Transparenz statt Dunkelkammer

Endlich! Luzern ebnet Weg für Öffentlichkeitsprinzip

Die Regierungsräte, unter ihnen der federführende Justiz- und Sicherheitsdirektor Paul Winiker (Mitte), begrüssen eine offene Verwaltung. (Bild: ida)

Fertig Geheimniskrämerei: Nach mehreren gescheiterten Anläufen stehen die Ampeln für das Öffentlichkeitsprinzip in Luzern auf Grün. Wie gläsern die Verwaltung wird, dürfte aber noch zu reden geben.

Wenn sich der Luzerner Kantonsrat in vielen Dingen nicht einig ist, so doch immerhin in einer Sache: Sickert wieder irgendwo eine diskrete Information an die Öffentlichkeit, ärgert man sich links und rechts genauso darüber auf wie in der Mitte. So zuletzt vergangene Woche, als es um die Schliessung von Polizeiposten in den Gemeinden ging, eine Reform, deren noch geheime Details das «Regionaljournal» publik machte.

Einzig Hans Stutz (Grüne) lobte die Medien für ihre Arbeit. Und er nutzte die Gelegenheit, um – einmal mehr – darauf hinzuweisen, dass Luzern immer noch kein Öffentlichkeitsprinzip kenne. «Wir sind immer noch ein Kanton, der ein obrigkeitsstaatliches Informationsverhalten hat, der erst dann informiert, wenn Entscheide gefallen sind.» So lange dies so bleibe, werde es immer wieder zu Indiskretionen kommen (zentralplus berichtete).

Ob das Öffentlichkeitsprinzip effektiv etwas am Kommunikationsverhalten der Regierung bei der Polizeireform geändert hätte, sei dahingestellt. Fakt ist aber: Als einer der letzten Kantone fehlt in Luzern das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung. Seit es 2006 bei der Bundesverwaltung in Kraft trat, haben immer mehr Kantone vom Grundsatz der Geheimhaltung zu mehr Transparenz umgeschaltet.

Das Öffentlichkeitsprinzip steht aber nicht nur für einen Kulturwandel in der Verwaltung. Es ermöglicht es konkret Bürgern und Journalistinnen, auf Gesuch hin Zugang zu amtlichen Informationen zu verlangen. Ob die Agenda der Regierung, Dokumente zu Entscheiden in der Corona-Politik oder die Machbarkeitsstudie eines Grossprojekts: Dem Grundsatz nach ist alles öffentlich, was nicht ausdrücklich als geheim gilt.

Regierung will Motion erheblich erklären

Nun zeichnet sich auch im Kanton Luzern und damit in der kantonalen Verwaltung ein Paradigmenwechsel ab. Die staatspolitische Kommission des Kantonsrats fordert mittels Motion die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips. Und sie rennt bei der Regierung offene Türen ein. Denn sie begrüsst diesen Vorstoss, wie sie am Dienstagmorgen in ihrer Stellungnahme festhält.

«Jetzt ist der Zeitpunkt da, das Anliegen wieder aufzunehmen.»

Irene Keller, FDP-Kantonsrätin

Es sei unstrittig, dass das Öffentlichkeitsprinzip zur Verbesserung des Vertrauens zwischen einzelnen Einwohnern und der Verwaltung beitragen könne, wiederholt sie ihre Haltung aus einem früheren Bericht. Denn schon damals, im Jahr 2020, stand für den Regierungsrat fest: Die Ausnahmestellung Luzerns unter den Kantonen sei heute nur noch schwer begründbar.

Spardebatte liess Vertrauensfrage aufkommen

Das überrascht kaum. Schon 2015 wollte der bürgerliche Regierungsrat den Kulturwandel vollziehen. Doch damals lehnte die bürgerliche Mehrheit im Kantonsrat die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips ab. Vorwiegend aus finanziellen Gründen.

Bei der angespannten Finanzlage des Kantons Luzern wolle eine Mehrheit kein Risiko eingehen, zusätzliche Kosten auszulösen, sagte die damalige SPK-Präsidentin und heutige Ständerätin Andrea Gmür (Die Mitte) in der Debatte. SVP, FDP und die Mitte teilten die Bedenken, auf das Geschäft wurde gar nicht eingegangen (zentralplus berichtete).

Man mag es als Ironie des Schicksals bezeichnen, dass es letztlich finanzielle Gründe waren, die das Öffentlichkeitsprinzip zurück ins Spiel brachten. Denn unter den Spardebatten im Jahre 2016 und 2017 litt in Luzern das Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger – sinnbildlich dafür stand das Nein zur geplanten Steuererhöhung im Frühling 2017. Es folgte eine Analyse der politischen Kultur im Kanton Luzern. Mit dem Ergebnis – und damit findet der Exkurs sein Ende –, dass das Öffentlichkeitsprinzip eine Möglichkeit wäre, das Vertrauen in die öffentlichen Organe zu stärken.

FDP ist dafür, die Mitte ist noch zögerlich

Inzwischen zeichnet es sich ab, dass nicht nur SP, Grüne und GLP für die Einführung stimmen. Sondern die Motion mithilfe von Bürgerlichen die nötige Hürde im Kantonsrat nehmen dürfte. «Die Chancen stehen sehr gut», sagt etwa FDP-Kantonsrätin Irene Keller, selber Mitglied der Staatspolitischen Kommission. Die FDP werde die Erheblicherklärung der Motion grossmehrheitlich (wenn nicht sogar einstimmig) unterstützen.

Keller betont, ihre Fraktion sei nie grundsätzlich gegen mehr Transparenz gewesen, in der Vergangenheit sei das Anliegen in erster Linie aus finanziellen Gründen auf die lange Bank geschoben worden. Inzwischen schreibt der Kanton bekanntlich Millionengewinne. «Jetzt ist der Zeitpunkt da, das Anliegen wieder aufzunehmen», sagt die FDP-Politikerin, «zumal Luzern einer der letzten Kantone ohne Öffentlichkeitsprinzip ist.» 

«Wichtig ist uns, dass wir kein Bürokratiemonster schaffen, sondern eine pragmatische Lösung finden.»

Adrian Nussbaum, Mitte-Fraktionschef

Weniger euphorisch ist die Stimmung bei der Mitte-Fraktion. Doch auch sie will sich der Diskussion nicht verschliessen, sagt Fraktionschef Adrian Nussbaum. «Auch wir anerkennen, dass das Öffentlichkeitsprinzip das Vertrauen in Politik und Verwaltung stärken kann.» 

Die Krux, so viel ist bereits jetzt klar, liegt letztlich im Detail. Sowohl Mitte wie auch FDP betonen, dass sich die Luzerner Lösung auf die Erfahrung von Bund und anderen Kantonen stützen soll. «Wichtig ist uns, dass wir kein Bürokratiemonster schaffen, sondern eine pragmatische Lösung finden, bei der Kosten und Nutzen in einem guten Verhältnis stehen», sagt Adrian Nussbaum.

Vorreiter bei den Gemeinden

Doch trotz diesem Ringen um Details zeichnet es sich ab, dass es jetzt nach mehreren gescheiterten Versuchen einen Schritt weiter geht. Mit den Stimmen der FDP und Teilen der Mitte dürfte die Motion der SPK im Kantonsrat erheblich erklärt werden. Als Nächstes wäre dann wieder die Regierung am Zug. Sie müsste die gesetzliche Grundlage für das Öffentlichkeitsprinzip zu schaffen.

Währenddessen schreiten manche Gemeinden mit ihren eigenen Verwaltungen übrigens bereits voran. Kriens und Ebikon kennen das Öffentlichkeitsprinzip seit Jahren und machen gute Erfahrungen damit (zentralplus berichtete). Seit Anfang 2022 gilt es auch in Sursee. In der Stadt Luzern hat das Parlament der Einführung im Grundsatz auch bereits zugestimmt, jetzt fehlt noch die Umsetzung (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Stellungnahme des Luzerner Regierungsrats zur Motion 636 der Staatspolitischen Kommission des Kantonsrats
  • Planungsbericht über die politische Kultur und Zusammenarbeit im Kanton Luzern von 2020
  • Botschaft des Regierungsrats zur Einführung des Öffentlichkeitsprinzips im Kanton Luzern vom Jahr 2015
  • Gespräche mit Adrian Nussbaum, Fraktionchef Mitte, und Irene Keller, Kantonsrätin FDP
  • Frühere Medienberichte
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9 Kommentare
  • Profilfoto von Adaff
    Adaff, 01.02.2022, 21:21 Uhr

    Es kommt immer wieder vor, dass etwas von der Administration finanziert wird, bei dem man denken muss «Hei, wele Hornochs het das jetz wider freiggäh und wie ich dä uf d’Idee cho, dass das öppis guets hätt sölle sii?». Ich hoffe mal, dass dies in Zukunft durch diese dringend notwendige Änderung weniger geschehen kann.

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    Hanswurst, 01.02.2022, 18:39 Uhr

    Nachdem die Stadtgemeinden Kriens, Ebikon und seit Jänner auch Sursee löblicherweise das Öffentlichkeitsprinzip eingeführt haben, will auch der Kanton Luzern das Attribut der „Dunkelkammer der Schweiz“ (SRF) loswerden. Gut so. Was aber ist diesbezüglich mit der Stadt Luzern los, die sich so gerne als „progressiv“ darstellt? Tippt mein kleiner Finger richtig, dass das Öffentlichkeitsprinzip einigen Stadträt:innen und Stadtparlamentarier:innen unangenehm sein könnte – lieber Tampons für Girls, Gender-WCs für 0.01% der Kinder, krümelige Ökoflächen und Veloparkplätze als die längst überfällige Umsetzung eines wirklich demokratisches Grundrechts?

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    Larvente, 01.02.2022, 12:57 Uhr

    Oh, oder einmal Einsicht in die Förderkonzepte der Schulen haben, welche per Verordnung erstellt werden müssen.
    Ich freue mich!

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  • Profilfoto von Larvente
    Larvente, 01.02.2022, 12:45 Uhr

    Endlich!! Das Vorgaukeln hat ein Ende!
    Das DVS sollte nun rasch aufräumen und organisieren. Hier wird viel Schlungg ans Tageslicht kommen.
    ZB. Begründung, weshalb denn die Diagnosekriterien für Teilleistungsschwächen herab gesetzt wurden. Entgegen den WHO Richtlinien, welche in der ganzen Schweiz gelten würden.
    Bis jetzt musste das DVS keine Begründung zu dieser Frage abgeben, denn: „Das sei Intern und im Kanton Luzernern Legal.“

    Wann tritt die Änderung denn in Kraft?

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    Marcel, 01.02.2022, 12:11 Uhr

    Endlich. Der Korruptionsgrad ist im Kanton Luzern bekanntlich hoch. Etwas mehr Transparenz tut dem Beamtenzirkel gut.

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    Alois Iten, 01.02.2022, 11:57 Uhr

    Das Argument mit den Kosten war und ist eine faule Ausrede. Dass das Öffentlichkeitsprinzip kaum Kosten verursacht, zeigen alle Beispiele aus anderen Kantonen, Bund oder auch Zug, das es vor kurzem einführte.

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    Estab Lishment, 01.02.2022, 10:23 Uhr

    Sind wir mal ehrlich…… Ändert sich dadurch etwas? NEIN!

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    Kasimir Pfyffer, 01.02.2022, 10:14 Uhr

    Wie genau kann man heute noch gegen Transparenz sein? Ah ja stimmt, 1000 Jahre Kirchen«kultur» des Wegschauens, Verheimlichens und Verschleierns.

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    oliver.heeb, 01.02.2022, 09:31 Uhr

    Ein wichtiger Schritt. In einem Kanton, wo das Prinzip «Söihäfeli-Söideckeli» quasi als geschütztes Kulturgut gilt, mehr als nur notwendig. Dass sich daher gerade «Die Mitte» schwer mit der Transparenz tut, ist keine Überraschung. Zentralplus hat dies vor einiger Zeit bereits am Beispiel von «Family-Offices» innerhalb der Verwaltung wunderbar dokumentiert. «Söihäfeli-Söideckeli» trägt viele Fratzen. Das kann man/frau mit beschönigenden Begriffen, wie «networking» nicht verbergen.

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