Luzerner Sozialdirektor sorgt für Wirbel

Guido Graf, spielen Sie der SVP in die Karten?

Der Luzerner Sozialdirektor Guido Graf steht im medialen Fokus.

(Bild: guidograf.ch)

Kritiker des Schweizer Asylwesens gibt es viele. Betroffene Regierungsräte äussern sich aber kaum. Ausnahme: der Luzerner Sozialdirektor Guido Graf. Was will er mit seiner Medienpräsenz bezwecken und weshalb scheut er auch vor Rundumschlägen nicht zurück?

Die Entwicklung von Guido Graf (CVP) als Akteur in der Schweizer Asylpolitik fällt auf. zentralplus hat seine grössten «Taten» beleuchtet und Politiker und Experten zu seinem Verhalten befragt (hier geht’s zum Artikel). Sein neustes Werk ist ein 8-seitiges Manifest, in dem er ein Kontingentsystem und die Einführung von Obergrenzen fordert. zentralplus hat mit dem Luzerner Regierungsrat ein schriftliches Interview geführt.

zentralplus: Guido Graf. Was halten Sie vom Etikett «Liebling der Medien»?

Guido Graf: Es gehört zu meinen Aufgaben, Medienanfragen zu beantworten. Die Medienarbeit ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit, welche zwingend mit dem Regierungsamt verbunden ist.

«Es ist das Thema, das zurzeit stark im Fokus steht und nicht einzelne Personen.»

zentralplus: Trotzdem: Es fällt auf, dass Sie immer wieder den Gang zu den Medien suchen und dabei auch vor Kritik am EJPD nicht zurückschrecken. Dadurch wurden Sie zum bekanntesten Deutschschweizer Regierungsrat im Thema Asyl. Was sagen Sie zu diesem medialen Aufstieg?

Graf: Die Medien gelangen mit ihren Anfragen an mich und ich beantworte die entsprechenden Anfragen. Seit dem letzten Sommer wird das Thema Asyl aufgrund der anhaltenden Flüchtlingswelle von den Medien intensiv bearbeitet. Es ist das Thema, das zurzeit stark im Fokus steht und nicht einzelne Personen.

zentralplus: Dass Sie sich damit auch profilieren können und bekannter werden, können Sie wohl kaum abstreiten oder?

Graf: Als Gesundheits- und Sozialdirektor bin ich für das Asyl- und Flüchtlingswesen zuständig und verantwortlich. Die aktuelle Situation zu analysieren, vorauszuschauen, Problemfelder zu benennen und Lösungsansätze zu erarbeiten, ist ebenfalls Teil dieser Arbeit.

«Bei meinen Forderungen steht immer der Mensch im Zentrum und nicht ein parteipolitisches Programm.»

zentralplus: Wie würden Sie Ihre Rolle allgemein in der Schweizer Migrationspolitik bezeichnen?

Graf: Ich erachte es als unerlässlich, die Diskussion in diesem wichtigen Thema anzustossen und Herausforderungen offen und korrekt auf den Tisch zu legen. Zudem wächst der Druck aus der Bevölkerung, die Unzufriedenheit nimmt entsprechend zu! Es ist unter anderem die Aufgabe der Kantone, dem Bund zu spiegeln, wenn die Belastung im Asylwesen längerfristig nicht mehr tragbar sein wird. Deshalb suche ich den Kontakt mit verschiedenen Akteuren im Asylwesen. Ziel muss es sein, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, um diese Herausforderung meistern zu können.

zentralplus: Ist es nicht so, dass Sie mit Ihrer scharfen Kritik rechts-konservativen oder populistischen Kräften in die Karten spielen?

Graf: Bei meinen Forderungen steht immer der Mensch im Zentrum und nicht ein parteipolitisches Programm. Meine Politik ist lösungsorientiert und stützt sich auf die Erfahrungen, die ich in den vergangenen sechs Jahren im Asylwesen gemacht habe. Nur weil man ein Problem beim Namen nennt, handelt man nicht populistisch.

zentralplus: Trotzdem: Die SVP freut sich über Ihre Aussagen. Und sie ist auch die Partei, welche in der Migrationspolitik immer wieder Erfolge feiert. Wollen Sie diese Erfolgsstrategie übernehmen?

Graf: Es geht nicht um eine Erfolgsstrategie oder ein Parteiprogramm, sondern um neue Lösungsansätze in einem anspruchsvollen Thema. Wir müssen die Herausforderungen im Asylwesen gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg lösen und steuern. Unsere finanziellen Ressourcen sind nicht unendlich.

«Die Frage der politischen Ambitionen stellt sich für mich im Moment nicht.»

zentralplus: Bei Ihrem grossen Engagement in der nationalen Asylpolitik stellt sich die Frage, haben Sie auch noch persönliche politische Ambitionen?

Graf: Als verantwortlicher Regierungsrat im Asyl- und Flüchtlingswesen muss ich meine Aufgabe wahrnehmen. Und dazu gehört es auch, verschiedene Punkte kritisch zu hinterfragen. Die hohe Anerkennungsquote, die Finanzierbarkeit, die künftige finanzielle Belastung des Sozialwesens, die Eritrea-Frage, die Entwicklungshilfe und so weiter müssen analysiert und gelöst werden. Die Frage der politischen Ambitionen stellt sich für mich im Moment nicht.

zentralplus: Kommen wir zum Inhalt der neuen Forderungen: Was hat Sie veranlasst, dieses 8-seitige Dokument zu verfassen?

Graf: Es ist meine Aufgabe, die aktuelle Situation zu analysieren, Schwerpunkte zu bilden und daraus Lösungsansätze zu skizzieren. Die Situation stellt sich momentan wie folgt dar: Die Asylgesuche sind im Jahr 2015 sprunghaft angestiegen von 21’000 Asylgesuchen (2013) auf 40’000 Asylgesuche (2015). Die Flüchtlingsströme gehen auch im laufenden Jahr nicht zurück und wir müssen mit 45’000 Asylsuchenden und mehr rechnen. Die EU ist mit sich selber beschäftigt – Stichwort Brexit – und ist nicht in der Lage, dem gewaltigen Druck der Flüchtlingswelle Stand zu halten. Vor Ort stellen wir fest, dass 60 Prozent der Asylsuchenden für immer in der Schweiz bleiben. Von diesen 60 Prozent werden 80 Prozent den Sprung nicht in die Arbeitswelt schaffen und dauerhaft von der Sozialhilfe abhängig sein. Nun können Sie sich vorstellen, dass diese Entwicklung unser Sozialsystem längerfristig nicht mehr tragen kann. Der soziale Frieden ist massiv gefährdet, wenn wir die Zuwanderung nicht gezielt steuern.

zentralplus: Was wollen Sie konkret mit dem Papier erreichen?

Graf: Ich will einen Beitrag zur Problemlösung und zu den aktuellen Herausforderungen leisten. Mit dem Kontingentsystem können wir denjenigen Flüchtlingen Asyl gewähren, denen eine Flucht aus finanziellen oder körperlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre. Wir schieben dem Schlepperwesen und der Kriminalität den Riegel und holen gezielt Flüchtlinge in die Schweiz. Zudem beherbergen wir aktuell viele Asylsuchende, die aus wirtschaftlichen Gründen in die Schweiz geflüchtet sind, obwohl dies kein Asylgrund ist. Mit dem Kontingentsystem können wir gezielt «echten» Flüchtlingen Schutz gewähren.

zentralplus: Ist Ihr Forderungskatalog mit der Luzerner Regierung, der kantonalen CVP oder der nationalen Partei abgesprochen?

Graf: Ich politisiere eigenständig und vertrete als Gesundheits- und Sozialdirektor die Bevölkerung des Kantons Luzern. Über den Forderungskatalog habe ich stufengerecht vorinformiert.

zentralplus: Die Forderungen müssen auf Bundesebene initiiert werden. Mit wem sind Sie hier in Kontakt?

Graf: Ich stehe mit verschiedenen nationalen Parlamentariern und Regierungsräten im Kontakt.

«Drohmails sind keine eingegangen.»

zentralplus: Ein Organ wäre die Sozialdirektorenkonferenz SODK. Sie sind dort nicht im Vorstand, äussern sich aber immer wieder als Kantonsvertreter. Ist das kein Problem?

Graf: Nein, der SODK-Präsident Peter Gomm setzt sich gebührend für die Sozialdirektoren ein und ich stehe mit ihm im regen Austausch. Ich ergänze seine Haltung einfach als betroffener Regierungsrat in einem Kanton, welcher im Asyl- und Flüchtlingswesen während 10 Jahren die Unterbringung und Betreuung selber sicherstellen muss, einen sehr tiefen Wohnungsleerbestand hat und in welchem finanziell knappe Mittel ein Dauerthema sind.

Anlässlich einer gemeinsamen Sitzung der beiden Fachkonferenzen (SODK und KKJPD) vom 14. April 2016 in Bern haben die Regierungsvertretungen vier Forderungen an das zuständige Departement EJPD formuliert. Regierungsrat Paul Winiker und ich haben diese Forderungen mitinitiiert.  Eine der Forderungen war, dass sich die Aufnahme von Asylsuchenden am Integrationspotential der Schweiz orientieren muss (Kapazitätsgrenze). Sie sehen also, wir sind auch in den zuständigen Fachkonferenzen aktiv und die Forderung nach einer Begrenzung der einreisenden Asylsuchenden ist nicht neu.

zentralplus: Haben Sie Reaktionen zu den neusten Forderungen erhalten? Und wie gehen Bundespolitiker damit um?

Graf: Ich habe mehrheitlich positive Reaktionen erhalten. Drohmails sind keine eingegangen. Von Bundespolitikern habe ich ebenfalls positive, aber auch kritische Rückmeldungen erhalten, die es mir erlauben, meine Arbeit kritisch zu hinterfragen.

zentralplus: Abschliessend: Wo muss nun am dringendsten gehandelt werden?

Graf: Der Bundesrat ist gefordert, eine Obergrenze als Bandbreite festzulegen. Die Obergrenze definiert sich anhand verschiedener Faktoren wie das Verhältnis zur ständigen Wohnbevölkerung, Infrastrukturen, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Arbeitslosenrate, Quote der Sozialhilfeempfänger. Diese Faktoren geben uns vor, wie viele Asylsuchende wir pro Jahr aufnehmen können. Es wird eine der grösseren Herausforderungen sein, diese Obergrenze (Bandbreite) festzulegen und lagegerecht anzupassen.

Dieses Interview folgt auf den Artikel: «Guido Graf: Vom Hinterbänkler zum Asyl-Guru».

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