Asyl: Positive Erfahrungen

Flüchtlinge privat aufnehmen – Luzern prüft und prüft …

Wer in Luzern privat Flüchtlinge aufnehmen möchte, muss sich ziemlich sicher noch eine ganze Weile gedulden. (Bild: Symbolbild - fotolia)

Asylbewerber zu Hause aufnehmen – nur eine idealistische Idee? Während solche Projekte in anderen Kantonen bereits laufen, gibt sich die Luzerner Regierung widerwillig. Der Kanton hat zu viele Zweifel. Doch die ersten Erkenntnisse aus den Pilotprojekten könnten diese zerstreuen. Vor allem, wenn es ums Geld geht.

Die allgegenwärtigen und dramatischen Bilder flüchtender Menschen habe auch die Luzerner Bevölkerung sensibilisiert, heisst es im Postulat von Michèle Bucher zur Unterbringung von Flüchtlingen bei Privaten. Sie ist überzeugt: «Privatpersonen sehen sich zum Handeln herausgefordert.»

Asylsuchende bei Privatpersonen unterbringen, das ist die Idee, die derzeit immer wieder Thema wird. Sei es bei Anfragen aus der Zivilbevölkerung oder in Form von Kommentaren unter Artikeln und in den Sozialen Medien: «Die sollen doch selbst Flüchtlinge zu Hause aufnehmen.» Doch so einfach ist es nicht.

Die Grüne Kantonsrätin Bucher forderte den Luzerner Regierungsrat deshalb in dem Postulat dazu auf, die Möglichkeit genauer zu überprüfen und Stellung zu beziehen. In der Antwort des Regierungsrats Mitte September heisst es zwar, man sei bereit, das Anliegen der Privatunterbringung zu prüfen, doch die zahlreichen Argumente dagegen scheinen im Luzerner Regierungsrat bereits zu dominieren.

Es könne sehr problematisch sein, Flüchtlinge bei Privaten unterzubringen, so der Regierungsrat in seiner Begründung. «Unterschiedliche Kulturen und insbesondere Wertvorstellungen und Ansprüche treffen aufeinander.» Eine der grössten Herausforderungen bestehe zudem darin, dass die Flüchtlinge oftmals durch Erlebnisse in der kriegsbetroffenen Heimat oder auf der Flucht traumatisiert sind. Nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch die Gastgeber müssten dann gecoacht und betreut werden.

Erfahrungsaustausch steht an

Der Regierungsrat bestätigt, dass die Schweizerische Flüchltlingshilfe (SFH) mit ihrem Projekt, welches nun in vier Kantonen durchgeführt wird, auch in Luzern vorstellig geworden sei. Diverse Fragestellungen seien jedoch unbeantwortet geblieben. So auch die Finanzierung und die Organisationsstruktur. Deshalb verzichte man vorderhand auf einen Versuch in Luzern.

«Es wird nun ungefähr eine Platzierung pro Woche durchgeführt.»
Stefan Frey, Schweizerische Flüchtlingshilfe

Doch die Zweifel des Regierungsrates könnten schon bald zerstreut werden. Stefan Frey von der SFH sagt auf Anfrage, dass in Kürze weitere Gespräche vereinbart seien. «Ich mache mit den Verantwortlichen des Kantons einen Erfahrungsaustausch und dann werden sich sehr viele Fragen, die sich heute noch stellen, beantworten lassen.»

Eine Platzierung pro Woche

Zum Pilotprojekt, das derzeit in den Kantonen Bern, Aargau, Waadt und Genf läuft, und welches der Luzerner Regierungsrat abwarten will, kann Frey schon heute sagen: «Bis jetzt sind ungefähr 20 Personen platziert, bei etwa einem Dutzend Gastfamilien. Es wird nun ungefähr eine Platzierung pro Woche durchgeführt.»

Platz frei?

Die Caritas informiert auf ihrer Website über die Möglichkeiten für Privatpersonen, die jemanden aufnehmen möchten:

Die Unterbringung von Flüchtlingen ist grundsätzlich die Aufgabe von Bund, Kantonen und Gemeinden. Wenn Sie Flüchtlingen ein Zimmer oder eine Wohnung zur Verfügung stellen möchten, können Sie sich an die zuständigen Behörden in Ihrer Gemeinde oder in Ihrem Kanton wenden. Die Abklärungen benötigen aber einen gewissen Zeitraum.

In der Bevölkerung scheint die Bereitschaft also da zu sein. Trotzdem versteht Frey das Zögern der Kantonsregierung: «Es fehlen die Erfahrungen und zumindest bei der Auswahl, bis zur Platzierung, entsteht geringer zusätzlicher zeitlicher Aufwand. Angesichts der fast überall unterdotierten Ressourcen im Asylbereich ist ein gewisses Zögern nachvollziehbar.» Aber für ihn ist klar: «Die Investition lohnt sich jedoch.»

Bisher keine Probleme

Denn die bisherigen Erfahrungen seien sehr positiv: «Die Flüchtlingspersonen zeigen grossen Willen und Entschlossenheit, die Sprache zu lernen und für Ausbildung und Beruf möglichst schnell fit zu werden.» Bis jetzt seien erwähnenswerte Probleme ausgeblieben. «Es ist aber noch zu früh, um Bilanz zu ziehen, ausserdem ist die Anzahl noch zu gering, um Schlüsse zu ziehen», betont Frey jedoch. «Es steht aber fest, dass  die Auswahl der Flüchtlingspersonen und der Gastfamilien entscheidende Faktoren sind, welche Probleme minimieren helfen.»

Diese Auswahl und Einteilung muss jedoch auch organisiert sein. Und hier sieht Luzern ungeklärte Fragen und auch einen eventuellen Mehraufwand in der Betreuung und Organisation.

Zueinander passen

Frey kann aus den bisherigen Erfahrungen diese Sorgen grösstenteils nehmen: «Die Organisation in den bisherigen Projektkantonen ist schlank.»

Die SFH nehme die Angebote von Privaten entgegen, prüfe diese und bei vermuteter Eignung werde vor Ort die Situation mit den potenziellen Gastfamilien angeschaut und die offenen Fragen geklärt. Die kantonalen Asylbehörden hingegen identifizieren dann die geeigneten Flüchtlingspersonen, die zu den prinzipiell geeigneten Angeboten passen.

Wichtig sei also, dass Gast und Gastgeber zueinander passen. Das kann beispielsweise auch durch ähnliche berufliche oder private Hintergründe oder auch Interessen zustande kommen. Auch eine gewisse persönliche Reife der Gastgeber sei wichtig. 

Wichtig sei auch, dass genügend Platz vorhanden ist. Ein ausziehbares Sofa im Wohnzimmer reicht da nicht aus. Zimmer mit separatem WC und Bad oder Einliegerwohnungen seien vor allem gefragt. 

«Bei flächendeckender Umsetzung können enorme Summen bei der Sozialhilfe eingespart werden.»
Stefan Frey, Schweizerische Flüchtlingshilfe

Organisatorisch sei es kein grosser Aufwand, so Frey: «Die Flüchtlingspersonen verbleiben im jeweiligen Asylsystem, wechseln einfach den Standort zu den Privaten.» Die Bernerzeitung erklärte genauer: «Die privaten Unterbringer erhalten die gleiche Pauschale, die der Bund einem Kanton für die Unterbringung entrichtet. Für Essen, Hygieneartikel und persönliche Bedürfnisse bekommen die Flüchtlinge ebenfalls eine Pauschale, die ihnen jedoch direkt ausbezahlt wird.»

Finanzielle Vorteile

Für die Betreuung über längere Zeit sichert die SFH die Unterstützung von interkulturellen Übersetzern und die Begleitung von Gastfamilie und Gästen zu. «Auserdem macht die SFH die Brücke zwischen Privaten und Behörden, um die Privaten von administrativen Aufgaben zu entbinden», so Frey.

Die positiven Auswirkungen von privaten Unterbringungen seien am Ende der Kette nich nur integrativer, sondern auch finanzieller Natur, so Frey: «Die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt soll wesentlich rascher erfolgen, als dies im bisherigen System der quasi massenhaften Betreuung durch die Sozialdienste möglich ist. Die Dauer des Sozialhilfebezuges soll entsprechend verkürzt werden.» Die ersten Indizien würden darauf hindeuten, dass das möglich sei. «Falls sich dieser Ansatz durchsetzt, können bei flächendeckender Umsetzung enorme Summen bei der Sozialhilfe eingespart werden.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von zombie1969
    zombie1969, 04.10.2015, 12:00 Uhr

    der das Verhalten der armen «Kriegsflüchtlinge» an Ungarns Grenze beobachtete, der kann über den ganzen Asylschwachsinn der europäischen Länder nur müde lächeln. Die Flüchtlinge führen zwischenzeitlich selbst einen Angriffskrieg, wenn sie ihren Willen nicht durchgesetzt bekommen. Westeuropa darf sich auf jeden Fall freuen. Neben dem Oktoberfest bekommt man die nächsten Jahren noch weitere » Volksfeste» live im Fernsehen präsentiert.

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  • Profilfoto von Monika Mathers Schregenberger
    Monika Mathers Schregenberger, 03.10.2015, 00:00 Uhr

    Als unsere Einliegerwohnung im letzten Sommer frei wurde, rief ich das kant. Amt für Migration (Zug) an und sagte, dass wir die Wohnung gerne Flüchtlingen zur Verfügung stellen würden. Ein Tag später kam eine alleinerziehende irakische Mutter mir ihrer Tochter im Kindergartenalter, stellte sich vor und besichtigte die Wohnung. Drei Wochen später zogen die beiden ein und sind «ganz normale Mieter, » mit dem Unterschied, dass wir immer wieder mit einem arabischen Dessert überrascht werden. Die kleine Tochter kommt immer wieder, weil sie ein wenig bei uns sein oder den Hund besuchen will, von dem sie nicht richtig weiss, ob sie ihn lieben oder fürchten soll.
    Mit anderen Worten: Wir haben neue Mieter, die freundlich, zuvorkommend, zum Teil anders als wir sind, wie das bei all ihren Vorgängern auch war. Ich denke, wenn wir in den Flüchtlingsfamilien vor allem Menschen sehen, und die Bezeichnung»Flüchtling» nicht im Vordergrund steht, dann ist ein Zusammenleben im gleichen Haus nicht schwierig. Ich verlange von niemandem, dass er ist wie ich, weder von Flüchtlingen noch von lokalen Mietern.
    Ich finde auch, dass die Betreuerin dieser Familie einen sehr guten Job macht. Sie mischt sich überhaupt nicht in den Kontakt zwischen uns und der jungen Irakerin. So lernt sie, Verantwortung zu übernehmen und sich in unser Land zu integrieren.

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