Kaum Bussen gegen Luzerner Velofahrer

Freipass für Luzerns Velofahrende?

Kreuzung im Bruchquartier Luzern: Alle paar Minuten fährt ein Velofahrer ungebremst über die Stopplinie auf der Bruchstrasse. Automobilisten müssen höllisch aufpassen. (Bild: ben.)

Während Bussen für Automobilisten zum täglichen Brot gehören, haben Velofahrerinnen und Velofahrer in Luzern wenig zu befürchten. Dies geht aus einer Antwort des Luzerner Regierungsrats auf ein Postulat hervor. 2013 stellte die Luzerner Polizei 1’412 Ordnungsbussen gegen Radfahrende aus. Ein durchschnittlicher Luzerner Velofahrer erhält somit also erst nach 212 Jahren seine erste Busse.

Der Luzerner SVP-Kantonsrat Marcel Omlin sieht die Verkehrssicherheit im urbanen Raum vor allem durch Velofahrende und Fussgänger gefährdet, die «tagtäglich Gesetze und Verordnungen im Strassenverkehr übertreten». Omlin bat die Regierung deshalb zu prüfen, mit welchen personellen und juristischen Massnahmen diesem Treiben Einhalt geboten werden kann.

Er nennt als konkretes Beispiel die Kreuzung Bruchstrasse/Klosterstrasse. Warum gerade diese? An der Kreuzung liegt die Geschäftsstelle des Automobilclubs der Schweiz (ACS) und Omlin ist Präsident der ACS-Sektion Luzern, Ob- und Nidwalden. Für den überzeugten Autofahrer besonders stossend: «Es kann beispielsweise nicht sein, dass die Stopplinien zu rund 80 Prozent rücksichtslos überfahren werden.»

Weniger als ein Prozent aller Ordnungsbussen

Das Postulat wurde diese Tage beantwortet. «Es ist unbestritten, dass auch Radfahrende zunehmend die Verkehrsregeln missachten», schreibt der Regierungsrat in der Antwort, für welche das Justiz- und Polizeidepartement von Yvonne Schärli (SP) und die Polizei die Grundlagen geliefert hat. Genannt werden 1’412 ausgestellte Velo-Ordnungsbussen 2013. Was genau gebüsst wurde, wird nicht erwähnt. Auch keine Angaben zum Total der Ordnungsbussen im Kanton Luzern. Gemäss Mediensprecher Urs Wigger könnten die Zahlen nur mit einem enormen Aufwand recherchiert werden.

Ein Vergleich mit anderen Kantonen macht eine Hochrechnung möglich. Die Kantonspolizei Aarau stellte im letzten Jahr 252’000 Ordnungsbussen aus. Das macht etwas mehr als 0,4 Bussen pro Einwohner. In der Stadt Zürich waren es rund 980’000 Ordnungsbussen auf knapp 400’000 Einwohner, also etwa 2,5 Ordnungsbussen je Einwohner. Der Kanton Luzern mit seinen rund 386’000 Einwohnern und hohen Bussenbudgets dürfte im Jahr also zwischen 200’000 und 400’000 Bussen ausstellen. Gebüsste Velofahrer machen also weniger als ein Prozent aller Bussen aus.

Gemäss Lustat besitzt ein Luzerner Haushalt durchschnittlich 1,97 Velos. Bei rund 150’000 Haushalten dürften in Luzern somit etwa 300’000 Velos verkehren. Ein Luzerner Velofahrer könnte damit im Durchschnitt ganze 212 Jahre unterwegs sein, bis er eine erste Busse erhält. Zumindest statistisch.

Politik der Nadelstiche

Der Regierungsrat räumt in seiner Antwort denn auch ein, dass es oft aufwändig sei, Velofahrende zu kontrollieren, respektive zu sanktionieren. «Velofahrer haben kein Kontrollschild, oft keinen Ausweis dabei und können sich aufgrund ihrer Beweglichkeit leicht einer Kontrolle entziehen.» Oder anders gesagt: Sie weichen Kontrollen aus oder fahren wieder los, während die Polizei noch den Bussenblock zückt.

Gezielte Kontrollen bräuchten zudem ein grosses Personaldispositiv. Ausserdem sehe sich die Polizei immer auch sofort der Kritik ausgesetzt, es werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen und man solle sich besser um die grossen Kriminalfälle kümmern. «Mit Repression allein kann die Verkehrssicherheit nicht gewährleistet werden», schreibt die Regierung und listet verschiedenste Präventionsmassnahmen auf.

Personalbestand der Polizei erhöhen

Nicht beantwortet wird die gestellte Frage von Omlin nach den Kosten der einzelnen Massnahmen. Auch hier heisst es, dies lasse sich nicht mit vernünftigem Aufwand eruieren, auch nicht im Rahmen einer Vorstossbeantwortung. Die Luzerner Regierung wiederholt dabei die Aussagen von Yvonne Schärli vom März, dass der Personalbestand der Polizei weiter erhöht werden müsste. Und der Regierungsrat beantragt dem Parlament, das Postulat erheblich zu erklären.

Marcel Omlin ist erstaunt, dass sein Vorstoss erheblich erklärt wird. «Angesichts der schwammigen Antworten bin ich ziemlich überrascht. Die Regierung schreibt ja, dass Velofahrer sich Kontrollen einfach entziehen», sagt er zu zentral+. Er finde es gut, dass man die Bevölkerung und speziell Kinder auf die Verkehrsregeln aufmerksam mache. «Aber wenn sie nicht gebüsst werden, nützt es nichts.» Der SVP-Politiker stört sich übrigens ebenfalls daran, dass Velos überall wild abgestellt werden können in der Stadt.

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