Wohnen

Die Wohnbaugenossenschaften stehen in den Startlöchern

Genossenschaftlicher Wohnungsbau: Hier an der Dorfstrasse in Luzern. (Bild: PD)

Die Luzerner Stadtbevölkerung hat an der Urne entschieden: Wir wollen zahlbaren Wohnraum. Die Umsetzung soll jetzt vor allem von den Wohnbaugenossenschaften geschultert werden. Dazu bringen sie eine grosse Bereitschaft mit, doch der Weg bis zum Ziel ist sportlich.

Im Stadthaus Luzern weht ein neuer Wind. Das stellen die Initianten der erfolgreichen Initiative «Für zahlbaren Wohnraum» fest. Gleich nach dem überraschenden Ja der Stadtbevölkerung zur Initiative des Mieterverbandes sowie der SP und der Grünen schreibt die neue grünliberale Baudirektorin Manuela Jost einen Brief. Adressaten: Die Genossenschaften in Luzern und Littau. Jost will herausfinden, welchen Beitrag die gemeinnützigen Wohnbauträger bei der Umsetzung leisten können. «Wir werten in diesen Tagen die Antworten der Genossenschaften aus. Die ersten Rückmeldungen sind vielversprechend», sagt Manuela Jost dazu, Details verrät sie keine. «Aber eines ist schon heute klar: Die Genossenschaften sind bei der Umsetzung der Initiative «Für zahlbares Wohnen» unsere wichtigsten Partner.»

Gemäss Initiative muss die Stadt in den nächsten 25 Jahren den Bau von rund 2100 gemeinnützig erstellten Wohnungen sicherstellen. Dass dabei den Wohnbaugenossenschaften eine Schlüsselrolle zufällt, ist naheliegend. Die Genossenschaften verfügen über das Know-how im gemeinnützigen Wohnungsbau.

Ob aber alle der insgesamt 34 Wohn- und Baugenossenschaften auf Stadtgebiet bei der Umsetzung aktiv werden, ist offen. «Es gibt Genossenschaften, die selbstgenügsam sind und die vor allem ihren eigenen Garten hegen und hüten wollen», sagt Andi Willinig vom Regionalverband Zentralschweiz des linken Dachverbandes Wohnbaugenossenschaften Schweiz, «und es gibt andere, die wollen wachsen und expandieren.»

Das Erbe als Verpflichtung

Der Entscheid zum Wachsen ist dabei alles andere als leicht. «Die meisten Genossenschaften sind gegenwärtig intensiv mit der Werterhaltung ihrer Liegenschaften beschäftigt. Das kostet viel Geld und bindet viele Kräfte», sagt Willinig. 

Andi Willinig, auch Geschäftsführer der Wohngenossenschaft Geissenstein EBG (früher Eisenbahner-Baugenossenschaft), begleitet gegenwärtig den Bau von 49 Genossenschaftswohnungen an der Dorfstrasse in Luzern und weitere Projekte.

Für die EBG ist die Wachstumsfrage besonders knifflig. Im Gegensatz zu den meisten anderen Wohnbaugenossenschaften entwickelt sie im Raum Sternmatt-Geissenstein ein in sich geschlossenes Siedlungsgebiet mit gegenwärtig rund 400 Wohnungen. Für die Genossenschaft wäre darum die Expansion in andere Stadtgebiete Neuland, ein organisatorisches Abenteuer – sowohl für die Gremien wie für die Genossenschafterinnen und Genossenschafter, die diesem Schritt zustimmen müssten.

Für den früheren SP-Grossstadtrat und EGB-Aufsichtsrat Peter Henauer ist eine solche Expansion aber vorstellbar: «Wir haben von unseren Vorfahren materiell und ideell ein grosses Erbe geschenkt bekommen, und wir stehen finanziell solide da. Deshalb frage ich mich, ob es nicht geradezu unsere Pflicht ist, uns über das eigene Siedlungsgebiet hinaus für den gemeinnützigen Wohnungsbau zu engagieren.»

Herausforderung ist «sportlich»

Das sieht Daniel Burri ähnlich. Er ist Oberstaatsanwalt des Kantons Luzern, Präsident des bürgerlichen Dachverbandes Wohnen Schweiz und Präsident der Liberalen Baugenossenschaft Tribschen-Sternmatt LBG. «Wir sind gefordert», sagt Burri. «Jetzt muss jede Genossenschaft die Karten auf den Tisch legen und sagen, ob sie mitmachen will.»

Verschiedene Genossenschaften signalisieren schon jetzt ihren Willen, bei der Umsetzung der Initiative «Für zahlbares Wohnen» aktiv zu werden. So etwa die Allgemeine Baugenossenschaft Luzern ABL, die mit über 2000 Wohnungen die grösste Genossenschaft der Region ist. Ihr Präsident, der frühere grüne Stadtrat Ruedi Meier, sagt: «Wir haben der Stadt signalisiert, dass wir bereit sind, in die Hosen zu steigen.»

Meier betont, auch die ABL sei herausgefordert, in ihren dezentralen Siedlungsgebieten mit technischen und energetischen Sanierungen die Substanz zu erhalten und die Wohnflächen zu erweitern. So will die ABL ab 2015 die alten Wohnungen im Gebiet Himmelrich 3 (entlang der SBB-Bahnhofsausfahrt) ersetzen. Kostenpunkt: 130 bis 150 Millionen Franken für über 250 Wohnungen. Die Zahlen sind eindrücklich. Weil aber, wie bei vielen Genossenschaften, «nur» alte Wohnbauten ersetzt werden, bleibt der Nettozuwachs an neuen preisgünstigen Wohnungen eher bescheiden.

Trotzdem ist Ruedi Meier überzeugt, dass die Genossenschaften  einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der Initiative leisten können. «Das Ziel ist sportlich», räumt Meier ein, «und obwohl wir noch nicht wissen, welchen Beitrag jede einzelne Genossenschaft leisten kann, kommen wir nahe ans Ziel.»

Bis 1000 Wohnungen in 15 Jahren

Was  Ruedi Meier Mut macht, ist die bereits jetzt schon gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen den Genossenschaften. So entwickeln die ABL und die Baugenossenschaft Matt (560 Wohnungen) im Stadtteil Littau gemeinsam ein neues Projekt: An der oberen Bernstrasse sollen Altbauten durch 160 neue Wohnungen ersetzt werden.  Dabei gehört die ABL zum linken Dachverband Wohnbaugenossenschaften Schweiz, die Baugenossenschaft Matt hingegen zum bürgerlichen Dachverband Wohnen Schweiz.

Dass die politische Ausrichtung bei der Umsetzung keine grosse Rolle spielt, bestätigt Daniel Burri, der freisinnige Präsident von Wohnen Schweiz. «Wir haben zwar den Gegenvorschlag des Stadtrates zur Initiative unterstützt», sagt Burri, «aber jetzt sind wir bereit, bei der Umsetzung mitzumachen. Wir wollen das gemeinsam schultern und nicht als Konkurrenten.»

Dieser Grundsatz wurde bereits im G-Net, einem lockeren Zusammenschluss von Wohnbaugenossenschaften im Raum Luzern, vereinbart. Burri schätzt, dass die Genossenschaften in den nächsten 15 Jahren 700 bis 1000 Wohnungen neu errichten könnten. Ob sich dabei die Genossenschaften zu Konsortien zusammenschliessen, ob sie Baufelder untereinander aufteilen oder ob sie gemeinsam neue Genossenschaften gründen, ist noch offen. Neu zu den bisherigen hinzustossen wird die Genossenschaft, die gegenwärtig von der IG Industriestrasse gegründet wird.

Konzentration in Littau

Seinen Teil dazu beitragen möchte auch Architekt Markus Mächler. Er ist CVP-Grossstadtrat und Präsident der Sozialen Wohnbaugenossenschaft Luzern SBL. Er war ebenfalls gegen die Initiative des Mieterverbandes und der Linken, will sich aber jetzt trotzdem engagieren. «Wir haben in unserer Genossenschaft die Mittel, und wir sind gut aufgestellt. Zwanzig bis dreissig neue Wohnungen alle zwei Jahre könnten drin liegen.»

Mächler schätzt, dass mittelfristig auf städtischen Parzellen beim Urnerhof in der Nähe des Rotsees und im Zentrum an der Industriestrasse sowie beim Steghof/Hallenbad grössere Anteile von neuen Genossenschaftswohnungen entstehen könnten. «Dann ist aber Schluss mit verfügbarem Bauland im Kerngebiet, der Zuwachs an Genossenschaftswohnungen wird sich vor allem auf Littau konzentrieren müssen.»

Zügig vorwärts geht es, wenn die Stadt den Genossenschaften Parzellen überlässt. Ob sie dabei Grundstücke verkauft oder im Baurecht abgibt, ist offen. Die Genossenschaften sind eher an einem Erwerb interessiert, damit sie die Kosten besser kalkulieren können.

Die Stadt hingegen hat andere Interessen. «Wenn wir den Boden im Baurecht abgeben, sichern wir uns langfristig mehr Handlungsspielraum, weil wir Eigentümer bleiben. Wir müssen uns aber von Fall zu Fall überlegen, was sinnvoller ist. Ich sehe den Zielkonflikt jedenfalls nicht so scharf», sagt Baudirektorin Manuela Jost.

Bau- und Zonenordnung als Schmiermittel

Viel schwieriger ist es für die Genossenschaften, Bauland auf dem freien Markt zu erwerben. «Wenn wir über den offiziellen Immobilienmarkt teures Bauland kaufen müssen, können wir keine akzeptablen Mieten mehr anbieten», sagt Ruedi Meier von der ABL. «Wir können und wollen nicht jeden Preis bezahlen.»

Den Genossenschaften entgegenkommen könnte die neue Bau- und Zonenordnung BZO, die am 17. Januar erstmals im Stadtrat behandelt wird und über die voraussichtlich im Juni die Stadtbevölkerung entscheiden kann. In dieser neuen BZO ist vorgesehen, dass Bauherren, die gemeinnützig bauen, von einer höheren Ausnutzung profitieren können.

«Nur mit dieser zusätzlichen Ausnutzung können wir zahlbare Wohnungen bauen und den sozialen Gedanken erfüllen», sagt Ruedi Meier. 

Die Weichen werden also nochmals die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Stadt stellen, sie müssen entscheiden, ob sie vorteilhafte Planungsgrundlagen für mehr zahlbaren Wohnraum akzeptieren wollen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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