Politik
Bundesrat will Individualbesteuerung einführen

Heiratsstrafe: Zug widerspricht dem Vorschlag des Bundesrats

Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler widerspricht dem Bundesrat. (Bild: SVP Schweiz)

Viele verheiratete Paare zahlen mehr Steuern als unverheiratete Paare. Der Bundesrat will die sogenannte Heiratsstrafe jetzt abschaffen. Doch sein Vorschlag kommt in Zug gar nicht gut an.

Du willst heiraten, der Ring ist da, die Liebe auch. Doch viele Verliebte haben vor dem Termin im Standesamt noch einen weiteren Pflichttermin zu erledigen: den Besuch beim Steuerberater. Denn für berufstätige Paare kann der Bund fürs Leben steuerlich nach hinten losgehen. Nicht selten zahlen die frisch Verheirateten mehrere Tausend Franken Steuern mehr pro Jahr.

Die Schweiz kennt ein Wort dafür: Heiratsstrafe. Betroffen davon sind gemäss Bund 454'000 berufstätige Ehepaare und 250'000 Rentnerehepaare. Bis zu 10 Prozent mehr Steuern zahlen sie gegenüber unverheirateten Paaren. Die Kritik an der Praxis reicht zurück bis in die 1980er, als das Bundesgericht die Diskriminierung als verfassungswidrig anprangerte.

Individualbesteuerung gegen Heiratsstrafe

Wie kommt es zur Heiratsstrafe? Nach geltendem Steuerrecht werden verheiratete Paare gemeinsam besteuert, unverheiratete aber getrennt. Ist der Einkommensunterschied in der Ehe gross, kann es sein, dass die Partner weniger Steuern zahlen als unverheiratete Personen mit denselben Einkommen. Verdienen die Eheleute aber ähnlich viel, kann es wegen des progressiven Steuertarifs zum Gegenteil kommen. Sie zahlen dann teils deutlich mehr.

Die Folge? Viele Paare verzichten lieber auf ein Zweiteinkommen. Denn ein kleines Pensum eines Partners kann dazu führen, dass das Gesamteinkommen des Ehepaars in eine höhere Steuerklasse rutscht. Der Mehrverdienst durch das Zweiteinkommen wird quasi von der Steuer direkt getilgt. Die Heiratsstrafe trägt somit zu traditionellen Rollenbildern bei, in denen ein Partner, vornehmlich die Frau, zu Hause bleibt.

Nach einer gescheiterten CVP-Volksinitiative 2016 will der Bund das Thema jetzt anpacken. Im Dezember letzten Jahres hat der Bundesrat ein Bundesgesetz zur Individualbesteuerung in die Vernehmlassung geschickt. Zukünftig sollen alle Schweizerinnen eine eigene Steuererklärung abgeben müssen. Der Staat besteuert jeden Ehepartner dann separat.

Zug lehnt Individualbesteuerung ab

Die Zuger Regierung ist mit dem Bundesrat generell einer Meinung – die Heiratsstrafe gehört abgeschafft. Doch beim Weg gehen die Ansichten auseinander. Es gäbe verschiedene Ansätze, um die Heiratsstrafe zu beseitigen, sagt der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler auf Anfrage von zentralplus.

«Die Einführung der Individualbesteuerung stellt einen fundamentalen Systemwechsel im Steuersystem dar, welcher sich nur langfristig und kostspielig umsetzen lässt.»

Heinz Tännler, Zuger Finanzdirektor

Die Heiratsstrafe gebe es heutzutage vor allem bei der direkten Bundessteuer, sagt er. Denn die Kantone hätten bereits Massnahmen ergriffen, um das Problem in den Griff zu bekommen – auch ohne Individualbesteuerung. «Die Einführung der Individualbesteuerung stellt einen fundamentalen Systemwechsel im Steuersystem dar, welcher sich nur langfristig und kostspielig umsetzen lässt», so der Finanzdirektor.

Individualbesteuerung ist zu aufwendig

Die Zuger Regierung fürchtet massive Auswirkungen auf die Kantone. Tarife, Abzüge und Freibeträge müssten neu konzipiert und von den Kantonsparlamenten verabschiedet werden. Zudem müssten die IT-Systeme und Programme in der Steuerverwaltung aufwendig angepasst werden, erklärt Heinz Tännler.

«Massnahmen wie Splittingverfahren oder Tarifkorrekturen lassen sich aus Sicht des Zuger Regierungsrats einfacher und schneller umsetzen als die Individualbesteuerung.»

Heinz Tännler, Zuger Finanzdirektor

Nicht zu vergessen: die deutlich höhere Falllast. 30'000 zusätzliche Steuererklärungen pro Jahr würden allein im Kanton Zug anfallen. Landesweit werden es in etwa 1,7 Millionen neue Fälle sein. Für den Finanzdirektor ist daher klar: «Massnahmen wie Splittingverfahren oder Tarifkorrekturen lassen sich aus Sicht des Zuger Regierungsrats einfacher und schneller umsetzen als die Individualbesteuerung.»

Lieber Splittingverfahren und Tarifkorrekturen

Was schlägt die Zuger Regierung vor? Beim Splittingverfahren ermittelt das Finanzamt zuerst die Einkünfte des Ehepaares getrennt voneinander, um sie dann zusammenzurechnen. Dieser Gesamtbetrag wird anschliessend halbiert. Auf einer Hälfte des Gesamteinkommens wird die Einkommenssteuer errechnet. Dieser Steuerbetrag wird dann mal zwei genommen.

Das Verfahren verhindert, dass das Paar unter die Heiratsstrafe fällt. Der Kanton Zug hat mit dem Doppeltarif bereits ein System eingeführt, das einem Vollsplitting gleichkommt, so der Finanzdirektor. Generell sollen Ehepaare und eingetragene Partnerschaften aber weiterhin gemeinsam veranlagt werden, ergänzt er.

Eine Milliarde Franken Steuereinbussen

Insgesamt rechnet der Bundesrat durch die Einführung der Individualbesteuerung mit Steuerverlusten von einer Milliarde Franken. 80 Prozent der Kosten trägt der Bund, die übrigen 20 Prozent fallen auf die Kantone. Die Umsetzung der Änderung muss in kantonales Gesetz übernommen werden. Der Einfluss auf Kantonssteuern ist ungewiss.

Weiterhin erwartet Bern, dass ein Zweitverdienst für viele Paare attraktiver wird. Bis zu 47'000 neue Vollzeitstellen könnten laut Bundesrat entstehen. Paare mit nur einem Einkommen oder geringem Zweiteinkommen werden durch die Individualbesteuerung allerdings eine Mehrbelastung spüren. Für diese Fälle hat der Bund Entlastungs- und Anreizsysteme vorgestellt.

Das Bundesgesetz über die Individualbesteuerung ist der indirekte Gegenvorschlag zur 2022 eingereichten Steuergerechtigkeits-Initiative. Noch bis zum 16. März 2023 können sich Verbände, Parteien und Interessenvertreter im Rahmen der Vernehmlassung zum Vorschlag des Bundesrats äussern.

Verwendete Quellen
  • Eintrag der Eidgenössischen Steuerverwaltung
  • Eintrag der Bundesrats
  • Artikel auf «SRF»
  • Artikel auf «Watson»
  • Schriftlicher Austausch mit Heinz Tännler, Zuger Finanzdirektor
  • Website des deutschen Lohnsteuerhilfevereins
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