Quartierstreit flammt neu auf

Horw: Winkel-Gegner werfen Gemeinderat Intransparenz vor

Urs Steiger und Beatrice Hunziker vor dem historsichen Zollhaus im Horwer Winkel. Sie fürchten um das historische Ortsbild bei Annahme des Bebauungsplans. (Bild: ewi)

Dank eines Kompromisses will der Horwer Gemeinderat den Bebauungsplan Winkel endlich verabschieden. Die Gegner wehren sich mit Händen und Füssen und behaupten, von einem Kompromiss könne nicht die Rede sein.

Plakate gehören zum festen Bestandteil jedes Abstimmungskampfs. Auch in diesem Frühling säumen wieder unzählige Ja- und Nein-Parolen die Strassen und Wege in der Schweiz. Und wer momentan in der Gemeinde Horw unterwegs ist, dem springt vor allem ein Sujet ins Auge: die Nein-Kampagne zum Bebauungsplan Winkel.

Im vergangenen Herbst hat das Horwer Parlament den Bebauungsplan Winkel verabschiedet. Dieser legt fest, wie das Areal zwischen dem Steinibachried und dem Eingang zum historischen Teil des Winkels bebaut werden kann.

Gemeinderat nimmt zweiten Anlauf

Während das Ried unter Naturschutz steht, sind die meisten der bestehenden Gebäude Teil der Baugruppe Winkel, die im kantonalen Bauinventar eingetragen ist. Der Kern der Gebäude gehöre zu den ältesten Siedlungsgebieten Horws und stelle ein in sich geschlossenes Siedlungsgebiet dar, heisst es im Inventar. Kurz: Eine zukünftige Bebauung muss also auf sensible Art und Weise erfolgen und sowohl den ökologischen als auch den historischen Ansprüchen für dieses Gebiet gerecht werden.

Diese Ansprüche sahen aber diverse Anwohner sowie die L20 als Partei im Einwohnerrat nicht befriedigt. Sie haben darum das Referendum gegen den Bebauungsplan ergriffen (zentralplus berichtete).

Dabei ist es überraschend, dass die Gemeinde Horw überhaupt nochmals über das Thema abstimmt. Bereits 2016 hatten rund 60 Prozent der Bevölkerung einen ersten Bebauungsplan für den Winkel an der Urne versenkt (zentralplus berichtete).

Der Gemeinderat hat die Lehren daraus gezogen und die Bevölkerung in die Überarbeitung des Plans miteinbezogen. So hat er einen Dialogprozess lanciert, an dem die Grundeigentümerinnen, Parteien sowie lokale und regionale Verbände teilnahmen. Nun sollte das Projekt also auch in der Bevölkerung breit abgestützt sein.

Zu hoch, zu gross

Doch das blieb Wunschdenken. Denn die Kritik der Gegner ist deutlich. «Im Vergleich zum Bebauungsplan aus dem Jahr 2016 wurden die Bauvolumen kaum geändert», kritisiert Beatrice Hunziker, Anwohnerin und Mitglied im Referendumskomitee. Sie fährt fort: «Schlimmer noch. Die maximal zulässige Gebäudehöhe ist nun sogar noch höher als im ersten Plan. Dabei haben viele im Dialogprozess mit der Gemeinde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Gebäude nicht so hoch sein dürfen.»

Die Höhe ist einer der beiden Hauptkritikpunkte der Gegner. Der zweite Punkt bezieht sich auf das mögliche Volumen künftiger Gebäude. Urs Steiger, L20-Einwohnerrat und ebenfalls Mitglied im Komitee, erklärt: «Der Bebauungsplan sieht zu grosse Gebäude vor, die sich in nicht das bestehende Ortsbild im Winkel eingliedern.»

Die dominanten Bauten würden die feingliedrige Struktur des Winkels, die im Bauinventar als «gassenähnlich» beschrieben wird, zerstören. «Auf jene, die von Horw über die Seestrasse ins Gebiet kommen, wirken die Gebäude wie eine grosse Mauer», beschreibt Steiger.

Im Video erklärt Urs Steiger, wie er sich eine gute Bebauung des Winkels vorstellt:

Streit über Dimensionen des Projekts

Diese Kritik findet der Grundeigentümer Roland von Allmen ungerechtfertigt. In der «Luzerner Zeitung» hat er sich deshalb gegen die Vorwürfe des Komitees gewehrt und nannte den vorliegenden Bebauungsplan einen echten Kompromiss. Unter anderem würde der jetzige Plan statt vier nur noch drei Geschosse für Neubauten zulassen (zentralplus berichtete).

«Drei Geschosse und ein Dachgeschoss», kontert Hunziker. Zudem habe auch der ursprüngliche Bebauungsplan dreigeschossige Gebäude vorgesehen, allerdings mit einem Flachdach. Nun sollen es dreigeschossige Gebäude mit Giebeldach werden, damit sich diese besser in die bestehende Siedlungsstruktur eingliedern. «Dadurch werden die Häuser gar noch um mehr als zwei Meter höher», kritisiert die Anwohnerin.

Damit sich die Horwer Bevölkerung ein Bild von den Ausmassen des Bebauungsplans machen kann, hat das Komitee den Gemeinderat unlängst gebeten, ein Baugerüst aufzustellen. Dieser lehnte den Antrag jedoch ab. Nur ein konkretes Bauprojekt könne ausgesteckt werden, nicht aber ein Bebauungsplan.

Das stösst Urs Steiger sauer auf: «Der Gemeinderat scheut sich davor, transparent über das Ausmass der Bebauung zu informieren. Ich bin mir sicher, dass die Bevölkerung das Projekt ablehnen würde, wenn sie sich über dessen tatsächliche Grösse bewusst wäre.»

Das Komitee hat darum eigene Visualisierungen der geplanten Häuser erstellt – was wiederum den Grundeigentümer Roland van Allmen ärgert. Die Dimensionen seien übertrieben gross dargestellt, kritisiert er in der «Luzerner Zeitung». Steiger und Hunziker kontern: «Die Visualisierung ist massstabsgetreu und zeigt das maximal zulässige Bauvolumen.» Aus wirtschaftlichen Gründen ist anzunehmen, dass der Grundeigentümer dieses ausschöpfen wird.

Komitee erwartet teure Wohnungen

Apropos Geld: Ein letzter der unzähligen Kritikpunkte des Komitees betrifft den Preis der geplanten Wohnungen. Von Allmen beabsichtigt nämlich, Wohnungen für den Mittelstand zu realisieren. Doch Hunziker zweifelt daran: «Wegen Bodenverhältnisse im Ried und der Seenähe wird das Bauprojekt sehr teuer und die geplanten Wohnungen werden voraussichtlich sehr gross. Das werden bestimmt keine Wohnungen für den Mittelstand.»

So weit ist es aber noch nicht. Erst muss die Horwer Stimmbevölkerung dem Bebauungsplan am 15. Mai zustimmen. Dieser ist dann rechtskräftig. Auf dessen Basis kann Roland von Allmen ein konkretes Bauprojekt entwerfen – welches dann ausgesteckt wird und mittels Einsprache angefochten werden kann. Die Erfolgschance für eine Einsprache schätzen Beatrice Hunziker und Urs Steiger aber bereits jetzt gering ein.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Leo Camenzind
    Leo Camenzind, 25.04.2022, 21:24 Uhr

    Urs Steiger ist Einwohnerrat L20 und Präsident des Landschaftschutzverbandes Vierwaldstättersee LSVV. Dieses Engagement ist insofern erstaunlich, weil der LSVV seine Einsprache gegen den Bebauungsplan Winkel zurückgezogen hat. Da kann man sich die Frage stellen, ob der Präsident Steiger anderer Meinung ist als sein Verband, oder ob der Einwohnerrat Steiger den Verband je nach Interessenlage gezielt steuert. So oder so, wer mehrere Hüte trägt, sollte sich dessen bewusst sein und sorgfältig damit umgehen. Erfreulich ist, dass der LSSV offenbar die Bemühungen um eine tragfähige Planung und die erzielten Verbesserungen wahrgenommen hat. Auf dem 2. Bild sieht man das bestehende und dreistöckige Haus, Unterschied Fussabdruck bestehend zu neu ca 11%

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      Politkultur, 26.04.2022, 09:55 Uhr

      Der Bericht fokussiert sich auf sachliche Argumente rund um den Bebauungsplan Winkel. Dabei geht es um die Erhaltung des Naherholungsgebiets und der Natur an diesem sensiblen Ort. Den Befürwortern scheinen die Argumente zu fehlen. Dieser Kommentar ist ein persönlicher Angriff auf das Engagement von Urs Steiger und bezieht sich nicht auf den Bebauungsplan. Politisch wäre ein breites Komitee für den Bebauungsplan die Antwort auf das NEIN-Komitee, welches hier öffentlich, transparent, sachlich und auch «persönlich» Stellung bezieht. Ein Befürworter-Komitee gibt es leider nicht – auch nach dem klaren NEIN von 2016 nicht. Warum ist das so und welche Argumente gibt es für diese Bauten an diesem Standort?

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    Alain, 25.04.2022, 11:19 Uhr

    Nächste Woche beklagen sich die Gleichen über zu hohe Mieten. Ob sie dann den Zusammenhang erkennen?

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    Michel von der Schwand, 25.04.2022, 09:50 Uhr

    Der Erhaltungs-Fetischismus auf Kosten von Hausbesitzer ist schon in der Stadt Luzern äusserst fragwürdig. Nicht jeder Hühnerstall ist schützenswert.

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    NIMBY, 25.04.2022, 07:55 Uhr

    Ab ins Mittelalter

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