Burnouts und Kündigungen

Emmen: Im Sozialdepartement brennt’s

Das Sozialdepartement von Emmen ist am Anschlag. Jetzt will der Gemeinderat zusätzliche Ressourcen. (Bild: bic)

Weshalb laufen dem Sozialdepartement die Leute davon? Das wollte der Gemeinderat wissen und liess das Departement durchleuchten. Für ihn ist klar: Es braucht mehr Ressourcen – und zwar schnell.

Hohe Arbeitsbelastung, Chefwechsel, Kündigungen: Im Departement Soziales der Gemeinde Emmen blieb in den letzten Jahren kein Stein auf dem anderen. Kein Wunder, ist die Fluktuation unter den Mitarbeitenden hoch. 2019 betrug sie 24 Prozent, 2020 22 Prozent. Erst im letzten Jahr beruhigte sich die Situation im Departement, die Fluktuation sank auf 11,4 Prozent.

Doch dem Gemeinderat ist auch diese Zahl zu hoch. Sie stelle einen Belastungsfaktor für die Mitarbeitenden und die Departementsleitung dar. Wissen und Erfahrung gingen durch die personellen Wechsel verloren, schreibt er dazu in seinem Bericht an den Einwohnerrat. Mitarbeitende müssten viele Stellvertretungen auf sich nehmen, zugleich verschlinge die Personalrekrutierung und das Einarbeiten von Neuen viel Zeit und Geld.

Die belastende Situation im Sozialdepartement zeichnet sich auch bei den Krankheitstagen ab. Zwischen 2017 und 2020 waren Mitarbeitende im Schnitt 1’200 Stunden pro Jahr krank. 2021 waren es 3’700 Stunden – einerseits wegen der Corona-Pandemie, andererseits, weil die Mitarbeitenden überlastet waren und beispielsweise wegen Burnouts für längere Zeit ausfielen.

Neue Organisation soll entlasten

Jetzt reagiert der Gemeinderat. Er hat das Departement extern überprüfen lassen und kommt zum Schluss: «Die (…) Struktur des Departements ist nur bedingt geeignet, um die Anforderungen eines Sozialdiensts dieser Grössenordnung zufriedenstellend zu bewältigen.» Eine Entlastung aller Führungspersonen sei dringend notwendig.

Dazu will der Gemeinderat eine neue Hierarchiestufe zwischen Departements- und Teamleitung einführen: die Bereichsleitung. Sie soll vor allem im administrativen und personellen Bereich entlasten. Vorgesehen sind zwei Bereichsleiterstellen mit total 120 Stellenprozenten. Das kostet die Gemeinde rund 173’000 Franken pro Jahr.

«Diese Entlastung gibt den Mitarbeitenden Raum, um sich stärker mit den einzelnen Fällen auseinanderzusetzen.»

Thomas Lehmann, Direktor Soziales und Gesellschaft Gemeinde Emmen

Gleichzeitig erhofft sich der Gemeinderat durch die Aufstockung einen Spareffekt von 300’000 Franken pro Jahr. Dies, weil die Fallbearbeitung effizienter werde, heisst es im Bericht.

Weil sowohl Leitung als auch Mitarbeitende belastet respektive überlastet seien, sei es wichtig, dass die fehlenden Ressourcen schnellstmöglich besetzt würden. Antreten sollen die zwei neuen Bereichsleiterinnen ihre Stelle deshalb bereits Anfang Januar 2023.

Mehr Personal und trotzdem tiefere Kosten?

Das Emmer Sozialdepartement ist kein Einzelfall. Auch andere Sozialämter ächzen unter einer hohen Arbeitslast und vielen personellen Wechseln – zum Beispiel jenes der Stadt Kriens (zentralplus berichtete). Dabei ist es nicht nur die schiere Zahl an Sozialhilfedossiers, welche die Sozialarbeiter auf Trab hält. «Die Komplexität der Fälle spielt eine ebenso wichtige Rolle», sagt Thomas Lehmann, Direktor Soziales und Gesellschaft in Emmen.

Die Gemeinde hat die Zahl der Dossiers, die eine Sozialarbeiterin betreut, in den letzten Jahren reduziert. Dazu stellte sie neues Personal ein. Das Ziel: 75 Fälle pro 100-Prozent-Pensum. Davon ist Emmen allerdings noch ein Stück entfernt: 96 Dossiers kommen heute auf einen Vollzeitangestellten.

«Soziale Arbeit ist eine anspruchsvolle Tätigkeit im Spannungsfeld zwischen hohen Anforderungen und knappen Ressourcen. »

Edith Lang, Leiterin Dienststelle Soziales und Gesellschaft Luzern

«Diese Entlastung gibt den Mitarbeitenden Raum, um sich stärker mit den einzelnen Fällen auseinanderzusetzen», so Lehmann. Doch nicht nur die Arbeitsbelastung nimmt dadurch ab – die Zufriedenheit mit dem Beruf steigt und die Sozialhilfekosten pro Fall reduzieren sich. Das legt eine Studie der ZHAW nahe.

Emmen hatte ähnliche Erfahrungen gemacht: Dank mehr Personal sind die Kosten im Bereich der wirtschaftlichen Sozialhilfe in den letzten Jahren gesunken. Dies, weil die Klienten weniger lang unterstützt werden müssen und früher ein höheres Einkommen erzielen.

Kanton kennt das Problem, kann aber nicht viel tun

Beim Kanton Luzern ist man sich der Problematik der Sozialdienste bewusst. Konkrete Zahlen zu den Fluktuationen würden aber nicht erhoben, schreibt Edith Lang, Leiterin der Dienststelle Soziales und Gesellschaft, auf Anfrage. Die Aufsicht der Sozialdienste obliege den Gemeinderäten.

«Soziale Arbeit ist eine anspruchsvolle Tätigkeit im Spannungsfeld zwischen hohen Anforderungen und knappen Ressourcen. Studien zeigen, dass Mitarbeitende mit einer guten Aus- und Weiterbildung damit grundsätzlich besser umgehen können und zufriedener sind», so Lang. Investitionen in gut qualifizierte, erfahrene und motivierte Mitarbeitende würden sich daher lohnen.

Die Massnahmen zur Senkung der Anzahl Fälle pro Sozialarbeiter steigere die Motivation der Mitarbeitenden und die Erfolgsquote der beruflichen und sozialen Integration der Klienten. «Auch hier liegt die Zuständigkeit bei den Gemeinden. Der Kanton unterstützt sie mit entsprechenden Informationen», so Lang.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Rashid Dostum
    Rashid Dostum, 30.08.2022, 15:07 Uhr

    Die öffentlichen Verwaltungen und die Beratungsindustrie: Eine ganz grosse und sehr ergiebige Liebe! Dafür hat es immer reichlich Budget. Gut befüllte Steuertöpfe.

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  • Profilfoto von Rene
    Rene, 30.08.2022, 09:39 Uhr

    Die Materie wird immer komplexer aber mehr Ressourcen gibt es nicht. Hinzu kommt die Anspruchshaltung der Bevölkerung auf eine Vollkaskoversicherung durch den Staat (v.a. gebürtige Schweizer). Kosten darf es aber nichts.

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