Explodierte Einhörner und fehlende Füsse

Die ulkigsten, ödesten und schönsten Zuger Wahlplakate

Zugs Strassen sind derzeit gesäumt von Gemeinde-Wahlplakaten. Das hat nun ein Ende. (Bild: wia)

Ein Dschungel aus Wahlplakaten überwuchert den Kanton Zug seit einigen Wochen. Hier ein mildes SVP-Lachen, da eine grüne Frohnatur. Zwischen der Monokultur von FDP-Gesichtern haben wir einige gar bezaubernde und ein paar grauslige Gewächse gefunden.

Die Wahlen werden der Zuger Bevölkerung im Moment regelrecht um die Ohren gehauen. Sei es via Wahlwerbung, die ungefragt in die Haushalte trudelt oder sei es, indem viele Strassen gesäumt sind von mannigfaltigen Gesichtern unterschiedlichster politischer Couleur.

Schauen wir uns diese Köpfe doch mal genauer an. Auch wenn – mit Tempo 60 dahinbrausend – ein Einheitsbrei entstehen mag: Die Plakate sind doch ziemlich unterschiedlich.

Das alte graue Plakat

Etwas alt und grau kommen nicht unbedingt die Herren der Mitte-Partei daher, sondern die Plakate an sich. Auf den Bildern selbst sind erstaunlich viele nicht-alte und nicht-grauhaarige Menschen zu sehen, die auf zweidimensionalem Wege Wahlwerbung machen.

Die Aufnahmen sind schmeichelhaft und durchaus professionell. Von der grössten Partei des Kantons haben wir nichts anderes erwartet. «Langweilig, aber gut», so unser Fazit. Moment … den Slogan hat sich doch schon eine andere Partei gekrallt?

Ähnlich unaufgeregt sind übrigens auch die Plakate der SVP-Kandidaten. Ob Heinz Tännler, Stephan Schleiss oder Raphael Tschan – sie alle stehen, wie schon bei den letzten Wahlen, vor einem weissen Hintergrund. Und auch bei der FDP ist der Blazer, respektive der «Tschoope», hoch im Kurs. Auch wenn kaum mehr eine Krawatte zu sehen ist. Der Freisinn wählt mittlerweile auch bei der Krawattenfrage die Freiheit.

Etwas bieder wirken die Plakate der Mitte-Partei. (Bild: wia)

Das explodierte Einhorn

Optisch diametral entgegengesetzt zu SVP, FDP und Mitte stehen die Jungen Alternativen. Bei der Auswahl des Hintergrunds haben sie auf die Farbnote «Einhorn, explodiert» gesetzt. Grasgrün vermischt sich mit Gelb und wird zu Rosarot, um in unsäglichem Pink zum Klimax zu finden.

Aber: Während vorbeirauschende Autofahrerinnen beim Anblick des Plakats die Nase rümpfen mögen, bleibt neben «Igitt» noch ein weiteres Gefühl zurück. Ein abenteuerliches. Eines, das findet: Ja, warum eigentlich nicht? Warum eigentlich nicht mal mutig sein und Wagnisse eingehen?

Das passt besonders, weil Wagnisse ja auch ins Parteiprogramm der Jungen Alternativen gehören. Etwa, indem sie sich klarer als jede andere Partei gegen problematische Zuger Rohstoffgiganten aussprechen (zentralplus berichtete). Oder aber, indem sie der Kantonsregierung die Stirn bieten, die mitten in der Pandemie grosse Lust auf eine Steuersenkerung hat (zentralplus berichtete).

Zwei Jungpolitiker vor einem explodierten Einhorn. (Bild: wia)

Das Detailreiche

Die SP setzt heuer nicht auf einen schlichten grau-grünen Hintergrund, wie sie das noch vor vier Jahren getan hat. Hinter den Köpfen der aktuellen Kandidatinnen finden sich stattdessen Zeichnungen von baulichen Wahrzeichen aus Zug.

Hinter Barbara Gysel, die heuer für den Stadt- und den Kantonsrat kandidiert, sind das Zollhaus und der Zytturm sichtbar. Fröhliche Menschen in (sozialdemokratischem?) Rot flanieren und biken durch die Gegend. Auf diesem Hintergrund ist die Zentrumsaufwertung definitiv schon passiert. Ob mit oder ohne Stadttunnel (zentralplus berichtete).

Hübsches Detail auf den SP-Wahlplakaten: Der Hintergrund ist je nach Gemeinde unterschiedlich. Für die liebevolle Gestaltung gibt's von uns ein anerkennendes Nicken.

Die SP hat sich nicht für einen verschwommenen oder einfarbigen Hintergrund entschieden, sondern für Zeichnungen. (Bild: wia)

Der Zwilling, der eigentlich nur ein entfernter Cousin ist

Für Verwirrung könnten die Wahlplakate der GLP sorgen. Denn nicht nur die Alternative – die Grünen kokettiert mit einem Hintergrund aus Bäumen, vor dem Politikerinnen mit niedriger Tiefenschärfe aufgenommen wurden. Auch die GLP hat sich für diesen (tatsächlich ästhetischen Weg) entschieden. Kein Wunder, haben sich doch beide Parteien die Ökologie auf die Fahne geschrieben.

Aber: Die Fotos sind grundsätzlich sehr ähnlich, auch der lindgrüne Texthintergrund ist beinahe identisch. Kommt hinzu, dass Tabea Zimmermann und Tabea Estermann beinah gleich heissen. Ob Tabea Estermann hier ungewollt Werbung für die ALG macht?

Finde die fünf Unterschiede: Andere Partei, sehr ähnliches Plakat. GLP und ALG kommen im Wahlkampf als Bruder und Schwester daher. (Bild: wia)

Das aus der Norm Fallende

Während Plakate im Weltformat den zweidimensionalen Wahlkampf dominieren, macht es die CSP anders. Pop-up-Versionen ihrer Kandidierenden zieren die ganze Stadt Zug. Die comicartigen Sprechblasen, die den Figuren etwas Humoristisches verleihen, sind erfrischend anzusehen.

Einziger Nachteil: Die Pop-ups sind ein gefundenes Fressen für Randaliererinnen oder Fussfetischisten, wie Figura zeigt. Immerhin ist der Rest von Straub noch dran. Und: Auch ohne Fuss lässt es sich politisieren. Kopf und Rückgrat sind viel entscheidender.

Vroni Straub-Müller vermisst zwar ihren Fuss. Eine gute Falle macht sie dennoch. (Bild: wia)

Und noch dies …

Beim Folgenden handelt es sich zwar nicht um ein Wahlplakat für die Gesamterneuerungswahlen, sondern um eines für die Wahl ins Verwaltungsgericht, die am 25. September stattfinden wird. Dort möchte Parat-Mann Stefan Thöni nämlich – wieder mal – rein.

Im zugehörigen Wahlplakat zeigt sich Thöni als Don Quijote. Zwar ohne klappriges Pferd, aber mit einer Waage in der Hand, tapfer für die «unerreichbare Gerechtigkeit» kämpfend. So viel steht zu Don Quijote auf Wikipedia: «Meist enden die Episoden damit, dass Don Quijote verprügelt wird und wenig ruhmreich als ‹Ritter von der traurigen Gestalt› auftritt.» Treffender könnte man Thönis Wahlbemühungen – im übertragenen Sinne natürlich – nicht zusammenfassen. Ein Lob auf die Selbstironie.

Wir finden das Plakat jedenfalls klasse. Und wie gesagt, wer braucht schon Füsse zum politisieren? Was wir einzig bemängeln: Die Frisur dürfte etwas authentischer, respektive: üppiger sein.

Hier gilt dasselbe Motto wie beim Reden von Fremdsprachen: Hauptsache, man weiss, was gemeint ist. (Bild: wia)
Verwendete Quellen
  • Wikipedia-Eintrag zu Don Quijote
  • Betrachtung der Wahlplakate in und um Zug
  • Webseiten der Parteien
  • Flyer der Parteien
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Ivo Egger
    Ivo Egger, 14.09.2022, 21:29 Uhr

    Mein Umfeld findet den Artikel unterhaltsam. Ich fände zusätzlich einen Beitrag, der den ganzen Wahlkampf (also nicht nur die Plakate) bzgl. den aufgewendeten finanziellen Ressourcen (und deren Herkunft) unter die Lupe nimmt, spannend. Ich gehe davon aus, dass die aufgewandten Geldsummen je nach Parteien weit auseinandergehen. Wenn demzufolge politische Volksvertreter aufgrund ihrer Werbepräsenz gewählt werden anstelle aufgrund ihrer politischen Meinung, finde ich dies bedauerlich.

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