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Der Luzerner Gesundheitsdirektor verärgert die Krankenkassen. Er suggeriert in einem Blogbeitrag, dass sie bei den Rechnungen der Spitäler zu wenig genau hinschauen würden. Das entbehre jeglicher Grundlage, entgegnet eine der grössten Versicherungen.
Sie sind ein politischer Dauerbrenner und sorgen immer wieder für Schlagzeilen: die Gesundheitskosten. Anfang Monat löste ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) eine neue Debatte aus. Der Grund: Eine Kontrolle zeigte, dass die Preise für medizinisches Material je nach Spital ganz unterschiedlich hoch sind. Für einen Stent, ein röhrchenförmiges Implantat, verlangte ein Spital von der Krankenkasse zum Beispiel 1200 Franken – ein anderes berechnete für das gleiche Modell 3500 Franken.
Nebst den Ärzten nimmt die EFK auch die Kantone in die Pflicht: Diese würden der Kontrolle der Notwendigkeit medizinischer Leistungen im Einzelfall zu wenig Beachtung schenken, heisst es im Bericht.
Graf wünscht sich Fokus auf Kerngeschäft statt Lobbyarbeit
Der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf findet: Die Kantone nehmen ihre Verantwortung sehr wohl wahr. Und er spielt den Ball weiter. In seinem aktuellen Blog auf seiner persönlichen Webseite suggeriert er, dass die Krankenkassen zu wenig genau hinschauen würden.
Und zwar bei den ambulanten Rechnungen, die der Kanton gar nie zu sehen bekommt (siehe Box). «Ich finde es doch sehr sonderbar, wenn die EFK in relativ kurzer Zeit viele Fehler entdeckt hat in diesen ambulanten Einzelrechnungen – und die Spezialisten beziehungsweise die Krankenversicherer nicht!», schreibt Guido Graf auf seiner Webseite. «So hätten ihnen etwa die unterschiedlichen Preise für Stents auffallen müssen, da sie ja einen schweizweiten Vergleich haben.»
Statt dass sich die Krankenkassen in die Politik einmischen – Graf kritisiert, dass viele nationale Politiker bezahlte Mandate von Krankenversicherern haben –, wünsche er sich mehr Engagement in ihrem Kernbereich, beispielsweise der Rechnungskontrolle.
Das erstaunt, ist es doch das erste Mal, dass Guido Graf in seinem persönlichen Blog so scharfe Worte wählt. Seit Ende April verfasst der Luzerner wöchentlich sein «Wort zum Freitag». Bislang machte er vor allem Werbung fürs Impfen, gratulierte Luzerner Sportlerinnen oder ordnete Corona-Entscheide ein.
Krankenkassen widersprechen
Bei den Krankenkassen mit Sitz in Luzern kommt die Kritik nicht gut an. «Die Concordia nimmt es mit der Kontrolle der Rechnungen der Leistungserbringer sehr genau», versichert Sprecherin Astrid Brändlin. Auch die CSS betont, dass sie grundsätzlich in eine konsequente Rechnungskontrolle investiere.
Im letzten Jahr hat alleine Concordia 8,5 Millionen Rechnungen bearbeitet. Nach elektronischer und manueller Prüfung wurden 8,1 Millionen sofort bezahlt. «403'000 Rechnungen mussten zur Korrektur an die Rechnungssteller zurückgewiesen werden, weil sie nicht versicherte Leistungen enthielten oder fehlerhaft waren», veranschaulicht Brändlin die Arbeit.
«Die Behauptung von Herrn Graf, dass die Krankenversicherer die Rechnungen ungenügend kontrollierten, entbehrt – zumindest was die Concordia anbelangt – jeder Grundlage.»
Astrid Brändlin, Leiterin Kommunikation Concordia
Durch Rechnungskontrollen spare man jedes Jahr durchschnittlich 330 Millionen Franken ein. «Die Behauptung von Herrn Graf, dass die Krankenversicherer die Rechnungen ungenügend kontrollierten, entbehrt – zumindest was die Concordia anbelangt – also jeder Grundlage.»
Einig gehen die Krankenkassen mit dem Gesundheitsdirektor, dass Fehlanreize vermieden werden müssen. Etwa bei teuren Medizinalprodukten wie den eingangs erwähnten Stents. Deren Einkauf sei unbefriedigend gelöst, weil die Kosten von der Grundversicherung übernommen werden müssten. «Darum haben die Spitäler keinen Anreiz, günstig einzukaufen», sagt Concordia-Sprecher Brändlin. «Wir fordern aus diesem Grund ambulante Pauschalen, bei denen die Gesamtleistung inklusive Medizinalprodukte vergütet wird.»
Solche Pauschalen im ambulanten Bereich wären auch laut der Finanzkontrolle wichtig, damit Ärztinnen und Spitäler mehr Druck hätten, um bei den Lieferanten tiefere Preise auszuhandeln. Vor allem aber fordert die EFK eines: mehr Transparenz bei den Rechnungen.
Ambulant vs. stationär
Operationen und Behandlungen, bei denen die Patientin im Spital übernachten muss, werden zu mindesten 55 Prozent vom Kanton bezahlt und zu maximal 45 Prozent von der Versicherung. Bei ambulanten Eingriffen tragen hingegen die Krankenkassen 100 Prozent der Kosten.
Als erster Kanton der Schweiz hat Luzern 2017 den Grundsatz «ambulant vor stationär» eingeführt: Der Kanton beteiligt sich bei gewissen, definierten Eingriffen nur noch an den Kosten, wenn die stationäre Behandlung medizinisch notwendig ist.
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