Diskussionen um zahlbaren Wohnraum

«Die Stadt verschwendet Steuergelder»

Anwalt und Investor Jost Schumacher möchte auch im gemeinnützigen Wohnungsbaumarkt mitmischen. (Bild: zvg)

Die Stadt will ein Grossprojekt mit 135 Wohnungen an der oberen Bernstrasse von zwei Wohnbaugenossenschaften realisieren lassen. Doch der Anwalt und Immobilienbesitzer Jost Schumacher übt harte Kritik an der Stadt – und zwingt diese vor Gericht.

Am 30. April stimmte der Stadtrat dem Bau von 135 gemeinnützigen Wohnungen an der Bernstrasse zu. Dies ist ein Projekt im Rahmen der Umsetzung der Initiative für mehr zahlbaren Wohnraum (zentral+ berichtete). Die Bebauung der 13 Parzellen soll von der Baugenossenschaft Matt und der Allgemeinen Wohnbaugenossenschaft Luzern (abl) übernommen werden (zentral+ berichtete). Private Investoren wurden bei der Projektvergabe keine zugelassen.

Jost Schumacher ergreift nun Rechtsmittel, wie das Regionaljournal Zentralschweiz berichtete. Gegen die Vergabe der Stadt Luzern hat er Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzerns eingereicht und gegen den Beschluss des Stadtrates eine Gemeindebeschwerde bei der Luzerner Regierung. Im Interview mit zentral+ erklärt er seine Absichten.

zentral+: Sie kritisieren, dass private Unternehmen und Investoren vom Projekt «Bernstrasse» ausgeschlossen sind. Weshalb?

Jost Schumacher: Das Gesetz über Wohnbau- und Eigentumsförderung bezweckt die Förderung des Wohnbaues vornehmlich für Bevölkerungskreise in beschränkten finanziellen Verhältnissen, insbesondere für Familien, Betagte und Invalide. Das Gesetz hält ausdrücklich fest, dass auch Private solche Wohnbauten errichten können und vom Staat finanzielle Unterstützung erwarten dürfen, wenn sie die Bestimmungen betreffend Mietzinsgestaltung des WEG (Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz) einhalten.

zentral+: Wieso werden Genossenschaften dann bevorzugt?

Hier muss klar gesagt werden, dass es sich auch bei den Wohnbaugenossenschaften um juristische Personen des Privatrechts handelt. Das sind keine öffentlich-rechtlichen Anstalten oder dergleichen. Die Stadt kündigt an, dass sie von privaten Investoren in Bebauungsplänen verlangen will, dass ein gewisser Prozentsatz an preisgünstigem Wohnraum geschaffen werden muss, bei Grossprojekten – etwa bei der Überbauung Seetalplatz.

Es ist nun ein Widerspruch, wenn die Stadt einerseits von mir verlangt, dass ich auf meinem privaten Land preisgünstigen Wohnraum erstelle. Wenn es aber andererseits um die Ausschreibung von Bauland geht, welches mit preisgünstigem Wohnraum überbaut werden soll, werde ich als privater Investor kategorisch ausgeschlossen und es sollen nur private Genossenschaften zugelassen werden.

2300 gemeinnützige Wohnungen bis 2036

Mit der Annahme der Initiative «für zahlbaren Wohnraum» hat die Stimmbevölkerung der Stadt Luzern 2012 beschlossen, dass der Anteil an gemeinnützigen Wohnungen am gesamtstädtischen Wohnungsbestand in 25 Jahren auf 16 Prozent zu steigern ist. Dies entspricht etwa 100 neuen gemeinnützigen Wohnungen pro Jahr. Die Stadt ist also aufgefordert, sich aktiv für die Schaffung und den Erhalt von preisgünstigem Wohnraum einzusetzen. Eine Möglichkeit ist, eigene Grundstücke gemeinnützigen Wohnbauträgern zur Verfügung zu stellen – doch davon hat die Stadt viel zu wenig.

zentral+: Wieso mischen Sie sich in dieses Thema ein?

Schumacher: Wissen Sie – immer wenn der Staat in den Markt eingreift, entsteht ein Ungleichgewicht – der Markt spielt nicht mehr nach seinen eigenen Regeln. Dies zeigt sich etwa daran, dass die Genossenschaften viel teurer bauen als ich. Wieso sollten die Genossenschaften folglich verbilligtes Land von der Stadt bekommen, teurer bauen als ich und somit auch teurere Mietwohnungen auf den Markt bringen? Das ist doch eine Verschwendung von Steuergeldern!

zentral+: Sie sagen, Sie bauen günstiger als die Genossenschaften. Können Sie das erklären?

Schumacher: Bei Baugenossenschaften sind die Informationswege meist sehr lange. Sachbearbeiter – Projektleiter – Geschäftsführer – Kommissionen – Mitglieder, je nach Aufbau der Genossenschaft. Zudem arbeiten bei Genossenschaften oftmals Laien, die sich in Details verlieren, statt das grosse Ganze im Blick zu behalten. Ich habe ein kleines schlankes Team um mich, dass mich seit Jahrzehnten umgibt. Unser administrativer Aufwand ist sehr gering, obwohl wir als Bauherrschaft noch selber die Aufträge vergeben. Bei den Genossenschaften wird oft eine Generalunternehmung dazwischen geschaltet – das heisst die Genossenschaften bauen eigentlich gar nicht selber und geben das extern. Klar, dass da Marge abfliesst. Zudem können wir aufgrund unserer Marktstellung sowohl bei den Unternehmern als auch bei den Banken die besten Konditionen erhalten.

zentral+: Ein Streitpunkt ist, wer als gemeinnütziger Wohnbauträger gilt. Wie definieren Sie gemeinnützig?

Schumacher: Wichtig ist, dass die Stadt Auflagen für den gemeinnützigen Wohnungsbau definiert. Es braucht eine gesetzliche Grundlage, die etwa den Preis pro Wohnung/oder den Mietzins festlegt. Anschliessend sollten sich alle bewerben können, die diese Auflagen erfüllen. Eine Unterscheidung von Genossenschaften und Privaten macht keinen Sinn.

«Ich bin Unternehmer und handle nach ökonomischen Grundsätzen.»

Jost Schumacher, Anwalt und Investor

zentral+: Haben Sie vor, sich auch in Zukunft innerhalb des gemeinnützigen Wohnungsbaus zu engagieren? Sind sie der neue «Wohltäter» der Stadt?

Schumacher: Nein, ich bin kein Wohltäter. Ich bin Unternehmer und handle nach ökonomischen Grundsätzen. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass ich auch noch etwas verdienen kann, selbst wenn ich die Genossenschafter im Preis unterbiete. Wenn ich so erreichen kann, dass weniger Steuergelder verschleudert werden und ich Personen, die darauf angewiesen sind, zu billigem Wohnraum verhelfen kann, freut mich das natürlich umso mehr.

zentral+: Ihre Beschwerde führt nun aber zu Verzögerungen. Ist Ihnen das bewusst?

Schumacher: Mir ist wichtig zu erwähnen, dass ich den sozialen Wohnungsbau keinesfalls behindern will. Die entstehende Verzögerung beim Projekt Bernstrasse ist leider nicht zu vermeiden, weil es das erste Projekt ist und die gesetzliche Grundlage erst geklärt werden muss.

zentral+: Falls Sie recht bekommen sollten, sind Sie konkret am Projekt an der Bernstrasse interessiert?

Schumacher: Aber sicher bin ich daran interessiert, sonst würde ich ja nicht Beschwerde führen.

Bei der Stadt Luzern verteidigt man das Vorgehen der Vergabe an der Bernstrasse. Baudirektorin Manuela Jost schildert ihre Auffassung über den gemeinnützigen Wohnungsbau wie folgt: «Der gemeinnützige Wohnungsbau zielt darauf ab, das allgemeine Wohl zu fördern und dabei keine eigenen Interessen in materieller und wirtschaftlicher Hinsicht zu verfolgen. Gemeinnützige Wohnbauträger sind nicht gewinnstrebig, sondern reinvestieren die Gewinne und decken somit den Bedarf an preisgünstigem Wohnraum.»

«Gemeinnützige Wohnbauträger sind nicht gewinnstrebig.»

Manuela Jost, Baudirektorin der Stadt Luzern

Als Privater erfülle Jost Schumacher die Kriterien als gemeinnütziger Wohnbauträger nicht. «Das Anbieten von preisgünstigem Wohnraum ist ein Kriterium des gemeinnützigen Wohnungsbaus», sagt Baudirektorien Manuela Jost. Die rechtliche Organisation müsse aber ebenso den Kriterien entsprechen. Es bliebe Jost Schumacher jedoch freigestellt, selber einen neuen gemeinnützigen Wohnbauträger zu gründen, der dann für andere Grundstücke ein Angebot abgeben könnte, so Jost.

Die Lage ist kompliziert. An der Bernstrasse geht es um «nur» 135 Wohnungen. Dieses Projekt ist allerdings der Anfang der Realisierung von jährlich etwa hundert Wohnungen im Rahmen des gemeinnützigen Wohnbaus. Es liegt nun am Kantonsgericht und dem Regierungsrat, die rechtliche Lage zu prüfen und für Klarheit zu sorgen.

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