Steuern

Die Regierung an der kurzen Leine

Luzern hat die tiefsten Firmenssteuern der Schweiz. Doch eine Minimalsteuer zahlen nun auch Kleinstunternehmen. So will es das Bundesgericht.

Ende Januar entscheidet der Luzerner Kantonsrat über den Aufgaben- und Finanzplan bis ins Jahr 2016. Neben Sparpaketen verlangt die Regierung Steuererhöhungen. Das bringt die Diskussion in Fahrt, die Auseinandersetzung um die Steuerpolitik legt an Schärfe zu.

«Wir müssen die CVP zur Räson bringen und dafür sorgen, dass die bürgerliche Finanzpolitik des Kantons Luzern fortgesetzt wird», sagt Armin Hartmann. Der Gemeindeammann von Schlierbach ist SVP-Kantonsrat und Mitglied der Kommission für Wirtschaft und Abgaben. «In den letzten Jahren war die CVP ein zuverlässiger Partner, aber das ist leider nicht mehr so.» Hartmann stösst sauer auf, dass die CVP dem Aufgaben- und Finanzplan (AFP) der Regierung zustimmen will. In diesem Planungspapier sind, neben Einsparungen von 58 Millionen Franken für dieses und 112 Millionen Franken für das nächste Jahr, Steuererhöhungen eingeplant.

 «Wir wollen die Steuerstrategie der letzten Jahre gar nicht über Bord werfen», wehrt sich der Willisauer Ludwig Peyer, Fraktionschef der CVP und Geschäftsführer des Verbandes der Luzerner Gemeinden (VLG), «aber wenn es nötig ist, wollen wir beim Steuerfuss kleine Korrekturen vornehmen.»

 Gemeinden geht das Geld aus

Ursache für die politische Verstimmung sind die Steuersenkungen der letzten Jahre. Seit 2005 hat der Kanton mehrfach die Steuern gesenkt: für Einkommensschwache, für Familien, für Unternehmen, für Vermögende und für den Mittelstand.

Immer schärfer diskutiert wird die letzte Senkungsrunde, bei der unter anderem die Unternehmenssteuern massiv gesenkt wurden; Luzern hat seit dem 1. Januar 2012 schweizweit die tiefsten Unternehmenssteuern.

Die Folgen tragen vor allem die Gemeinden mit vielen oder grossen Unternehmen, etwa Root, Triengen, Reiden, Sursee und Luzern. Ihnen brechen Millionen weg. «Wir sind überdurchschnittlich betroffen», sagt Stefan Roth, Stadtpräsident von Luzern und zugleich CVP-Kantonsrat. «Allein dieses Jahr verlieren wir 12 Millionen Franken. Die Löcher, die durch die Entlastung der Unternehmen entstehen, müssen wir auf Gemeindeebene mit Steuererhöhungen stopfen.» 

Sofern die Bevölkerung mitspielt. In der Stadt Luzern tut sie das. Vor einem Monat hat sie einer Steuererhöhung zugestimmt. «Ich bekomme jetzt aus anderen grösseren Schweizer Städten Anfragen von Kommunen. Und auch in süddeutschen Printmedien war die Steuererhöhung ein Thema. Die wollen wissen, wie wir die durchgebracht haben», erzählt Stefan Roth. Aber diese Steuererhöhung, so sehr ihn die Zustimmung des Souveräns freut, löst die Probleme nicht. 

Für den Kanton, meint Stefan Roth, könne die Strategie der tiefen Unternehmenssteuern längerfristig eventuell aufgehen, nicht aber für die Stadt. «Selbst wenn uns Firmenansiedlungen gelingen, können wir die Ausfälle mittelfristig nicht kompensieren. Denn wir haben stark wachsende Ausgaben etwa im Bereich der Pflegefinanzierung, der Bildung und des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechtes.» Mit der Halbierung der Unternehmensgewinnbesteuerung, so Roths Fazit, «sind wir zu weit gegangen.»

Auswirkungen unterschätzt

Fragezeichen hinter die letzten Steuersenkungen des Kantons setzt auch Christoph Lengwiler. Er sass für die CVP im Kantonsrat, ist Leiter des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug der Hochschule Luzern und seit kurzem auch Bankrat der Schweizerischen Nationalbank. «Die Auswirkungen auf die einzelnen Gemeinden wurden unterschätzt. Man hat die Ausfälle in den Gemeinden mit hohem Anteil an juristischen Personen zu wenig bedacht und nicht überlegt, wie man die Ausfälle in diesen Gemeinden abfedern könnte.»

Die Ansiedlung neuer Firmen durch die Tiefsteuerstrategie, die Lengwiler durchaus begrüsst, komme nicht über Nacht. Und eine sofortige Hilfe durch den innerkantonalen Finanzausgleich sei nicht möglich, weil die Steuerausfälle bei dessen Berechnung nur mit mehreren Jahren Verzögerung berücksichtigt würden.

«Die Steuersenkungen sind mutig, aber wir haben nicht überbordet», kontert der parteilose Finanzdirektor Marcel Schwerzmann die Vorwürfe, «und vor allem haben wir die Auswirkungen der Unternehmenssteuersenkung auf die Gemeinden nicht unterschätzt. Im Gegenteil, wir haben die Kosten für die Gemeinden in den Botschaften klar ausgewiesen.» Der Kantonsrat und am Ende das Volk hätten diese Steuersenkungen deutlich gutgeheissen. «Nun erwarte ich Rückgrat in der Umsetzung. Es wäre komplett falsch, jetzt auf halbem Wege stehen zu bleiben und das Ziel vorzeitig aus den Augen zu verlieren.»

Durchhalteparolen wegen Finanzlöchern

Schwerzmann mahnt zur Geduld. «Es dauert ein paar Jahre, bis unsere Strategie der tiefen Unternehmenssteuern voll einschenkt.» Der Kanton habe bereits Indizien, dass sie funktioniere. Der Finanzdirektor spricht damit die Firmenansiedlungen an, die letztes Jahr durch die Wirtschaftsförderung initiiert wurden und die dem Kanton ein Arbeitsplätzepotenzial von 333 Stellen brachten. «Wir ziehen das durch», sagt Schwerzmann, «wir geben nicht auf.»

Die Bürgerlichen stimmen zu. «Wir wussten, dass die Senkung der Unternehmenssteuern kurzfristig weh tut, aber wir werden gewiss zu positiven Ergebnissen kommen», ist SVP-Kantonsrat Armin Hartmann überzeugt. «Wir brauchen Zeit, aber wir sind auf dem richtigen  Weg», bekräftigt Rolf Born aus Emmen, Fraktionschef der FDP. Und auch CVP-Mann Ludwig Peyer hält grundsätzlich an der Tiefsteuerstrategie fest: «Es wäre ein Fehler, jetzt schon vom Scheitern der Steuerstrategie zu reden.»

Kein gutes Haar an dieser Strategie lässt dagegen der Luzerner SP-Kantonsrat Giorgio Pardini, Präsident der Kommission Wirtschaft und Abgaben. «Wir haben nicht nur überbordet, es ist noch viel schlimmer, wir haben die Steuerpolitik falsch aufgegleist.» Der Kantonsrat, so Pardini, «hätte über die Ziele der Steuerstrategie diskutieren müssen. Aber die bürgerliche Mehrheit hat diese Diskussion verweigert. Ideologische Verblendung ist das, ein Steuersenkungswahn.»

Investitionen statt Indianerreservat

Mit der Senkung der Unternehmenssteuern, so Pardini, hätte der Kantonsrat auch über die Leistungsaufträge für die Bevölkerung diskutieren müssen. Und die Senkung der Unternehmenssteuern hätte der Kantonsrat gezielt mit der Ansiedlung von Firmen mit grosser Wertschöpfung verknüpfen müssen. «Das hätte auch Investitionen in eine attraktive Infrastruktur bedeutet. Warum bauen wir zum Beispiel nicht eine Doppelspurbahn durch das Entlebuch, damit diese Region nicht zum Indianerreservat verkommt?» 

«Da muss ich Pardini Recht geben», stimmt SVP-Kantonsrat Armin Hartmann zu, «auch ich hätte gerne noch mehr über die Leistungen diskutiert, aber der Rat wollte das nicht.» Hartmann hat allerdings nicht dieselben Ziele. Er denkt bei Diskussionen über Leistungen vor allem ans Sparen; Pardini ans Geldausgeben, um die Wirtschaft in Fahrt zu bringen.

FDP und SVP wollen noch mehr sparen

Mit dieser Ausgangslage startet der Kantonsrat am 28. und 29. Januar die Beratung über den Aufgaben- und Finanzplan 2013-2016. «Der AFP ist ein wichtiges Planungsinstrument», sagt Finanzdirektor Marcel Schwerzmann. «Die Diskussionen zeigen uns, in welche Richtung wir das nächste Budget entwickeln müssen. Da muss der Kantonsrat die Weichen stellen.»

Neben den Einsparungen will der Regierungsrat in den Jahren 2015 und 2016 die Steuern um 0,05 Einheiten (einen Zwanzigstel) erhöhen. «Feinjustierungen am Steuerfuss» nennen die Politiker diesen Prozess. Damit soll das von der Schuldenbremse vorgegebene Ziel, ein ausgeglichener Haushalt, erreicht werden.

Die Steuererhöhungen kommen nicht aus heiterem Himmel. Bereits bei der Debatte um die Senkung der Unternehmenssteuern räumte der Kantonsrat ein: Wenn es zu Engpässen wegen Steuerausfällen komme, könne man immer noch am Steuerfuss herumschräubeln ­– ohne gleich die Strategie der Tiefsteuern aufzugeben.

Davon wollen jetzt weder FDP noch SVP etwas wissen. «Steuererhöhungen sind eine Reissleine in der Not», sagt der FDP-Mann Rolf Born. «Doch jetzt haben wir keinen Notstand bei den Einnahmen, es gibt immer noch Spielraum. Wir müssen auf der Ausgabenseite weiter Druck machen.»

Born denkt dabei an den steten Personalzuwachs beim Kanton und an die Volksschule. «Da müssen wir jetzt konsolidieren und nicht neue Experimente starten; es gibt auch im Bildungsbereich Kosten, die wir senken können.» Was sich Rolf Born darunter konkret vorstellt, will er nicht verraten. «Sonst bekomme ich nachher 30 Mails.»

«Es ist nötig, nochmals alle Ausgaben zu durchforsten», findet auch SVP-Kantonsrat Armin Hartmann. Auch er will keine konkreten Kürzungsvorschläge machen. «Wir müssen einfach über die Bücher und besonders schauen, wo das grösste Ausgabenwachstum ist. Dann muss die Regierung handeln.»

Regierung an der kurzen Leine

Dabei hat Armin Hartmann die Regierung schon einmal an die kurze Leine genommen. Bei den Beratungen des Gesetzes über die Finanzen und Leistungen (FLG), das eine Schuldenbremse vorsieht, hat Hartmann mit einem Vorstoss den Spielraum der Regierung eingeengt: Der Kantonsrat hat den Zeithorizont für die Schuldenbremse von sieben auf fünf Jahre verkürzt.

«Wir wollen den Regierungsrat hart drannehmen, sonst macht er wieder Schulden», argumentiert Hartmann. «Wir wollen im Kantonsrat der Regierung zeigen, dass sie sich nicht in die Hängematte legen kann, sondern weiter sparen muss.»

Das hat der Kantonsrat schon einmal durchgespielt. Bereits beim Budget 2012 hatte die Regierung eine Steuererhöhung verlangt, doch der Kantonsrat schmetterte sie ab. «Das hat», sagt der Luzerner Nino Froelicher, Fraktionschef der Grünen, «Auswirkungen auf die Präsentation des jetzigen Aufgaben- und Finanzplanes. Der Regierungsrat hat keinen politischen Mut. Er versteckt sich nun einfach hinter dem Szenario einer finanztechnischen Naturkatastrophe, die 2015/2016 dann zwangsläufig eine Steuererhöhung auslöst. Da ist kein Feuer, kein politischer Gestaltungswille spürbar. Wir meinen, der Regierungsrat hat gegenüber dem Kantonsrat zu wenig Rückgrat.»

«Der Kantonsrat hat klar entschieden. Das war mehr als deutlich», kontert Finanzdirektor Marcel Schwerzmann. «Unser Ziel ist es, das Wachstum der Ausgaben entsprechend einzudämmen, was zu einem stabilen Staatshaushalt führt.»

Die politische Mitte denkt um

Die Chancen, dass der Kantonsrat nun also den Aufgaben- und Finanzplan aus unterschiedlichen Gründen ablehnt, sind intakt. Die Grünen würden nur zustimmen, wenn das Parlament bei den Sparmassnahmen Kompromisse macht. Ähnlich argumentiert die SP, auch sie wird Nein sagen. Die SVP und die FDP sind ohnehin geschlossen dagegen.

Doch der Bürgerblock bröckelt. «Wir müssen uns auch mit der Einnahmenseite auseinandersetzen», sagt dazu der Luzerner Stadtpräsident Stefan Roth, «darum bin ich für Steuererhöhungen, wie sie jetzt von der Regierung vorgeschlagen werden. Denn ein wohn- und lebenswerter Kanton wird auch an den Leistungen für die Bürgerinnen und  Bürger gemessen – das bewegt die Leute.» Und CVP-Fraktionschef Ludwig Peyer unterstreicht: „Wir wollen uns nicht von der Steuerstrategie abwenden, aber eine Nachbesserung beim Steuerfuss muss jetzt drin liegen.»

 «Wenn der Kantonsrat die angepeilten Steuererhöhungen nicht akzeptiert», sagt Finanzdirektor Marcel Schwerzmann dazu, «müssen wir das Ausgabenwachstum weiter bremsen. Und wenn das nicht reicht, müssen wir erneut eine Steuererhöhung einplanen.» 

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Marcel Peter
    Marcel Peter, 19.01.2013, 07:53 Uhr

    Limit hat recht, es wird ein falsches Spiel gespielt. Wie auch die privaten Personen sollte der Staat zuerst sehen was er für Einnahmen hat und dann die Ausgaben entsprechend priorisieren. Wenn man es umgekehrt macht, und das ist heute leider häufig der Fall, kommen die Etatisten mit einer gewünschten Staatsquote von 100% und vermeintlich guten Gründen wiso der Staat dies und das auch noch für uns erledigen sollte. Für alle statt fü wenige, sozusagen. Aber dass der Staat zum einen das ineffizienteste Mittel ist und er nicht auf die Bedürfnisse aller eingehen kann ist wohl bekannt.

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  • Profilfoto von yannick_gauch
    yannick_gauch, 18.01.2013, 16:26 Uhr

    @Limi: Durch eine humane Steuererhöhung wird das Volk nicht gemelkt, im Gegenteil, in erster Linie profitieren wir davon und müssen nicht in wesentlichen und wichtigen Punkten sparen.
    Aber das dümmste ist ja wohl, dass wir die tiefsten Unternehmenssteuern in der Schweiz haben, dass wird sich nicht auszahlen, es wird nur das Loch in unserer Kasse ausweiten.

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  • Profilfoto von Alexander Limacher
    Alexander Limacher, 18.01.2013, 07:28 Uhr

    Wie wäre es mit Sparen statt das Steuervolk zu melken?

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