Regierung beharrt auf ihrem Standpunkt

Fehlende Zebrastreifen in 30er-Zonen geben – einmal mehr – zu reden

Tempo-30-Zonen wirken verkehrsberuhigend – haben jedoch Nebenwirkungen. (Bild: Adobe Stock)

Strassen mit Tempo 30 haben in der Regel keine Fussgängerstreifen. Ginge es nach den Gemeinden, gäbe es diesbezüglich wohl deutlich mehr Ausnahmen als heute. Mit gutem Grund. Die Regierung will das Heft aber nicht aus der Hand geben.

An der Tempo-30-Frage scheiden sich die Geister. Sie soll gleich mehrere Zwecke erfüllen: Einerseits dem Strassenlärm in Wohngebieten entgegenwirken, andererseits für mehr Verkehrssicherheit – insbesondere für Fussgänger – sorgen.

Gerade bei dieser Gruppe bestehen aber bisweilen Zweifel an der erhöhten Sicherheit. Dies vor allem, weil die meisten Zebrastreifen in Tempo-30-Zonen entfernt werden.

Gemäss aktueller Verordnung sind in Tempo-30-Zonen grundsätzlich keine Fussgängerstreifen zugelassen. Ausnahmen sind möglich – etwa im direkten Umfeld von Schulen oder Heimen. Nur: Wer definiert, wo eine Ausnahme gemacht werden kann?

Gemeinden sind näher dran

Mittels einer Motion fordert der Luzerner SP-Kantonsrat Andy Schneider, dass die Anordnung von Fussgängerstreifen in Tempo-30-Zonen in die Verantwortung der Gemeinden zu delegieren sei. Dies, weil die Gemeinden die Sicherheitsbedürfnisse der einzelnen Quartiere bestens kennen würden, argumentiert Schneider (zentralplus berichtete).

Heute ist die Dienststelle Verkehr und Infrastruktur (Vif) für Verkehrsanordnungen auf allen grösseren Gemeindestrassen zuständig. Die Gemeinden können lediglich bei kleineren Gemeindestrassen – solche der sogenannten 2. und 3. Klasse – sowie öffentlichen Privat- und Güterstrassen Verkehrsanordnungen implementieren, müssen diese aber vom Vif absegnen lassen.

Heute grösstenteils Sache des Kantons

An diesem Regime will die Regierung festhalten, wie sie in der Stellungnahme zu Schneiders Motion festhält. Die aktuelle Verteilung der Anordnungskompetenz von Tempo-30-Zonen sei «zweckmässig und effizient», schreibt die Regierung. Sie beantragt die Motion abzulehnen.

Auf den Kern von Schneiders Motion – der Wunsch nach mehr Fussgängerstreifen in Tempo-30-Zonen –, geht die Regierung nur am Rande ein. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass diverse Gemeinden Mühe mit der flächendeckenden Abschaffung von teils bewährten Fussgängerstreifen bekunden.

Luzerner Gemeinden diskutieren im November

Im Rahmen eines Workshops zur Siedlungsentwicklung wird sich der Verband der Luzerner Gemeinden (VLG) im November mit dem Thema Tempo-30 auseinandersetzen, bestätigt Geschäftsführer Ludwig Peyer auf Anfrage. «Es gibt Mitgliedsgemeinden, welche die diesbezügliche Kompetenzaufteilung zwischen Kanton und Gemeinden hinterfragen. Dies wird sicher ein Teil der Diskussionen bilden.»

Die Lobbyorganisation der Fussgänger, Fussverkehr Schweiz, griff das Thema schon vor zehn Jahren auf und forderte, «dass bei wichtigen Querungsstellen auch in Tempo-30-Zonen der Vortritt für FussgängerInnen weiterhin gewährt wird». Dies auch abseits von Schulen und Heimen.

90 Prozent überleben

Dass die Tempo-30-Zonen einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten, bestreitet kaum jemand. Fussverkehr Schweiz liefert dazu knallharte Fakten: Bei einer Aufprallgeschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde überleben von zehn angefahrenen Fussgängerinnen gerade einmal drei, bei 30 km/h sind es deren neun.

Wo also liegen die Probleme bei den 30er-Zonen? Sie lassen sich auf zwei Faktoren herunterbrechen:

1. Problem: Unklare Regeln

Grundsätzlich dürfen Fussgänger Strassen in Tempo-30-Zonen überall überqueren. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) empfiehlt dies möglichst an übersichtlichen Stellen zu tun. Zudem rät die Beratungsstelle zu folgenden Verhaltensregeln in Tempo-30-Zonen:

  • Autos, Motorräder und Velos haben gegenüber Fussgängern Vortritt. Vorsichtig müssen sie trotzdem sein: Sie müssen damit rechnen, dass Fussgänger die Strasse überqueren wollen.
  • Bei Kreuzungen gilt Rechtsvortritt.
  • Wo Fussgängerstreifen trotzdem vorhanden sind, müssen Fussgänger diese benützen.

2. Problem: Zu schnell unterwegs

Das BFU zeigte kürzlich noch ein weiteres grosses Problem in 30er-Zonen auf. Eine umfassende Studie hat ergeben, dass sich 54 Prozent aller ausgewerteten Motorfahrzeuge nicht ans vorgegebene Tempolimit hielten.

Tatsache ist aber, dass auch Velos und E-Bikes heute schnell mal an der 30er-Limite kratzen. Der Ruf nach mehr Fussgängerstreifen in 30er-Zonen wird entsprechend kaum abklingen. Die Luzerner Regierung scheint dies indes noch nicht mitbekommen zu haben.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 25.08.2020, 19:04 Uhr

    30er-Zonen ohne Geschwindigkeitskontrollen sind wie 50er-Zonen ohne Fussgängerstreifen, dh für ältere und behinderte Fussgänger unpassierbar.

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  • Profilfoto von H. Vogel
    H. Vogel, 25.08.2020, 14:33 Uhr

    Was soll an den Regeln in den Tempo-30-Zonen unklar sein?
    1. Fahrzeuge haben Vortritt und fahren maximal 30. Wo nichts anderes signalisiert ist, gilt Rechtsvortritt.
    2. Fussgänger haben keinen Vortritt. können aber überall queren. Hat es ausnahmsweise einen Fussgängerstreifen, muss dieser benützt werden.
    Ganz einfach, oder? Müsste sich nur noch die Stadt Luzern auch an die nationale Verordnung halten und die Fussgängerstreifen in den Tempo-30-Zonen demarkieren.

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      Thomas Scherer, 25.08.2020, 21:09 Uhr

      Schon mal zu Fuss unterwegs gewesen?
      Ob Sie jemals einem Kind zu erklären versuchte, wann es wo über die Strasse gehen kann und darf, wage ich gar nicht erst zu fragen.

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    Andreas Peter, 25.08.2020, 10:09 Uhr

    «Sie soll gleich mehrere Zwecke erfüllen:»
    Die wichtigsten Zwecke haben Sie vergessen: Das Schikanieren der Autofahrer und das zementieren linksgrüner Ideologie.
    Es gibt 30-er Zonen, welche intuitiv sinnvoll erscheinen, z.B. vor Schulen etc.
    Dann gibt es welche, wo man die Funktion des Lärmschutzes ein wenig nachvollziehen kann.
    Aber die meisten sind reiner Ideologie geschuldet.
    Besonders bescheuert finde ich 30-er Zonen, welche zusätzlich mit Verengungen oder «schlafenden Polizisten» versehen sind. Diese machen alles unnötig gefährlich, insb. auch für Velofahrer.
    Aber so etwas untersucht man natürlich nicht, da es so schön in die Schikane-Ideologie passt.

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      R. Schärli, 25.08.2020, 20:02 Uhr

      Man kann es kaum treffender formulieren!

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