Tabubruch im Kantonsrat

Mitte Zug will von «Frauenleiden» nichts mehr hören

Rund eine von zehn Frauen leidet an Endometriose – was sich in starken Menstruationsschmerzen zeigt. (Symbolbild: Adobe Stock)

Der Schmerz vieler Frauen soll nicht länger ein Tabu sein: Die Zuger Mitte-Kantonsrätin Mirjam Arnold will, dass die Unterleibs-Erkrankung Endometriose stärker thematisiert wird. Und sie fordert ein starkes Bekenntnis der Regierung.

Obwohl eine von zehn Frauen an Endometriose leidet, bleibt die Krankheit lange unentdeckt. Nicht selten dauert es mehrere Jahre, bis die Diagnose auf dem Tisch liegt. Dazwischen liegen Jahre, in denen die Frauen leiden – und nicht wissen wieso. Zur Ungewissheit kommt das Gefühl, von den Ärzten nicht ernst genommen zu werden.

Endometriose ist eine gutartige Unterleibs-Erkrankung. Die Schmerzen entstehen durch gutartige Wucherungen aus Gewebe der Gebärmutterschleimhaut. Die Wucherungen befinden sich häufig in den Eileitern, an den Eierstöcken oder dem Darm. Diese sogenannten Endometrioseherde wachsen mit jeder Periode – und beginnen zu bluten, wenn die Menstruation einsetzt. Die krampfartigen Schmerzen können so stark sein wie Geburtswehen.

Die Zuger Mitte-Kantonsrätin Mirjam Arnold will, dass Endometriose nicht länger ein gesellschaftliches Tabu ist. Gemeinsam mit ihrem Parteikollegen Heinz Achermann hat sie vergangene Woche eine Interpellation zum Thema gynäkologische Krankheiten eingereicht.

Endometriose: Mirjam Arnold erhofft sich ein klares Bekenntnis aus Zug

«Grundsätzlich sind gynäkologische Krankheiten immer noch ein Tabuthema, über das nicht gross gesprochen wird», sagt Mirjam Arnold auf Anfrage. In Gesprächen merkte sie, dass viele nicht einmal wissen, was Endometriose genau ist. «Und das, obwohl unglaublich viele Frauen davon betroffen sind.» Die Krankheit bleibt oft lange unentdeckt, hat aber massivste Einschränkungen auf das Leben der betroffenen Frauen, so die 34-Jährige.

Mitte-Kantonsrätin Mirjam Arnold.

Dennoch hört man von vielen Betroffenen, dass sie von Ärzten und Gynäkologinnen nicht ernst genommen werden. Und viele werden damit vertröstet, dass Unterleibsschmerzen während der Menstruation normal seien. Deswegen sei es wichtig, dass Gynäkologen, aber auch Betreuungspersonen wie Lehrerinnen genügend aufgeklärt sind. «Denn so starke Mens-Schmerzen sind nicht normal», betont Arnold.

«Ich erhoffe mir ein klares Bekenntnis von der Regierung, Endometriose nicht nur als ein Frauenleiden abzustempeln, sondern als ein gesellschaftliches Problem anzuerkennen.» So wie das der französische Präsident Emmanuel Macron anfangs dieses Jahres gemacht hat.

In Frankreich macht sich der Präsident für eine grosse Kampagne stark

«Ce n'est pas un problème de femmes, c'est un problème de société» (Das ist nicht ein Frauenproblem, sondern ein gesellschaftliches): Mit diesen Worten hat Macron angekündigt, dass er eine nationale Aufklärungskampagne zu Krankheitsbild und Therapien plant.

Arnold und Achermann fragen in ihrer Interpellation, ob die Zuger Regierung bereit sei, «solche Krankheiten vom Stigma des ‹Frauenleidens› zu befreien und als gesellschaftliches Problem anzuerkennen».

Weiter fragen sie die Regierung, wie die Früherkennung von gynäkologischen Krankheiten unterstützt wird und wie die Präventionspolitik des Kantons im Bereich Endometriose ausgestaltet ist – und wie hohe Beiträge sie für Präventionskampagnen und die Aufklärung spricht.

HPV: Werden auch genügend junge Männer für die Impfung sensibilisiert?

Die Mitte-Politikerin und der Mitte-Politiker wollen aber auch Antworten zum Thema Humane Papillomviren (HPV). Fast jeder steckt sich mindestens einmal in seinem Leben mit HPV an. In den meisten Fällen heilt die sexuell übertragbare Infektion unbemerkt und ohne Folgen von alleine. HPV kann aber auch zu Gebärmutterhalskrebs führen (zentralplus berichtete).

Gegen die Viren kann man sich impfen – im besten Fall vor dem ersten sexuellen Kontakt. Arnold und Achermann fragen die Regierung in ihrer Interpellation, inwiefern eine Strategie zur Impfung gegen HPV vorliegt und ob sich diese genauso an Männer richtet. Denn Männer können sich gleichermassen mit HP-Viren infizieren.

Der Bundesrat sieht die Verantwortung bei den Kantonen

Auch auf Bundesebene wurden in den letzten Jahren mehrere Vorstösse zu gynäkologischen Krankheiten eingereicht. Hauptsächlich mit der Forderung, die Forschung im Bereich der Endometriose stärker zu fördern. Doch die meisten Forderungen wurden abgeschmettert oder sind versandet. «Es ist schade, dass der Bundesrat bis anhin eine zurückhaltende und ablehnende Haltung gezeigt hat», so Arnold. Zudem hat der Bund in seinen Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass er Kantone oder auch medizinische Fachgesellschaften in der Pflicht sieht.

«Ich hoffe, dass die Interpellation auch dazu beiträgt, dass wir über Themen, über die wir sonst lieber schweigen, reden», sagt Arnold. «Endometriose und HPV dürfen keine Tabuthemen mehr sein.»

Jetzt nimmt sie zuerst einmal die Regierung in die Pflicht, um zu sehen, ob der Kanton Zug genügend macht. Und um abzuschätzen, ob die finanziellen Mittel, die er in Aufklärung und Prävention investiert, ausreichen – oder ob es mehr braucht.

Verwendete Quellen
  • Interpellation Mirjam Arnold und Heinz Achermann
  • Telefonat mit Mirjam Arnold
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Philipp
    Philipp, 29.06.2022, 10:59 Uhr

    Ich bin dafür dass man sich in der Politik mal Gedanken macht warum gewisse Frauen abends so oft Kopfweh haben. Jetzt mal im Ernst, ist es wirklich nötig dass sich die Politik um Probleme wie Menstruationsbeschwerden kümmert? Es gibt wichtigeres zu regeln. Wenn man ein körperliches Problem hat, geht man zum Doktor.

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    Marc, 29.06.2022, 09:53 Uhr

    Naja, ein Männerleiden ist es ja wohl nicht.

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  • Profilfoto von bruguas denolfo
    bruguas denolfo, 28.06.2022, 19:50 Uhr

    Jemand sollte vielleicht Mirjam Arnold darauf hinweisen dass es sich hier nicht um den diskriminierenden Hassausdruck «Frauenleiden» sondern um «Personen mit Gebärelter* Leiden» handelt. Soviel Korrektheit muss heutzutage schon sein. Oder will sie etwa Personen mit Gebärelter die sich nicht als Frau identifizieren von der Vorsorge ausschliessen? Bin auch von der Autorin enttäuscht dass das im Artikel nicht explizit angesprochen wird. *Mutter ist selbstverständlich auch so ein binormativer, diskriminierender Ausdruck, Elter ist viel besser.

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    • Profilfoto von Ludwig Bechstein
      Ludwig Bechstein, 28.06.2022, 20:46 Uhr

      «Personen mit Gebärelter* Leiden. Soviel Korrektheit muss heutzutage schon sein.» Echt jetzt? You made my day!

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