Nationalökonom sagt: Neue Ideen sind gefragt

Gehirne statt Briefkästen: Wie sich Zug neu erfinden kann

Innovative Firmen belohnen, statt Steuergelder «verschwenden»: Das sagt Christian Keuschnigg. (Bild: zvg)

Der alte Trick hat gut funktioniert, aber seine Tage sind offensichtlich gezählt: Bei den Tiefsteuern mischt Zug schon lange nicht mehr zuvorderst mit. Der NFA wirkt als Bremse für den Steuerwettbewerb. Viel weiter runter geht schlicht nicht mehr. Wie soll der Kanton sich sonst attraktiv machen? Ein Professor für Nationalökonomie sagt, wohin der Weg nun führen könnte.

Düstere Wolken, schlimme Zeiten, böser NFA, wir sehen schwarz. Die Rhetorik im Kanton Zug ist auf Schlechtwetter eingestellt. Abspecken und Durchhalten ist angesagt, Gesundschrumpfen und Auspressen, Wünschbares und Nötiges und so weiter. Bei all dem mentalen Druck geht in der Debatte eines verloren: die Gestaltungslust. Höchste Zeit für einen Schuss Aussensicht im Umgang mit der Steuerpolitik. Wir haben mit Christian Keuschnigg von der Universität St. Gallen darüber gesprochen, wie der Kanton Zug sich neu aufstellen könnte. Er ist Professor für Nationalökonomie, insbesondere öffentliche Finanzen. Und er hat eine ganz klare Empfehlung.

zentralplus: Der Kanton Zug befindet sich mit seiner Tiefsteuerpolitik in einer Zwickmühle: Er kann im Steuerwettbewerb nicht mehr ganz unten mitmischen. Und hat trotzdem zu wenige Einnahmen, um wie bisher weitermachen zu können. Wie kommt er aus der Sackgasse heraus?

Keuschnigg: Die Lage im Kanton ist etwas ins Ungleichgewicht geraten. Für den kleinen Kanton Zug ist es besonders wichtig, dass die Standortattraktivität stimmt. Und das ist die erste Botschaft: Steuern sind wichtig, machen aber nur einen Teil der Standortattraktivität aus. Weitere Aspekte sind der schnelle und unkomplizierte Kontakt zwischen Unternehmen und der Verwaltung, der Zugang zu Infrastruktur wie Breitbandinternet, gute Bildungsmöglichkeiten und so weiter. In diesen Sachen ist Zug gut aufgestellt, da gibt es nicht viel Potenzial für Verbesserungen. Daneben muss der Kanton aber auch dafür sorgen, dass die Einnahmen stimmen. Da muss er vielleicht in Zukunft ein wenig anziehen. Und natürlich muss sich der Kanton gut überlegen, wo er sich einen Abbau leisten kann, welche Dienstleistungen überholt sind oder nicht mehr gefragt werden.

«Aber der Kanton kann natürlich entscheiden, welche Art von Unternehmen er anziehen möchte. Und da hat der Kanton Zug ein Problem.»

zentralplus: Die letztere Debatte wird im Kanton derzeit stark geführt. Ein neues Rezept für die Steuerpolitik steht dabei aber nicht im Raum – da hält man am Hergebrachten fest: im Zweifelsfall senken. Gäbe es denn da neue, kreative Ansätze, wie Zug sich neu positionieren könnte?

Keuschnigg: Nun, der Werkzeugkasten der Kantone ist bekannt. Da haben die Kantone nicht viel Spielraum. Neues gibt es eigentlich nur bei der Infrastruktur, bei der jede Branche andere Bedürfnisse hat. Aber der Kanton kann natürlich entscheiden, welche Art von Unternehmen er anziehen möchte. Und da hat der Kanton Zug ein Problem: Die Unternehmenssteuerreform III schafft einen Teil der Vorteile ab, die gewisse gemischte Gesellschaften in Zug bis anhin genossen haben. Und um das zu kompensieren, kann der Kanton natürlich die Gewinnsteuern aller Unternehmen senken …

zentralplus: … was der Finanzdirektor Heinz Tännler und auch sein Vorgänger Peter Hegglin bereits angekündigt haben: Sie möchten als Ausgleich für die wegfallende Bevorzugung von Domizilgesellschaften, gemischten und Holding-Gesellschaften die allgemeine Gewinnsteuer von 14,7 auf 12 Prozent senken. Damit käme man «ohne Ausfall» durch, so Tännler.

Keuschnigg: Genau. Das kann man natürlich machen. Aber das kostet einiges. Zudem ist das eine sehr breit angesetzte Vergünstigung. Damit «verschwendet» man quasi Steuergelder bei Unternehmen, die auch bei einem höheren Steuersatz geblieben wären. Obwohl man den Standort damit eigentlich nur für die Unternehmen attraktiver machen möchte, bei denen ein Wegzug tatsächlich zur Diskussion steht. Deshalb ist es meiner Meinung nach effizienter, wenn man gezielte Vergünstigungen macht, statt die Gewinnsteuern zu senken.

zentralplus: Wo zum Beispiel?

Keuschnigg: Mobil sind eigentlich nur die Unternehmen, die innovativ sind: die neue und spezialisierte Nischenprodukte weltweit verkaufen. Die können auch wegziehen, da sie auf der ganzen Welt präsent sind. Diesen Firmen muss man einen Standortvorteil bieten. Deshalb glaube ich, wäre es das Beste, Innovationsförderung zu betreiben, die genau auf die Unternehmen zugeschneidert ist, deren Wegzug im Raum steht. Mit den schon breit diskutierten «Patentboxen» etwa kann man Firmen einen Steuervorteil anbieten, die viele Patente einreichen und also viel in die Forschung investieren, um innovativ zu bleiben. Das Schöne daran ist, dass diese Begünstigung faktisch den besonders innovativen und mobilen Unternehmen nützt, aber dennoch allen Unternehmen offensteht und daher nicht diskriminierend ist. Dieser Ansatz wird dem Kanton Zug allerdings nicht allzu viel nützen. Ausserdem ist er international in Kritik geraten.

«Der Kanton Zug könnte zum Beispiel den Forschungsaufwand steuerlich belohnen.»

zentralplus: Weshalb?

Keuschnigg: Weil er das Einreichen von Patenten belohnt, also den Abschluss einer Forschungstätigkeit. Die Befürchtung dabei ist, dass sich so ein aggressiver Standortwettbewerb etablieren würde. Die verschiedenen Wirtschaftsstandorte würden versuchen, sich gegenseitig diejenigen Firmen abzuwerben, die ihre Forschungstätigkeit schon anderswo abgeschlossen haben. Damit kann man Forschungserträge besteuern, während die Steuerausfälle aus dem Abzug der vorherigen Forschungs- und Entwicklung-Aufwendungen anderswo anfallen. 

zentralplus: Zudem beziehen sich diese Patentboxen nur auf Technologiefirmen, die tatsächlich Patente anmelden. Es gibt aber auch in anderen Bereichen innovative Firmen. Wie könnte der Kanton Zug Innovation über seine Steuerpolitik fördern?

Keuschnigg: Das stimmt. KMU zum Beispiel kommen kaum in den Genuss von Patentboxen, obwohl auch sie innovativ sein müssen. Der Kanton könnte zum Beispiel beim Eigenkapitalabzug erhöhen: So würde er es fördern, dass Firmen mit eigenem Geld gegründet werden statt mit Verschuldung. Das würde die Krisenrobustheit stärken und auch den innovativen Unternehmen nützen, die mehr als andere risikotragendes Eigenkapital brauchen. Zudem könnte er zum Beispiel den Forschungsaufwand anstatt den Ertrag steuerlich belohnen: indem man Forschungsaufwand zu mehr als 100 Prozent von den Steuern abziehen könnte. Das wäre eine sehr spezifische Massnahme, bei der es zwar auch Mitnahmeeffekte geben würde. Aber die grössten Mitnahmeeffekte hat man, wenn man einfach die Gewinnsteuern für alle Unternehmen senkt.

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