Grünliberale fordern neues Gesetz

Exit im Altersheim: Sterbehilfe soll in Zug möglich sein

Wenn es nach der GLP-Fraktion geht, soll Sterbehilfe in allen Zuger Pflegeinstitutionen per Gesetz möglich sein. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Die GLP-Fraktion des Zuger Kantonsrats will gesetzlich vorschreiben, dass es in den hiesigen Pflegezentren möglich sein muss, mit Sterbehilfe aus dem Leben zu gehen. Bei den Alterszentren Zug ist man über den Vorstoss mässig begeistert.

In der Schweiz ist die Beihilfe zum Selbstmord nicht strafbar. Organisationen wie etwa Exit ist es erlaubt, jemandem durch die Beschaffung einer tödlichen Substanz Hilfe zum Suizid zu leisten, solange ihnen keine selbstsüchtigen Motive vorgeworfen werden können.

Wenn es nach der Kantonsratsfraktion der Grünliberalen (GLP) geht, soll das Thema in Zug gesetzlich klarer geregelt werden. Mittels einer Motion fordern sie, dass Personen, die in Zuger Pflegeinstitutionen leben respektive sich dort aufhalten, «einen Rechtsanspruch auf den Beizug einer externen Organisation zwecks Inanspruchnahme eines assistierten Suizids, also Sterbehilfe erhalten».

Ein Gesetz auf Vorrat?

GLP-Kantonsrätin Tabea Estermann sagt auf Anfrage: «Es handelt sich bei der Sterbehilfe um ein Thema, das für viele unangenehm ist. Dennoch finden wir es wichtig und zeitgemäss, dass man sich dazu Gedanken macht.» Und weiter: «Für Betroffene ist der Entscheid, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, kein leichter. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Menschen einen schönen, würdevollen Abschied haben können, ohne dass sie dafür die Institution wechseln müssen.»

Konkrete Beispiele aus Zug, bei dem das passiert sei, kennt Estermann nicht. Ebenso kennt die Kantonsrätin keine Institution, bei der der Beizug von Sterbehilfe-Organisationen verboten wäre. Handelt es sich also um ein Gesetz auf Vorrat? «Das könnte man meinen. Doch es ist ein hochsensibles Thema. Schwierigkeiten aufgrund der mangelnden rechtlichen Sicherheit wären für Betroffene und Angehörige sehr einschneidend und würden daher auch nicht an die Öffentlichkeit getragen.»

Der Wunsch eines selbstbestimmten Lebens bis zum Schluss

Die Wiege des Vorstosses liegt bei der GLP-Gruppierung «Oldies for Future». Federführend diesbezüglich war Ingrid Hieronymi. Sie erklärt ihre Motivation fürs Thema wie folgt: «Die Bevölkerungsgruppe der ‹Senioren› verändert sich immer mehr, insbesondere seit die Babyboomer ins Rentenalter kommen.» Diese Gruppe sei nicht mehr bereit, mit althergebrachten und auferzwungenen Angeboten wie Lottonachmittagen und Jassrunden abgespeist zu werden.

«Zum Recht auf Selbstbestimmung gehört auch das Recht, selber zu bestimmen, wann und wie man aus dem Leben scheiden möchte.»

Ingrid Hieronymi, GLP-Mitglied

«Die neu ‹heranwachsende› Generation der Älteren will auch in den Alters- und Pflegeheimen nicht mehr nach Schema X behandelt werden und beispielsweise immer abends um 17.30 Uhr das Abendessen einnehmen müssen», so Hieronymi. Es handle sich um eine Generation, die es gewohnt sei, weitestgehend selber zu bestimmen. «Zum Recht auf Selbstbestimmung gehört auch das Recht, selber zu bestimmen, wann und wie man aus dem Leben scheiden möchte.»

Da gehört ihres Erachtens auch das Recht auf einen assistierten Altersfreitod mit Exit oder einer anderen Sterbehilfeorganisation dazu. Heute sei es jeder Heimleitung freigestellt, ob sie in ihrer Institution Organisationen wie Exit Zutritt gewähren möchte. Um diese Willkür zu verhindern, bedürfe es einer Anpassung des Gesundheitsgesetzes.

Zuger Pflegeheime lassen Sterbehilfe zu

Peter Arnold, der Geschäftsleiter der Stiftung Alterszentren Zug, sagt zum Thema: «In unseren drei Alterszentren ist es möglich und erlaubt, mithilfe einer Sterbehilfe-Organisation aus dem Leben zu gehen. Wir fördern dies jedoch nicht und kommunizieren dies auch nicht aktiv.»

Dem Vorstoss steht er kritisch gegenüber. «Wir möchten nicht zu ‹Sterbehäusern› werden, in die ältere Menschen kurzfristig eintreten, um aus dem Leben zu scheiden.» Deshalb bestehe in den Alterszentren eine Mindestaufenthaltsdauer: So haben neue Bewohner genügend Zeit, um sich an die veränderte Lebenssituation zu gewöhnen und vielleicht auch neuen Mut zu fassen. «Wir möchten nicht, dass jemand nur mit dem Ziel, mit Exit zu sterben, in eines unserer Alterszentren einzieht. Dennoch kann eine solche Situation in Ausnahmefällen – also in sehr schwierigen Lebenssituationen – vorkommen.»

Jährlich vier Sterbehilfe-Fälle in den Zuger Pflegeheimen

In den drei Zuger Alterszentren mit ihren insgesamt 240 Betten komme es durchschnittlich drei- bis viermal im Jahr vor, dass Menschen mithilfe einer Sterbehilfe-Organisation Suizid begehen. «Die betroffene Person und deren Angehörige müssen alles selber organisieren, wir unterstützen sie dabei nicht. Zudem müssen sie zum Schutz unserer Mitarbeitenden die Zentrumsleitung über den geplanten Sterbezeitpunkt informieren», sagt Arnold.

«Ob jemand mit Exit aus dem Leben gegangen ist oder ob es sich um einen natürlichen Tod gehandelt hat, erfahren die anderen Bewohnenden nicht. Die Sterbehilfe erfolgt sehr diskret. Für die Mitarbeitenden sind solche Situationen dennoch nicht leicht und können belastend sein.»

«Für uns macht es keinen Unterschied, ob ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wird: Die Bedingungen, welche die GLP-Fraktion fordert, sind bei uns sowieso gegeben.» Dennoch ist sich Arnold bewusst, dass das Thema des assistierten Suizids in Pflegeheimen in Anbetracht der immer älter werdenden Gesellschaft künftig stärker in den Fokus geraten könnte.

Verwendete Quellen
  • Definition des Bundes bezüglich Sterbehilfe in der Schweiz
  • Telefongespräch mit Tabea Estermann
  • Schriftlicher Austausch mit Ingrid Hieronymi
  • Telefonischer Austausch mit Peter Arnold
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