Billige Attrappen statt echte Video-Kameras

Horw setzt auf Fake-Überwachung

Eine der zwei Kamera-Attrappen in der Unterführung.

(Bild: Caroline Wiezel)

Der Horwer Gemeinderat setzt nicht nur auf echte Kameras, um den öffentlichen Raum unter Kontrolle zu halten – auch Attrappen kommen zum Einsatz. Diese Praxis ist höchst umstritten, weil damit eine Sicherheit vorgegaukelt würde, sagt der Datenschutz.

Wer in Horw durch die Spierunterführung zwischen Kreisel und Ennethorw schlendert, wiegt sich auf den ersten Blick in besonderer Sicherheit. Denn zwei Videokameras wurden dort in der Fussgängerunterführung Anfang 2018 installiert. Tatsächlich aber zeichnen die Geräte gar nichts auf – es handelt sich um Attrappen.

Diese Praxis bemängelt die linkgsgrüne Partei L20 in einem Vorstoss. In der Gemeinde wurde im Jahr 2008 ein Reglement für Überwachungskameras verabschiedet – seither muss eine Liste aller Videoinstallationen öffentlich geführt werden. Wie nun Caroline Wiezel schreibt, fehlten die beiden neu installierten Kameras auf dieser Übersicht. Auf Nachfrage habe sich dann herausgestellt, dass es sich um Fake-Kameras handelt. Der Vorstoss ist hängig und wird in den kommenden Monaten beantwortet, wie der Gemeinderat erklärt.

Möglicher Gesetzesverstoss

Das Vorgehen der Gemeinde wird von Experten kritisiert. Beispielsweise schreibt der Datenschutzbeauftragte für die Kantone Schwyz, Ob- und Nidwalden: «Die Installation von Attrappen anstelle von funktionstüchtigen Kameras ist nicht erlaubt, weil dies gegen das Prinzip von Treu und Glauben verstösst.» Mit Attrappen würden Bürger getäuscht, indem man ihnen vorgaukelt, sie würden überwacht, was jedoch nicht der Wahrheit entspricht.

In dieser Fussgänger-Unterführung sind die beiden Fake-Kameras installiert.

In dieser Fussgänger-Unterführung sind die beiden Fake-Kameras installiert.

(Bild: Caroline Wiezel)

Reto Fanger, Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern, sieht dies ebenso: «Kamera-Attrappen gaukeln eine Überwachung vor, was bei Personen, die diese Örtlichkeiten begehen, zu einer Scheinsicherheit führen kann.» Der Datenschutz und das Videoüberwachungsgesetz an sich seien jedoch nicht tangiert, da die Attrappen gar keine Aufnahmen generieren. Die Gemeinde sei aber auch so an den Grundsatz von Treu und Glauben gebunden, weshalb bei einem Vorfall nicht nur die betroffene Person tangiert sei, sondern sich allenfalls auch Haftungsfragen gegenüber der Gemeinde stellen könnten.

Datenschutz gar nicht betroffen

Bezüglich Kamera-Attrappen habe sich bisher niemand mit Hinweisen oder Anfragen an den Datenschutz des Kantons gerichtet, sagt Fanger. In Horw müssten sich Betroffene laut Fanger an die verantwortliche Gemeindebehörde richten.

Videoüberwachung im Kanton Luzern

Grundsätzlich dürfen Kameradaten im öffentlichen Raum lediglich zur Fahndung und Ahndung von Straftaten verwendet werden, hält der Datenschutzbeauftragte fest. Dies besagt das im Jahr 2012 verabschiedete Videoüberwachungsgesetz. Laut diesem müssen Aufzeichnungen spätestens nach 100 Tagen vernichtet werden. Ausnahme bilden laufende Verfahren, in denen Aufzeichnungen Verwendung finden.

Der Kanton Luzern selbst hat an 17 Standorten Kameras installiert. Auf der Webseite sind beispielsweise die Universität Luzern aufgeführt mit 17 Kameras, das Berufsbildungszentrum Bau und Gewerbe mit sieben Kameras, die Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug wird mit fünf Kamers überwacht und das Grosshof-Gefängnis verfügt im Aussenbereich über 18 Geräte.

In Horw und anderen Luzerner Gemeinden werden Aufnahmen nur im Ereignisfall gesichtet, ansonsten werden sie nach 72 Stunden gelöscht.

Der zuständige Horwer Gemeinderat Robert Odermatt (SVP) sieht sich nicht im Unrecht: «Unsere Video-Attrappen gaukeln niemandem Sicherheit vor, sondern es handelt sich um eine einfache Massnahme, welche zur Verhinderung von Sachbeschädigungen und Einbrüchen dient.» Dieses Ziel ist bisher vollständig erreicht worden.

Weil die Attrappen gar nichts aufzeichnen und somit der Schutz der Persönlichkeit nicht verletzt wird, unterlägen die Massnahmen weder dem Datenschutzgesetz noch dem Schutz der Persönlichkeit. Das Einholen einer Bewilligung sei entsprechend weder notwendig noch möglich, sagt Odermatt.

Abschreckende Wirkung für wenig Geld

Odermatt ist überzeugt vom Nutzen sowohl von Kameras und Attrappen – bei welchen Infrastrukturanlagen regelmässige Sachbeschädigungen vorkamen, welche der Gemeinde teilweise fünfstellige Frankenbeträge gekostet haben, seien öffentliche Gebäude seit deren Installation in Ruhe gelassen worden. «Es ist uns natürlich klar, dass es sich dabei nicht um einen hundertprozentigen Schutz handelt. Aber es gibt daher keinen Grund, auf eine bisher sehr wirksame Massnahme zu verzichten», sagt Odermatt.

Eine Attrappe wurde bereits beschädigt.

Eine Attrappe wurde bereits beschädigt.

(Bild: Caroline Wiezel)

Eine Attrappe habe nicht nur meist die gleiche abschreckende Wirkung wie eine echte Kamera – sie kostet auch weniger. «Mit dem Einsatz von weniger als 100 Franken hoffen wir möglichst die gleiche Wirkung zu erzielen, wie wenn wir eine «echte» Anlage installieren. Bei einer Infrastrukturanlage, welche nicht mit Strom und Internet ausgerüstet ist, koste eine Videoüberwachung schnell mal 10’000 Franken. Gemeinderat Odermatt vergleicht den Einsatz von Attrappen mit stationären Radarkästen der Polizei.

Diese würden auch beachtet, wenn sie nicht mit einer Kamera bestückt sind. So ganz effizient ist das System dennoch nicht – laut Wiezel wurde bei einer Fake-Kamera in der Unterführung bereits die Abdeckung zerstört.

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