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Der Luzerner Stadtrat ist offen für Gratis-Tampons und kostenlosen Binden an Schulen. Anders als die kantonale Männerregierung streicht er die Vorteile hervor – und dass Hygieneartikel zum Grundbedarf und zur Grundausstattung von Toiletten gehören.
Was hat Politik mit Menstruation und Tampons zu tun? Auf den ersten Blick vielleicht nicht viel. Doch da gibt es beispielsweise die Tamponsteuer. Tampons und Binden unterliegen in der Schweiz einer Mehrwertsteuer von 7,7 Prozent. Obwohl Frauen monatlich menstruieren, gehören Tampons nicht zu den Produkten des täglichen Bedarfs. Anders als beispielsweise Katzenstreu, Kaviar und Viagra.
Und es gibt Periodenarmut. Frauen, die sich keine Hygieneprodukte leisten können. Denn Menstruieren geht ins Geld. Laut der britischen «Huffpost» geben Frauen in ihrem Leben im Durchschnitt 20’500 Euro fürs Menstruieren aus. Neben Hygieneprodukten sind Schmerzmittel und allfällige Arztbesuche eingerechnet. Denn ja, die Regelblutung kann auch ordentlich schmerzen.
Die Periodenscham ist auch im 21. Jahrhundert noch gang und gäbe. Dem Chef sagen, dass man blutet und sich vor Schmerzen im Unterleib windet? Lieber nicht. Vielleicht war’s ja doch das Essen beim Asiaten gestern. Den blutigen Tampon in den Abfalleimer der WG werfen? Lieber nicht, ein Mitbewohner findet’s bestimmt eklig. Beim Essen mit Freunden am Tisch im Restaurant in die Runde fragen, wer einen Tampon hat? Semi-angenehm.
Luzern: Forderung nach Gratis-Tampons
Frauen können es sich nicht aussuchen, ob sie menstruieren wollen oder nicht. Sie tun das einfach Monat für Monat, 40 Jahre ihres Lebens. Das sind etwa 400 Regelblutungen.
Schweizweit und auch über die Landesgrenze wird die Forderung nach Gratis-Tampons und -Binden an Schulen laut. So auch in Luzern. Im letzten August haben SP-Grossstadträtin Regula Müller und SP-Grossstadtrat Benjamin Gross einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Kostenlos zugängliche Hygieneartikel seien eine Sensibilisierungsmassnahme, um eine Enttabuisierung voranzutreiben. Und: Kommt das Blut überraschend, müssen Menstruierende nicht mehr auf Notlösungen wie zusammengestopftes Toilettenpapier zurückgreifen. Die Postulanten versprechen sich dadurch weniger Stress.
Luzerner Stadtrat ist für Gratis-Tampons
Nun liegt die Antwort des Luzerner Stadtrates vor. Dieser nimmt das Postulat entgegen. Er will künftig auf 91 Damentoiletten an Stadtluzerner Schulen Gratis-Tampons und Gratis-Binden bereitstellen. Hygieneartikel für die Menstruation gehören wie Toilettenpapier «zum Grundbedarf und zur Ausstattung einer Toilettenanlage», findet die Stadtregierung.
Frauen würden sich wohler und entlastet fühlen, wenn Tampons und Binden stets bereitstehen. Vor allem, wenn die Menstruation mal früher oder später einsetzt. «Für uns ist die Teilhabe am sozialen Leben entscheidend. Wir wollen nicht, dass junge Frauen im Schulalltag Notlagen kommen, weil die Menstruation einsetzt und sie keine entsprechenden Hygieneartikel griffbereit haben», sagt Stadtpräsident Beat Züsli auf Anfrage.
Er spricht auch die Erfahrungen der Stadt Zürich an. Sie führt aktuell in zehn Schulen der Volksschule einen Pilotversuch mit Gratis-Tampons und Gratis-Binden durch. Die Resonanz sei sehr positiv. Auch seien keine Tampons und Binden auf Vorrat gehamstert worden.
Die Stadt Luzern will mit gutem Beispiel vorangehen, wie die städtische Regierung schreibt. Die WCs der Primar- und Sekundarschulen werden gemäss Stadtrat künftig mit Abgabeboxen ausgestattet, die mit Tampons und Binden gefüllt sind. Für diese Boxen müssten einmalig rund 27’000 Franken investiert werden. Fürs Nachfüllen rechnet der Stadtrat mit jährlichen Kosten von rund 22’000 Franken.
- Längst fällig! Da bin ich voll dafür. 💪 👱🏻♀️ 👩🏽
- Hmm, weiss nicht so recht. 🧐
- First World Problems! 🙄 Die einen menstruieren halt, die anderen nicht. Dafür muss jede selber die Kosten tragen.
Männerregierung war dagegen
Damit zeigt sich die städtische Regierung offener als die Luzerner Männerregierung. Letztes Jahr hat sich auch die kantonale Politik in Luzern mit Gratis-Tampons befasst. Das Kantonsparlament hat einen entsprechenden Vorstoss von SP-Kantonsrat Hasan Candan abgelehnt – nach einer angeregten Diskussion (zentralplus berichtete).
Die Luzerner Regierung lehnte die Forderung Candans ab, weil sie «neue Ungleichheiten» schaffen würde. Zum Beispiel weil Tampons in öffentlichen Einrichtungen wie dem Kantonsspital oder der Uni bereitliegen, in privaten oder kommunalen Institutionen hingegen nicht. Zudem seien kostenlose Hygieneartikel ein Eingriff in die freie Marktwirtschaft, so der Tenor der kantonalen Regierung (zentralplus berichtete).
Der Luzerner Stadtrat hingegen will nun den Weg für Gratis-Tampons ebnen. Ob das Stadtparlament ebenfalls diesen Weg einschlägt, wird sich an der Sitzung vom 27. Januar zeigen.
- Frühere Medienberichte von zentralplus zum Thema
- Postulat 119 von Regula Müller und Benjamin Gross namens der SP-Fraktion
- Stellungnahme des Luzerner Stadtrates zum Postulat 119
- Medienbericht «Huffpost»
- Persönliches Telefongespräch mit Beat Züsli