Regierung prüft zweites Paket

Grossteil der Luzerner Corona-Härtefälle stammt aus der Gastronomie

Ende Monat sollen die ersten Luzerner Betriebe, die geschlossen sind, eine Entschädigung erhalten. (Bild: jal)

Mehr als 200 Luzerner Firmen haben Corona-Hilfe beantragt, der grösste Teil davon aus der Gastrobranche. Der Kanton Luzern dürfte bald das Geld aufstocken – auch weil die Parteien erstmals in dieser Krise am gleichen Strang ziehen.

Die Stadt, die Dorfkerne, die Einkaufszentren: in einem gespenstischen Zustand. Viele Läden sind geschlossen, die Menschen arbeiten zuhause, die Gassen sind leer. Die Corona-Pandemie hat Teile der Wirtschaft zum zweiten Mal zum Erliegen gebracht.

Und das bekommen viele finanziell zu spüren. Seit Mitte Dezember können sich Firmen melden, wenn sie die Kriterien als Härtefall erfüllen. Inzwischen sind im Kanton Luzern rund 240 Gesuche eingereicht worden, wie Finanzdirektor Reto Wyss (CVP) am Dienstag an der Kantonsratssession in Sursee sagte. Die Gastronomie macht dabei die grösste Gruppe aus.

Bereits diese Woche werden die ersten Firmen eine Entschädigung erhalten. Im Kanton Luzern stehen zum einen 25 Millionen Franken für Firmen bereit, deren Umsatz um mehr als 40 Prozent eingebrochen ist. Zum anderen sind 40 Millionen Franken für Geschäfte reserviert, die wegen der Pandemie auf behördliche Anweisung schliessen mussten, also beispielsweise Restaurants oder Kleiderläden.

Erstmals einigen sich die Parteien auf gemeinsame Linie

Angesichts des neuerlichen Lockdowns dürfte die Summe nicht reichen, glaubt der Regierungsrat. Er kündigte deshalb am Dienstag im Kantonsrat an, dass er in der März-Session ein zweites Dekret für Härtefallgelder vorlegen wird. Sprich: Er schiebt mehr Geld nach, wie viel, lässt er noch offen.

Eine zweite Tranche war ein Teil der Forderung, welche alle Parteien gemeinsam an den Kanton richteten. Erstmals in dieser Krise konnten sie sich auf ein Postulat einigen, das alle sechs Fraktionen unterzeichneten. «Es ist ein Zeichen, dass uns allen die Luzerner KMU wichtig sind», sagte Adrian Nussbaum (CVP), Erstunterzeichner des dringlichen Postulats, das am Dienstag einstimmig überwiesen wurde. In stellenweise fast schon feierlichen Voten lobten ihre Sprecher, dass damit Sach- über Parteipolitik gestellt werde – gleichzeitig verzichteten sie pikanterweise aber nicht auf Seitenhiebe nach links und rechts.

Der CVP-Fraktionschef spricht von einem historischen Postulat:

Die gemeinsame Forderung lautete: Der Kanton solle die Lücken in der Härtefallregelung schliessen, damit möglichst alle Firmen fair behandelt werden. Konkret verlangt das Postulat nebst dem zweiten Härtefallpaket einen flexibleren Schlüssel zwischen Krediten und nicht-rückzahlbaren Beiträgen. Heute gilt, dass Unternehmen 90 Prozent der Härtefallgelder später wieder zurückzahlen müssen. Das sei zu hoch und für Betroffene abschreckend, monierten mehrere Kantonsräte. Der Regierungsrat wird dieses Verhältnis jetzt überprüfen.

Auch eine zweite Limite soll weniger starr sein: Heute muss eine Firma 40 Prozent an Umsatzeinbussen nachweisen, um als Härtefall zu gelten. Das schliesse zu viele Unternehmen aus, die auch unter der Krise leiden, begründen die Luzerner Parteien. Der Kanton Zug beispielsweise hat diese Hürde auf 20 Prozent gesenkt und damit mehr Firmen den Zugang zu Hilfe erleichtert.

«Es ist eine Luzerner Lösung: ohne Schnickschnack, aber adäquat, zielgerichtet und pragmatisch.»

Reto Wyss, Regierungspräsident

In diesem Punkt übte die Luzerner Regierung allerdings Zurückhaltung. Mit Ausnahme von Zug würden alle Zentralschweizer Kantone die vom Bund festgelegte 40-Prozent-Grenze anwenden. Es handle sich dabei um eine «zweckmässige Grenze». Gleichwohl kündigt sie an, die Limite im Hinblick auf die zweite Geldtranche zu überprüfen. Mahnt aber: «Massgebend werden immer die Vorgaben des Bundes sein.»

Separate Lösung für Geschäftsmieten scheitert ...

Damit hat der Kantonsrat die Weichen für die weitere Unterstützung der Wirtschaft in der Krise gestellt. Regierungspräsident Reto Wyss sprach von einer «Luzerner Lösung: ohne Schnickschnack, aber adäquat, zielgerichtet und pragmatisch.»

Zahlreiche weitere der 23 dringlichen Vorstösse hat der Kantonsrat in der «inoffiziellen zweiten Corona-Session», wie sie genannt wurde, nicht oder nur teilweise überwiesen.

Bei den Geschäftsmieten gibt es im Kanton Luzern beispielsweise weiterhin keine kantonale Regelung. Eine solche hatte die SP für Hotels und Restaurants gefordert (zentralplus berichtete). Unnötig, befand die Regierung, da geschlossene Betriebe nun Geld aus dem 40-Millionen-Topf beantragen können – und damit auch Fixkosten wie die Miete abgedeckt werden. Eine separate Lösung für die Gewerbemieten würde daher zu einer «Überkompensation» führen.

SP-Fraktionschef Marcel Budmiger argumentierte vergeblich, dass Hotels von diesem Topf nicht profitieren, weil sie nicht auf Anordnung der Behörden schliessen mussten. Doch die bürgerliche Mehrheit war gegen ein zusätzliches neues Instrument –  sei es aus grundsätzlichen Überlegungen («der Staat soll nicht in privatrechtliche Vereinbarungen eingreifen») oder aus praktischen («Eine Bevorzugung einzelner Branchen ist nicht hilfreich»). 

... ebenso das Grundeinkommen für Künstler

Nebst der Gastronomie stand am Dienstag auch die Kulturbranche im Fokus der rund sechsstündigen Corona-Debatte. Von Mitte März bis Ende Oktober 2020 hat der Kanton gegen 15 Millionen Franken an Ausfallentschädigungen an Kulturschaffende und Institutionen ausbezahlt und rund 340 Gesuche bearbeitet. Bis Ende des laufenden Jahres stehen weitere rund 11 Millionen zur Verfügung, wie die Regierung festhält.

Weil der administrative Aufwand dieser Gesuchsmaschinerie gross ist, fährt der Kanton Zürich seit kurzem eine eigene Schiene: In diesem Corona-Winter erhalten selbständige Schauspielerinnen, Musiker oder Theaterschaffende eine fixe Entschädigung. Sie umfasst 3840 Franken pro Monat, abzüglich aller Beiträge aus anderen Quellen, beispielsweise Erwerbsersatz.

«Auch Menschen in anderen Branchen leiden unter der Pandemie.»

Urban Sager, SP

Das Modell aus Zürich stösst in Luzern allerdings auf wenig Anklang. Der Regierungsrat betont, dass dies angesichts der bestehenden Soforthilfen nicht nötig sei – und die Luzerner Bevölkerung 2016 die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen mit 82 Prozent abgelehnt habe. Zudem seien auch im Kulturbereich nicht alle Personen und Institutionen gleichermassen von der Pandemie betroffen.

Selbst die SP bemängelte die einseitige Bevorzugung von Kulturschaffenden, etwa gegenüber Angestellten im Detailhandel oder im Eventbereich. «Auch Menschen in anderen Branchen leiden unter der Pandemie», sagte Urban Sager. Sein Antrag, für alle Menschen mit Lohn unter 4’000 Franken – befristet – ein Grundeinkommen zu prüfen, scheiterte. Genauso wie das Postulat der Grünen für eine bedingungslose Entschädigung für Kulturschaffende nach dem Zürcher Vorbild.

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