Polizei soll Puffbetreiber härter rannehmen

Doch noch: Luzern will Prostituierte vor Zuhälterei schützen

So wirbt ein Anbieter aus der Region auf seiner Webseite für sein Sexetablissement.

(Bild: Printscreen)

Die Polizei soll die gut 110 Luzerner Sexclubs stärker kontrollieren. Damit sollen die rund 600 Prostituierten besser vor Ausbeutung und Menschenhandel geschützt werden. Die Regierung stützt diesen FDP-Vorstoss. Im Juni wird sich zeigen, ob dem Kantonsrat der Schutz der Sexarbeiterinnen etwas wert ist. Letzten Herbst war dies noch nicht der Fall.

Seit 2009 hat die Luzerner Regierung daran gearbeitet, unzählige Stunden Arbeit dafür investiert – doch das alles war für die Katz. Letzten September versenkte der Kantonsrat das neue Gesetz zur Regelung der Sexarbeit im Kanton Luzern. 51 Politiker stimmten für die umstrittene Vorlage, 61 dagegen. Zu gross waren die Vorbehalte, zu unklar die Auswirkungen. Doch jetzt tut sich doch noch was.

«Wir unterstützen die Zielsetzung, wonach Sexarbeit legal und unter guten Rahmenbedingungen ausgeübt werden kann.»

Jim Wolanin, FDP-Kantonsrat

Das neue Gesetz hätte sowohl präventiv als auch repressiv wirken sollen. Vorgesehen waren unter anderem eine Registrierungspflicht für Prostituierte sowie eine Bewilligungspflicht für Sexclubs. So hätte die Schwarzarbeit bekämpft und die Bordellbetreiber in die Pflicht genommen werden sollen. Auch war vorgesehen, die Sexarbeitenden zu ihrem Schutz besser über ihre Rechte und Pflichten zu informieren. Geschätzter Kostenpunkt: Rund 70’000 Franken pro Jahr.

Polizei soll eingreifen

Jim Wolanin.

Jim Wolanin.

Nun liegt die Antwort der Regierung auf ein Postulat von Jim Wolanin (FDP) vor. Wolanin hat diesen Vorstoss gleich nach der damaligen Kantonsratsdebatte eingereicht. Denn er und mit ihm ein Grossteil der Kantonsräte gaben sich überzeugt, dass die heutigen Umstände in den Sexclubs verbessert werden müssen. Hier brauche es stärkere Kontrollen durch die Polizei, um Ausbeutung, Menschenhandel und Zuhälterei zu unterbinden. Das kommt bei der Regierung natürlich gut an, sie stellt sich hinter das Anliegen.

Wolanin begründet den Vorstoss: «Wir unterstützen die Zielsetzung, wonach Sexarbeit legal und unter guten Rahmenbedingungen ausgeübt werden kann.» Ausbeutungssituationen sollen so weit wie möglich verhindert werden. Die FDP sei bezüglich des abgelehnten Sexgesetzes vor allem gegen die ihrer Meinung nach kontraproduktive Registrierungspflicht für die Sexarbeitenden gewesen.

200 arbeiten ohne Bewilligung

Mit besseren Kontrollen aber von Puffs und Sex-Etablissements könne wirksam gegen die Ausbeutung von Prostituierten vorgegangen werden. Diese Massnahme entspricht laut Regierung gar einem Kernelement des versenkten Sexgesetzes. Konkret schreibt sie: «Da der weitaus grösste Teil der Sexarbeit im Kanton Luzern in Gebäuden und nicht auf der Strasse angeboten wird, stufen wir die Einführung einer Bewilligungspflicht für Indoor-Sexbetriebe mit den entsprechenden Kontrollmöglichkeiten nach wie vor als wirksames Mittel zur Verbesserung der Situation ein.»

«Mit einer besseren Kontrolle könnte ein wesentlicher Beitrag zum Opferschutz geleistet werden.»

Luzerner Regierungsrat

Sexarbeitende sind aufgrund ihrer rechtlichen und sozialen Stellung oft Gewalt sowie gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Zudem arbeiten laut Regierung bis zu einem Drittel der rund 600 Sexarbeitenden ohne Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligung. «Dadurch werden Abhängigkeitsverhältnisse und Ausbeutungssituationen begünstigt.»

80 Prozent können nicht kontrolliert werden

Die Kontrolle von Puffs durch die Polizei ist nach geltenden Auflagen schwierig. Sie kann Betriebe nur dann kontrollieren, wenn diese gastgewerberechtlich bewilligungspflichtig sind oder wenn ein hinreichender Verdacht auf eine strafbare Handlung vorliegt. Der Zugang zu über 80 Prozent der Sexbetriebe bleibt der Polizei verwehrt. Die Regierung ist überzeugt: «Mit einer besseren Kontrolle könnte ein wesentlicher Beitrag zum Opferschutz geleistet werden.» Denn dadurch würden auch kriminelle Organisationen abgeschreckt.

Die Regierung schlägt nun vor, im Gewerbepolizeigesetz einen entsprechenden Passus anzufügen.

600 Sexarbeiterinnen, 110 Betriebe

Im Kanton Luzern bieten rund 600 Prostituierte ihre Dienstleistungen an, der grösste Teil von ihnen stammt aus dem Ausland. Die allermeisten arbeiten in den rund 110 Luzerner Etablissements, nur 15 bis 20 Frauen sind auf dem Strassenstrich im Luzerner Industriequartier Ibach tätig. Sie sind laut Überzeugung der Regierung aufgrund ihrer rechtlichen und sozialen Stellung oftmals Gewalt ausgesetzt. Sei es durch Freier, Zuhälter oder Bordellbesitzer. Auch vor gesundheitlichen Risiken wie Geschlechtskrankheiten oder Aids sind sie nicht sicher.

Mehr Ausgaben, mehr Einnahmen

Die vorgeschlagenen Massnahmen würden zu einem erhöhten Aufwand bei der Kriminal- und Gewerbepolizei führen. Diese müssten die 110 Luzerner Betriebe kontrollieren. Die Regierung hat hierfür einen jährlichen Aufwand von 490 Stunden bei der Kriminalpolizei und 130 Stunden bei der Gewerbepolizei errechnet. Auch im Bereich Straf- und Verwaltungsverfahren sei mit mehr Arbeit zu rechnen. Was das ganze in Franken bedeuten könnte, kann das Justiz- und Sicherheitsdepartement auf Anfrage von zentralplus nicht einschätzen. Der Kantonsrat müsste also etwas absegnen, von dem er nicht genau weiss, was es finanziell für Folgen hätte.

Im Gegenzug rechnet die Regierung mit mehr Einnahmen. Denn alle Betriebe müssten neu eine Gebühr für ihren Betrieb zahlen. Vorgesehen ist etwa ein Tarif von 200 bis 499 Franken für Betriebe mit maximal vier Sexarbeitenden oder 500 bis 1499 Franken für Sexclubs mit fünf bis neun Prostituierten. Die Regierung schlägt vor, dass eine solche Bewilligung fünf Jahre lang gültig sein soll.

Laut Justiz- und Sicherheitsdepartement könnte nach einer Überweisung des FDP-Postulats die Änderungen im Gewerbepolizeigesetz im Verlauf des Jahres 2017 in die Vernehmlassung gehen.

Zeit zu handeln

Letzten Herbst legte ein Grossteil des Kantonsrates das Bekenntnis zu einem besseren Schutz der Prostituierten ab. Einem abgespeckten Sexgesetz, so der Tenor, werde man zustimmen. An der Session vom 20. und 21. Juni wird sich zeigen, ob es der Rat damit ernst gemeint hat. Er könnte damit eine wirksame Massnahme einführen gegen Ausbeutung, Zuhälterei und Menschenhandel. Sparpakete hin oder her. Zudem: In letzter Zeit haben viele andere Kantone neue oder verschärfte Prostitutionsgesetze erlassen. Es wird Zeit, dass auch der Kanton Luzern zeigt, dass ihm der Kampf gegen Missstände im Sexgewerbe etwas wert ist.

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