Unkonventionelle Kandidatur

«Emmen am See» wirbelt weiter – provokant und munter

Raphael Beck auf der Industriebrache des Viscose-Areals. (Bild: ewi)

Obwohl Raphael Beck in der Ersatzwahl für den Gemeinderat die wenigsten Stimmen holte, steigt er am 12. März in den zweiten Wahlgang ein. Derweil macht die Bewegung «Emmen am See» mit provokativen Aktionen weiter. Was macht diese Bewegung so faszinierend?

In der Gemeinde Emmen passieren momentan merkwürdige Dinge. So wurde etwa am Abend nach den Gemeinderatswahlen die Ortstafel Emmen Dorf ausgewechselt. Emmen wurde damit kurzerhand zu «Emmen am See» erklärt. Die Gemeinde liess das neue Schild umgehend demontieren. Seither steht der leere Rahmen am Strassenrand und die Gemeinde treibt die Frage um, wo die entfernte Tafel ist.

Aus Emmen wurde über Nacht Emmen am See. (Bild: zvg)

Die Bewegung «Emmen am See» schickte am 27. November mit Raphael Beck ihren Kandidaten für den frei werdenden Gemeinderatsposten in den Wahlkampf. Von insgesamt fünf Kandidaten schnitt er mit 127 Stimmen als Letzter ab (zentralplus berichtete). Die Stimmbeteiligung war mit 26 Prozent sehr tief. Kurz nach den Wahlen machte die Bewegung bekannt, dass sie ihren Kandidaten am 12. März 2023 in den zweiten Wahlgang schicken wird. «Jetzt geht es darum, die ferngebliebenen 74 Prozent mit Wa(h)lgesang an die Urne zu locken», sagt Raphael Beck im Gespräch mit zentralplus.

Wer, was und wo ist «Emmen am See»?

«Emmen am See» geht es darum, ein neues Narrativ um den Militärflugplatz zu kreieren und diesen irgendwann durch ein Naherholungsgebiet mit See zu ersetzen. «Es geht darum, dass die Menschen wieder lernen, Geschichten zu erzählen und ihnen auch zuzuhören», sagt Raphael Beck (zentralplus berichtete).

Die Bewegung tritt seit der Gründung vor drei Jahren immer wieder mit aussergewöhnlichen Aktionen in Erscheinung. Und doch weiss niemand so recht, wer «Emmen am See» ist. Wir besuchen den gelernten Zimmermann und wissenschaftlichen Illustrator mit Hochschulabschluss in der Gemeinschaftswerkstatt in Emmenbrücke.

Mit diesem Plakat schickte die Bewegung Raphael Beck ins Rennen für den Gemeinderat.

«Emmen am See ist überall da, wo das Leben pulsiert und schöne Sachen entstehen. Zum Beispiel hier an der Emmenweidstrasse», sagt Raphael Beck. «In unserem kleinen Wirtschaftsimperium mit vielen Werkstätten und Bildungsräumen sprudelt es vor Ideen, Fantasie und Projekten. Aus wie vielen Menschen «Emmen am See» besteht, kann ich aber nicht sagen, da nicht alle an die Öffentlichkeit wollen.»

Auf der schön gestalteten und laufend aktualisierten Website findet man jedoch Namen. Menschen, die mit bunten Aktionen die Bewegung unterstützen. Doch «Emmen am See» ist vor allem ein sehr fluides Gebilde von Menschen. Ohne starre Strukturen, aber mit klaren Werten: für eine starke Demokratie, für Meinungsfreiheit und eine gesunde Gesellschaft.

Ein Freigeist, der mit den Farben und Formen der Freude malt

Der 44-Jährige, dem es mit seiner Kandidatur um mehr als blosse Provokation geht, ist ein wacher und gut informierter Gesprächspartner. «Emmen steht es offen, mit Fantasie und Mut, die Herausforderungen der Zeit anzupacken und gegenüber Bund und Kanton eine klare Haltung einzunehmen.»

«Mit meiner Kandidatur meine ich es ernst.»

Raphael Beck

An Mut und Unerschrockenheit fehlt es ihm nicht. So konterte er dem Flugplatzkommandanten bei einem Gespräch, dass sie nicht über Sinn und Unsinn des Flugplatzes streiten müssten, weil der Flugplatz in «Emmen am See» schlicht und einfach nicht existiere. Strukturen der Macht interessieren den dreifachen Vater nicht; er sagt, er verbringe seine Zeit am liebsten mit seinen Kindern. Lieber malt er mit den Farben und Formen der Freude. Raphael Beck sagt aber auch: «Mit meiner Kandidatur meine ich es ernst.»

Humorloser Umgang mit lustigen Pixi-Büchlein

Als die Bewegung lustige Pixi-Büchlein für ihre grosse Vision in den Primarschulen verteilen wollte, wurde das schnurstracks verboten. Wollte man damit Minderjährige vor subversiver Infiltration schützen? Ist eine solche Reaktion nicht etwas gar humorlos und ängstlich? Schliesslich wäre die dort erzählte Geschichte von «Ämmenixa» eine gute Gelegenheit gewesen, um Kindern zu zeigen, dass Politik direkt mit unserem Alltag zu tun hat.

Raphael Beck sagt: «Wir sind gegen nichts und niemanden, sondern für einen See. Mit dem See als Rückhaltebecken würde auch gleich der 200 Millionen Franken teure Hochwasserschutz mit Renaturierung an der Reuss obsolet.» Wichtig zu wissen: Mit dem erwähnten Projekt plant der Kanton das Flussgebiet vom Reusszopf bis zur Kantonsgrenze in Honau im grossen Stil umzugestalten. Stark davon betroffen wäre insbesondere der wichtigste Erholungs- und Begegnungsort in Emmen entlang der Reuss.

Bei vielen Menschen stösst das Projekt deswegen auf heftigen Widerstand. Widerstand gibt es jedoch für das gesamte Projekt. Der Luzerner Regierungsrat musste  vergangenen Frühling insgesamt 56 Einsprachen bearbeiten (zentralplus berichtete). Die Luzerner Bevölkerung wird über das vom Luzerner Regierungsrat bewilligte Projekt frühestens 2023 abstimmen können. «Die Gemeinde Emmen steht von überall her unter Druck. Da tut frischer Wind einfach gut», sagt Raphael Beck und fügt an, dass der See zum Projekt des Kantons doch eine gute Alternative wäre.

Eine verstiegene Vision bringt Leben in die Gemeinde

Kreativität, Intelligenz, Unabhängigkeit, Mut, eine positive Haltung und eine grosse Vision. Dazu bringt Raphael Beck als Handwerker viel praktisches Wissen mit und als Vater emotionale und soziale Kompetenzen. In der Bevölkerung werden er und die Bewegung sehr kontrovers aufgenommen. Von vielen werden sie weniger ernst genommen als die anderen Gemeinderatskandidaten.

Stellen wir uns zum Schluss noch das Unmögliche vor, wenn Raphael Beck am 12. März 2023 als Gemeinderat gewählt würde: Welches Departement würde er am liebsten übernehmen? «Das müsste man noch erfinden. Vielleicht das Departement für Imagination und Gemeindeentwicklung.»

Zugegeben, das alles mag verstiegen sein. Doch wir stellen fest: «Emmen am See» bringt Belebung in die Gemeinde. Als letzte ungeklärte Frage bleibt aber weiterhin: Wo ist die alte Ortstafel?

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 28.12.2022, 13:58 Uhr

    Es sind immer wieder extremisten die Chaos verursachen.
    Und wer;nieder mit den EByke schreit ,dann frage ich mich ob er Ärztliche Hilfe braucht.

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 27.12.2022, 14:16 Uhr

    Emmen am Atomendlager wäre doch auch eine feine Sache, viel besser als ein schnöder Militärflugplatz…

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