein furchtbares Gefühl gehabt. Er meinte, er käme viel zu wenig zu Wort, es wären ihm keine guten Statements gelungen, und überhaupt laufe das Gespräch komplett anders, als er es erwartet und sich entsprechend vorbereitet hätte. «Als ich rauskam, war ich richtig hässig, den Tränen nahe», erinnert er sich. «Ich hatte ja allen Leuten schon davon erzählt und jetzt dachte ich nur: Oh Gott, wenn die das sehen.»

«Mein Vater hat für die Wahl von Barack Obama extra einen TV gemietet.»

Umso erfreulicher sei der Moment gewesen, als er die Sendung mit einem Freund zusammen am TV geschaut habe. «Das war eine ganz andere Sendung, als wie ich sie live erlebt habe», erzählt er. «Ich war am Ende ganz zufrieden mit meinem Auftritt.» Auch das Echo aus seinem Umfeld sei sehr positiv gewesen. «Ich war mega erleichtert», so Zbinden. 

Was andere von ihm denken, sei ihm immer schon wichtig gewesen, sagt der Jungpolitiker. «Manchmal mehr, als es mir eigentlich lieb wäre.» Negative Rückmeldungen nehme er sehr ernst, weshalb es ihm schwerfalle, sie einfach so wegzustecken. «Ich überlege dann viel daran herum und frage mich, ob ich alles anders machen müsste», so Zbinden.

Schon die Eltern waren grün

Samuel Zbinden ist als Einzelkind bei seinen Eltern in Sursee aufgewachsen. Er erzählt, dass er immer ein wenig darunter gelitten habe, Einzelkind zu sein. «Ich habe heute noch Mühe damit, einen ganzen Sonntag alleine zu verbringen», so Zbinden, «Ich suche immer den zwischenmenschlichen Kontakt, auch wenn es nur ein Spaziergang mit einem Freund am Abend ist.» Sein Glück sei es gewesen, in einer kinderreichen Nachbarschaft aufzuwachsen, mit Nachbarsjungen, die für ihn wie Brüder waren, wie er sagt.

«Ich war ein riesiger Fan von Cedric Wermuth.»

Politik war im Alltag der Familie Zbinden immer schon wichtig. Die Eltern haben vor rund dreissig Jahren die Grünen Sursee mitgegründet. Bei den US-Wahlen 2008 fieberte die ganze Familie mit dem Demokraten Barack Obama mit. «Wir hatten damals noch keinen Fernseher», erzählt Samuel Zbinden, «Aber mein Vater hat extra einen gemietet.» Um drei Uhr morgens sei der damals neunjährige Samuel aufgestanden, um die Wahlen gemeinsam mit seinen Eltern mitzuverfolgen.

Wille zur Veränderung

Begeistert von der 1:12-Initiative lud er 2013 das Logo der Initiative als Titelbild auf sein Facebook-Profil hoch. «Sozusagen mein erstes politisches Statement», erinnert sich Zbinden. Obwohl er damals ein Fan von Cédric Wermuth gewesen war, nervte er sich bald einmal über die ständigen Provokationen der Jungsozialisten. «Ich wollte nicht dauernd allen auf den Sack gehen, sondern etwas verändern», sagt er. 

«Als Politiker können wir nicht alle bekehren und zu Grünen machen.» 

2016 erfuhr er, dass Judith Schmutz mit 19 Jahren zur Co-Präsidentin der Jungen Grünen gewählt worden war. Davon begeistert, dass jemand in dem Alter schon Co-Präsidentin in einer Jungpartei werden kann, nahm er Kontakt zu ihr auf. «Ich befürchtete, dass mich mit siebzehn Jahren in einer Partei niemand ernst nehmen würde», erzählt er, «Judith reagierte aber super und erklärte mir, dass sie auch schon in dem Alter bei den Jungen Grünen Luzern aktiv gewesen sei und lud mich gleich an die nächste Mitgliederversammlung ein.»

Samuel Zbinden im Schweizer Fernsehen:

 

Spanien statt Malta

Wie es sich für einen Grünen gehört, ist für Samuel Zbinden die Ökologie eines der brennendsten Themen überhaupt. Das haben auch seine Mitschüler im Gymnasium miterlebt. Sie wollten nämlich im vergangenen Sommer anlässlich ihrer Matura-Reise nach Malta fliegen. Für Samuel Zbinden eigentlich ein No-Go. Also arbeitete er einen Alternativvorschlag aus, der nicht nur viel ökologischer, sondern vor allem attraktiver gewesen sei: Mit dem Car nach Spanien, ohne langes Check-In, ohne Ärger an der Gepäckaufgabe und mit zeitlich flexiblen Abfahrtszeiten. «Am Schluss haben sie sich für meine Variante entschieden, weniger aus ökologischen Gründen, sondern aus Bequemlichkeit», erzählt er. 

Eine ganz ähnliche Taktik verfolgt er auch in der Politik: «Denn als Politiker können wir nicht alle bekehren und zu Grünen machen. Aber wir können die Umstände so verändern, dass es sich für alle lohnt, Fahrrad zu fahren oder den öV zu benutzen»

Zur Zeit absolviert Samuel Zbinden seinen Zivildienst im Kinderheim Titlisblick. Ihm sei früh klar gewesen, dass Militärdienst für ihn nicht infrage komme. «Ich wollte etwas Sinnvolles machen und nach allem, was ich so gehört und gelesen habe, scheint das beim Militärdienst nicht der Fall zu sein», sagt er. 

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