Caritas Luzern betreut Zuger Gastfamilien

Flüchtlinge: Was Zug so viel besser macht als Luzern

In Zug hat man mit der Zusammenarbeit mit der Caritas Luzern einen guten Schachzug gemacht. (Bild: Adobe Stock)

Die Caritas Luzern betreut seit Beginn des Ukrainekriegs die Zuger Gastfamilien, die ukrainische Geflüchtete aufnehmen. Dem Kanton Luzern aber war die Zusammenarbeit mit der Caritas zu teuer. Das rächt sich jetzt.

Seit einem knappen Jahr betreut die Caritas Luzern im Kanton Zug die Gastfamilien, die ukrainische Geflüchtete beherbergen oder beherbergen möchten. Und zwar mit Erfolg, wie die Zahlen des Departements des Innern zeigen. Aktuell befinden sich von den 896 Personen mit Schutzstatus S im Kanton Zug 375 – also 40 Prozent – bei Gastfamilien.

Währenddessen kämpft die Dienststelle Asyl und Flüchtlingswesen des Kantons Luzern um jeden Platz. Hier hat man andere Sorgen. Da der Anteil Personen in Gastfamilien nur 15 Prozent beträgt, ist die Unterbringung in kantonalen Strukturen die erste Priorität.

Per Ende 2022 hatten allerdings ganze 22 Gemeinden ihr Aufnahmesoll nicht erreicht, wodurch dem Kanton Ende Jahr 706 Plätze fehlten (zentralplus berichtete). Die Gemeinden müssen dem Kanton jetzt insgesamt 1,6 Millionen Franken an Ersatzleistungen bezahlen.

Der Kanton Zug hat früh reagiert

In Zug hat man mit der Zusammenarbeit mit der Caritas Luzern einen guten Schachzug gemacht. Denn auch nach dem anfänglichen Frust der Familien, die nur mit grosser Verspätung Sozialhilfegelder erhielten, konnte der Kanton die Zahl der Gastfamilien halten.

«Die Anzahl der Familien, die wir betreuen, ist seit Beginn des Projektes stabil geblieben. Es gab einige Austritte und auch wieder neue Vermittlungen», sagt Monika Lüscher, Leiterin Integrationsangebote, Soziale Integration bei der Caritas Luzern. Die Anzahl bewegte sich von knapp 550 Personen im Mai 2022 auf rund 440 Personen im Herbst und sank über den Winter auf aktuell 375 Personen.

«Wir erleben jedoch, dass die Gastfamilien sich vielen der möglichen Herausforderungen bereits bewusst sind.»

Monika Lüscher, Leiterin Integrationsangebote der Caritas Luzern

Besonders in den grossen Gemeinden Zug, Cham und Baar war die Solidarität von Beginn weg sehr gross. Sie stellen bis heute einen Grossteil der Gastfamilien. Lüscher sieht einen möglichen Grund dafür in der Wirtschaftsstruktur des Kantons. «Der Kanton Zug besitzt, bedingt durch grössere Firmenstandorte, eine sehr internationale Bevölkerung – auch von russisch- und ukrainischstämmigen Personen. Besonders zu Beginn des Ukrainekriegs haben viele Gastfamilien ihre Verwandten oder ferne Bekannte bei sich aufgenommen.»

Die Unterbringung ist vorerst gesichert

Dank der breiten Unterstützung der Bevölkerung kann der Kanton die langsam sinkende Anzahl der Gastfamilien kompensieren. «Es gibt zurzeit im Kanton Zug genügend Plätze in kantonalen Unterkünften», sagt Stefan Ziegler, Amtsleiter des kantonalen Sozialamts, auf Anfrage.

Das ist nicht selbstverständlich. Denn nach dem Aus der geplanten Asylunterkunft Röhrliberg in Cham hatte der Kanton im Herbst Zivilschutzanlagen bereitmachen lassen für den Fall, dass die Anzahl Geflüchteter über den Winter nochmals stark ansteigen sollte (zentralplus berichtete).

«In Zusammenarbeit mit der Caritas Luzern stellt der Kanton Zug Überlegungen an, wie Gastfamilien zukünftig in die kantonale Unterbringungsstrategie eingebunden werden können.»

Stefan Ziegler, Amtsleiter Kantonales Sozialamt Zug

Vorerst blieb dieser Anstieg aus. Somit könnten die aktuellen Unterbringungsmöglichkeiten ausreichen, bis die Asylunterkunft auf der Lorzenallmend in Zug im Sommer bezugsbereit sein wird. Sie wird 400 Personen Platz bieten.

Die gute Betreuung zahlt sich aus

Zur stabilen Lage im Kanton trägt auch die Betreuung durch die Fachpersonen der Caritas bei. Sie begleiten die Gastfamiliensysteme individuell, erklärt Monika Lüscher. «Wir sind beratend telefonisch oder auch per Mail täglich erreichbar. Wir führen Beratungsgespräche vor Ort durch, bei Bedarf auch mit einer Dolmetscherin.»

«Auch die engen Freundschaften, die zwischen Gastfamilie und Gästen entstehen können, überraschen uns immer wieder positiv», sagt die Leiterin Integrationsangebote bei der Caritas Luzern. Es sei dennoch für beide Seiten eine anspruchsvolle Situation, betont Lüscher. Unterschiedliche Erwartungen an das Zusammenleben, kulturelle Unterschiede, belastende Situationen und Traumata seien für viele Gastfamilien herausfordernd. «Wir erleben jedoch, dass die Gastfamilien sich vielen der möglichen Herausforderungen bereits bewusst sind», fügt sie an.

Die Bevölkerung soll Teil der kantonalen Struktur werden

Beim Kanton ist man sich bewusst, dass die Unterstützung der Bevölkerung auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird. «In Zusammenarbeit mit der Caritas Luzern stellt der Kanton Zug Überlegungen an, wie Gastfamilien zukünftig in die kantonale Unterbringungsstrategie eingebunden werden können», sagt Stefan Ziegler.

Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei der Koordination freiwilliger Hilfe abseits der Unterbringung. In diesem Bereich unterstützt der Verein Benevol Zug den Kanton als Drehscheibe, die vermittelt, triagiert und berät. Und auch hier gab es vor allem zu Beginn des Kriegs eine sehr grosse Solidarität in der Bevölkerung, sagt die Leiterin der Fachstelle, Estefania Garcia Jung, auf Anfrage. «Die Leute wollen sich vornehmlich da engagieren, wo sie wohnen», berichtet Garcia Jung.

So habe man seit letztem Frühling auch eine entsprechende Struktur erarbeitet und das Engagement stabilisieren können. Pro Gemeinde gibt es eine Anlaufstelle, die das Engagement und die Angebote vor Ort koordiniert.

Hochmut kommt vor dem Fall – auch in Luzern

In Luzern verlief die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung nicht so gut wie im Kanton Zug. Die Bereitschaft der Bevölkerung, Geflüchtete bei sich aufzunehmen, hat seit Frühling 2022 stark abgenommen. Von den 1000 Personen, die im Mai 2022 bei Gastfamilien wohnten, sind heute nur noch 450 übrig – 15 Prozent der total 2730 Personen mit Status S im Kanton Luzern.

Woran das liegt, kann die Dienststelle Asyl und Flüchtlingswesen DAF nicht genau sagen. «Wir haben Klientinnen und Klienten, die seit fast einem Jahr bei Gastfamilien wohnen. Ebenso kommt es aber auch vor, dass sich Schutzbedürftige oder Gastfamilien bei der DAF melden, weil die Unterbringung in der Gastfamilie nicht länger möglich ist», schreibt die DAF auf Anfrage.

Die Gastfamilien können sich bei Problemen und Fragen über ein Onlineformular bei der Dienststelle melden. «Die Erfahrungen waren gut und wir konnten stets alle Fragen zeitnah beantworten», heisst es von der Dienststelle. In den letzten Monaten hätten diese Kontaktaufnahmen allerdings stark abgenommen.

Der ewige Kampf um die Bunker

Der Regierungsrat und Vorsteher des Gesundheits- und Sozialdepartementes Guido Graf hatte sich 2016 entschieden, der Caritas Luzern den Leistungsauftrag für die Betreuung von Geflüchteten zu entziehen. So sollten Kosten gespart werden.

Im vergangenen Herbst forderten dann Grüne, GLP und SP den Kanton auf, dem Vorbild des Kantons Zug zu folgen und wichtige Fachdienste wieder an entsprechende Organisationen auszulagern (zentralplus berichtete). Das war vor allem eine Reaktion auf das wiederholte Verweisen des Kantons auf Zivilschutzanlagen, die der Kanton als Alternative hinzuziehen würde, falls nicht ausreichend Unterkünfte bereitgestellt werden könnten.

Die Situation bleibt angespannt, wie die die Dienststelle Asyl und Flüchtlingswesen auf Anfrage schreibt: «Der Kanton arbeitet zusammen mit den Gemeinden weiter unter Hochdruck daran, weitere Plätze zu schaffen.» Momentan reichen die Plätze aus, dass keine Personen in Zivilschutzanlagen untergebracht werden müssen.

Hinweis: In einer ersten Version des Artikels war als Auskunftsperson fälschlicherweise Doris Nienhaus als Auskunftsperson der Caritas Luzern aufgeführt. Korrekterweise handelt es sich aber um Monika Lüscher. zentralplus hat das nach Publikation im Text entsprechend angepasst. Wir bitten für das Versehen um Entschuldigung.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Monika Lüscher, Leiterin Integrationsangebote, Soziale Integration bei der Caritas Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit der Dienststelle Asyl und Flüchtlingswesen, Kanton Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Stefan Ziegler, Amtsleiter Kantonales Sozialamt, Kanton Zug
  • Telefonat mit Estefania Garcia Jung, Leiterin Fachstelle, benevol Zug
  • Info-Bulletin Ukraine-Hilfe des Kantons Zug
  • Medienmitteilung der Dienststelle Asyl und Flüchtlingswesen
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