Kommentar zur Corona-Demo am Samstag

«Die Massnahmen-Gegner foutieren sich um Regeln, die für andere gelten»

zentralplus-Redaktionsleiterin Lena Berger über die unbewilligte Corona-Demo am Samstag.

Was die Massnahmen-Kritiker am Samstag veranstaltet haben, ist eine Frechheit. Wer grossmundig sein Recht auf freie Meinungsäusserung einfordert, hat auch die Rechte seiner Mitmenschen zu akzeptieren. Und damit die Regeln, die für Kundgebungen in Luzern gelten. Die Polizei hat es verpasst, an der Corona-Demonstration die nötigen Grenzen zu setzen.

1'500 Menschen sind am Samstag durch die Stadt Luzern marschiert, haben lautstark mehr Freiheit gefordert und gegen die Corona-Massnahmen demonstriert (zentralplus berichtete). Bewilligt war die Kundgebung einmal mehr nicht. Sie wurde noch nicht mal als Spontandemo gemeldet – obwohl es dafür nur einen Anruf braucht.

Das ist kein Zufall, sondern hat System. Die Organisatoren verstecken sich feige in der Menge – und umgehen so die Gefahr, dass ihnen berechtigterweise die Kosten für den Polizeieinsatz in Rechnung gestellt werden.

Die Massnahmen-Gegnerinnen foutieren sich um die Regeln, die für andere gelten, die ihre Meinung zum Ausdruck bringen wollen. Die Stadt hat in der Vergangenheit Kundgebungen linker Gruppierungen samstags in der Altstadt systematisch erst nach Ladenschluss bewilligt. Angeblich aus Sicherheitsgründen. Das Bundesgericht beschäftigte sich mit dieser «gewerbeschonenden Praxis» und taxierte sie als grundrechtskonform.

Ein böses politisches Foul

Den Corona-Demonstranten ist es egal, wenn sie den Verkehr und das Gewerbetreiben in der Stadt lahmlegen. Hauptsache maximale Aufmerksamkeit für die eigenen Anliegen erzielen. Wer keine Bewilligung hat, braucht sich wegen Auflagen keinen Kopf zu machen. Das ist ein böses politisches Foul.

Die Luzerner Polizei unternimmt nichts. Wer eine Demonstration organisiert ohne eine Bewilligung einzuholen, macht sich ja lediglich eines Vergehens schuldig – und nicht etwa eines Verbrechens. Eine Kundgebung mittels Wasserwerfer oder Tränengas aufzulösen und die demokratischen Grundrechte damit einzuschränken, ist aus Sicht der Luzerner Polizei nicht verhältnismässig (zentralplus berichtete).

Die Luzerner Polizei setzt ein gefährliches Signal

Das ist vom rechtlichen Gesichtspunkt her nachvollziehbar. Aber welches Signal wird damit gesetzt? Wenn die Polizisten bekannte Demonstranten freundlich grüssen und für den Kundgebungszug freundlicherweise die Strasse frei machen, vermittelt das den Eindruck, Rechtsverstösse würden geduldet. Das schwächt auf Dauer das Vertrauen in die Luzerner Strafverfolgungsbehörden. Warum sollte sich an Demos künftig irgendwer an die Regeln halten, wenn klar ist, dass diese ohnehin nicht durchgesetzt werden?

Klar, das Recht auf freie Meinungsäusserung ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. «Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen», soll Voltaire gesagt haben. Dem ist beizupflichten. Wenn die demokratischen Grundrechte eingeschränkt werden, wenn es zu Verhaftungen kommt und zum Einsatz von Tränengas, dann fühlen sich die Massnahmenkritiker in ihrer Kritik erst recht bestätigt. Zweifellos würden sie entsprechende Vorkommnisse instrumentalisieren, um ihr Narrativ einer diktatorischen Schweiz zu untermauern.

2007 landeten Jugendliche im Sonnenberg-Bunker

Vor 15 Jahren wehte in Luzern noch ein anderer Wind. 2007 wurde eine unbewilligte Demonstration von der Luzerner Polizei im Vögeligärtli brutal aufgelöst. Was folgte, war ein gesellschaftlicher Aufschrei. Die Zeiten, in denen Jugendliche in den Sonnenberg-Bunker gesperrt wurden und sich nackt ausziehen mussten, wünscht sich keiner zurück.

Die Provokationen der Massnahmengegner zu ignorieren und deren Parolen auszuhalten, stoppt die Eskalation aber nur kurzfristig. Einzelne Politiker fordern bereits, dass die Polizei «härter durchgreifen» soll (zentralplus berichtete). Das Anliegen ist berechtigt. Immerhin endet die Freiheit des Einzelnen dort, wo die Freiheit des anderen beginnt, wie Kant so schön sagte. Die Massnahmen-Kritiker gefährden mit ihrer Haltung die Eindämmung der Pandemie und prangern die Spaltung der Gesellschaft an, die sie selber bewirtschaften.

Zudem haben sie die ganze Stadt lahmgelegt, zahllose Autofahrerinnen zu unfreiwilligen Stopps genötigt und ein Polizeiaufgebot ausgelöst, das seines gleichen sucht. Deshalb gilt es, Grenzen zu setzen: Indem die Polizei künftig zumindest verhindert, dass die Demonstrantinnen mit illegalen Kundgebungen den Verkehr zum Erliegen bringen – und indem die Justiz den Beweis antritt, dass sie derartiges Verhalten nicht toleriert, sondern die Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht.

Hinweis: Bereits am Montag wurde in Luzern wieder gegen die Ausweitung der Zertifikatspflicht demonstriert. Diesmal holten die Organisatoren eine Bewilligung ein (zentralplus berichtete).

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