Rückzonungen in Luzerner Gemeinden

«Es ist meine Hoffnung, dass wir für den Boden endlich mehr Sorge tragen»

Raimund Rodewald ist Geschäftsführer Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL). (Bild: zvg)

Raimund Rodewald beobachtet als Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz seit geraumer Zeit, wie Kantone und Gemeinden das Raumplanungsgesetz umsetzen. Wir haben mit ihm über Rückzonungen, Entschädigungen und Landschaftsinitiativen gesprochen.

Eine Familie aus Greppen, deren Familienerbe entwertet wird (zentralplus berichtete). Zahlreiche Landbesitzer in Vitznau, Weggis oder Schwarzenberg, die Bauland verlieren. In 21 Gemeinden in Luzern müssen rund tausend Grundeigentümer insgesamt 67 Hektaren Bauland rück- oder auszonen. Die Umsetzung stösst in vielen Luzerner Gemeinden auf Widerstand (zentralplus berichtete).

Dabei geht schnell vergessen: Luzern gehört zu den Kantonen, die schon früh auf die Umsetzung der Bodenstrategie des Bundes pochen, während andere noch kaum Anstrengungen in diese Richtung unternommen haben.

zentralplus: Raimund Rodewald, wie beurteilen sie das Vorgehen des Kantons Luzern bei den Rückzonungen?

Rodewald: Der Kanton Luzern hat die Grundsätze der Strategie des RPG 1 sehr gut an die Hand genommen. Seitens Kanton ist das Vorgehen konsequent und kohärent, auf einer Linie mit dem Bundesgesetz. Zudem gehört der Kanton Luzern zu den ersten, welche die Anpassungen angehen.

zentralplus: Was heisst das konkret?

Rodewald: Die Gemeinden sind daran, ihre Siedlungsleitbilder an das Gesetz anzupassen. Um diese durchzubringen, müssen sie Rückzonungen einplanen, damit diese Leitbilder dem Raumplanungsgesetz entsprechen – Stichwort: verdichten. Den ländlichen Gemeinden hilft dabei, dass sie in den vergangenen Jahren Geschäftsführer eingesetzt haben, die den Gemeinderat von Alltags- und Routinegeschäften entlasten.

«Grundsätzlich hilft es vielen Gemeinden, wenn der Kanton wie jüngst nun in Altbüron deutliche Vorgaben machen würde.»

zentralplus: Trotzdem gibt es grossen Widerstand in den Gemeinden. Sei es in Schwarzenberg, Weggis oder Vitznau, die Gemeindevertreter müssen sich einiges anhören.

Rodewald: Es ist symptomatisch. In vielen Gemeinden wurde grosszügig Bauland auf Reserve eingezont. Das macht es für die Behörden natürlich schwierig, die Vorgaben umzusetzen. Der Kanton gibt den Gemeinden zudem nicht vor, wo sie Rückzonungen vornehmen müssen. Der Druck ist gross. Manchmal drückt der Kanton auch ein Auge zu. Der Regierungsrat musste jüngst in Altbüron eingreifen und Planungszonen erlassen, damit die Rückzonungsgebiete nicht noch schnell überbaut werden. Es ist schwierig, den Überblick zu behalten.

zentralplus: Ist deshalb die Versuchung gross, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und dort rückzuzonen, wo es einfach ist, nicht dort, wo nötig?

Rodewald: Das kommt sicher vor. Was auf keinen Fall passieren sollte, ist, dass im Zentrum rückgezont wird, um bauen in der Peripherie zu ermöglichen.

zentralplus: Solche Fälle gibt es?

Die Gemeinde Wauwil macht seit Längerem Werbung damit, Bauland an bester Hanglage anzubieten, also an der Peripherie. Nun muss die Gemeinde aber Land rückzonen. Dennoch ist das Motto «Wauwil wächst» weiterhin auf der Website aufgeschaltet.

«Ich würde es begrüssen, wenn die Rechtssprechung so angepasst würde, dass auch Teilentschädigungen möglich würden.»

zentralplus: Gibt es auch weitere Beispiele, die Sie nachdenklich stimmen?

Rodewald: Wir können auch noch Sörenberg hinzunehmen. Im Entlebuch unterstützt der Landschaftsschutz die Entwicklung zur Biosphäre, die Region ist vorbildlich, was den Landschaftsschutz anbelangt. Aber die Gemeinde Flühli nimmt den Ball der Rückzonungen leider nicht konsequent genug auf. Stattdessen treibt sie baulich-touristische Projekte weiter voran. Dabei ist die Umsetzung des RPG für die Gemeinde eine Chance.

Zentralplus: Es gibt aber auch Orte, wo es gut geklappt hat, oder?

Rodewald: Das Beispiel Wallis zeigt, dass die Gemeinden sich zusammenraufen können: Dort wurde in Tourismusregionen rückgezont – also quasi in den sauren Apfel gebissen – damit die Siedlungen sich weiter entwickeln können. Auch das aargauische Beinwil am See hat sich jüngst für Planungszonen und Rückzonungen entschieden.

zentralplus: Es gibt aber auch in Luzern positive Beispiele?

Rodewald: Ja. In Adligenswil, wird das RPG aufgrund eines Bundesgerichtsurteils modellhaft umgesetzt. Grundsätzlich hilft es vielen Gemeinden, wenn der Kanton wie jüngst in Altbüron deutliche Vorgaben machen würde.

zentralplus: Helfen würde sicher auch, wenn die Gemeinden dort, wo es zu Enteignungen kommt, Entschädigungen aussprechen könnten.

Rodewald: Dafür ist ja der Mehrwertabgabefonds gedacht. Wo neu eingezont wird, muss ein Teil des Wertgewinns einbezahlt werden. Das eine Problem ist, dass der Fonds erst dann geäufnet wird – also dass das Geld erst dann fliesst–, wenn das Land umgezont ist. Für Entschädigungen braucht es das Geld aber früher.

zentralplus: Und das andere?

Rodewald: Zudem sieht das Gesetz aktuell keine Teilentschädigungen vor – eine Enteignung ist entweder entschädigungspflichtig oder eben nicht. Ich würde es begrüssen, wenn die Rechtssprechung so angepasst würde, dass auch Teilentschädigungen möglich würden.

zentralplus: Ihr grosses Thema ist die Bodennutzung. Während wir über Rückzonungen in Siedlungsgebieten treiben sie auf nationaler Ebene die Landschafts-Initiative an. Luzern hat da die Kulturlandinitiativen.

Rodewald: Die Landschaftsinitiative betrifft die Begrenzung des Bauens ausserhalb der Bauzonen. Auch die Kulturlandinitiativen in Luzern gehen in diese Richtung. Der Druck auf die Fruchtfolgeflächen (Ackerland, Anm. d. Red.) ist im Kanton besonders hoch. Wir unterstützen diese Initiative, auch wenn wir uns primär auf die nationale Ebene, wo die Revision des Raumplanungsggesetzes aktuell ansteht, konzentrieren.

Zentralplus: Was ist ihr Appell?

Rodewald: Wir müssen wegkommen von der Idee, dass jeder Schweizer ein Recht auf ein Eigenheim hat. Sehr viele Umweltprobleme der Schweiz beruhen auf der nicht nachhaltigen Bodennutzung: Sei es wegen Pestiziden oder weil alles verbaut wird. Wir haben für jeden noch unverbauten Quadratmeter eine Verantwortung. Es ist meine Hoffnung, dass wir für den Boden, quasi unser Lebensfundament, endlich mehr Sorge tragen.  

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