Unternehmenssteuern Kanton Luzern

Die Debatte über die Steuerstrategie wird schärfer

Die Folgen der Steuerstrategie: 41 Prozent der Luzernerinnen und Luzerner müssen 2013 höhere Steuern bezahlen

(Bild: Robert Müller)

Die Absenkung der Unternehmenssteuern auf das schweizweit tiefste Niveau führt in vielen Gemeinden des Kantons Luzern zu einem bösen Erwachen: In den Gemeindekassen fehlt Geld von Unternehmungen. Jetzt bröckelt die Bereitschaft, die Tiefsteuerstrategie des Kantons mitzutragen.

Dem parteilosen Finanzdirektor Marcel Schwerzmann ist der Überdruss anzumerken: Er hat die Diskussionen um die tiefen Unternehmenssteuern im Kanton Luzern satt. «Jetzt müssen wir aufhören mit diesen Diskussionen. Wir müssen an diese Steuerstrategie glauben und das durchziehen.»

Doch der Wunsch des Finanzdirektors wird nicht erfüllt, im Gegenteil. Die Diskussionen um die Tiefsteuerpolitik werden hitziger, wie Schwerzmann einräumt. «Das ist leider so, die Diskussionen haben an Schärfe zugenommen.» Für ihn sind sie schädlich – doch davon später.

Jede vierte Gemeinde erhöhte Steuern

Die Diskussionen um die tiefen Unternehmenssteuern neu befeuert hat am 7. Oktober die dem Finanzdepartement unterstellte Dienststelle LUSTAT Statistik Luzern. LUSTAT schrieb, die seit 2012 wirksame Halbierung der Unternehmenssteuern habe zu einem starken Rückgang der Gemeindesteuererträge geführt. Als Folge davon musste im laufenden Jahr jede vierte Gemeinde den Steuerfuss erhöhen.

Zu den am stärksten betroffenen Gemeinden gehört Altishofen im Wiggertal. Dort sind seit der Halbierung der Unternehmenssteuern 28 Prozent des Steueraufkommens weggebrochen. Das Transportunternehmen Galliker AG und weitere Unternehmen zahlten 2012 nur noch 600’000 Franken in die Gemeindekasse ein – statt 1,2 Millionen wie noch im Jahr 2011.

Spielraum für Gemeinden ist klein

41 Prozent zahlen höhere Steuern

Die Luzerner Gemeinden nahmen 2012 gut eine Milliarde Franken aus ordentlichen Gemeindesteuern ein, das sind 4,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Das gab LUSTAT Statistik Luzern am 7. Oktober bekannt und gab als Grund an: «Vor allem die Halbierung der Gewinnsteuer bei den juristischen Personen trug zum Rückgang der Gemeindesteuererträge bei.»

Die Steuereinnahmen von Unternehmen gingen von 173 Millionen Franken um 34 Prozent auf 113 Millionen Franken zurück; der Anteil der Firmensteuern sank von 16,8 Prozent im Jahr 2011 auf 11,5 Prozent im Jahr 2012. Als Folge davon mussten 21 Gemeinden für das laufende Jahr den Gemeindesteuerfuss erhöhen. 41 Prozent der Luzernerinnen und Luzerner zahlen höhere Steuern. Wie viele Gemeinden auf nächstes Jahr höhere Steuern beschliessen, ist noch nicht klar.

Die ausführliche Dokumentation von LUSTAT gibt es hier.

«Wir wussten, dass die Erträge von Unternehmen wegbrechen und haben Reserven gebildet», erklärt Urs Kaufmann (CVP), Gemeindepräsident von Altishofen. «Die Reserven ermöglichen uns, den Steuerfuss für nächstes Jahr zu halten. Der Finanzplan sieht aber bis ins Jahr 2018 eine Steuererhöhung von 1/10 bis 2/10 Einheiten vor.»

Die Gemeindeführung hat kaum noch Spielraum. Urs Kaufmann sagt: «Die meisten Kosten sind zweckgebunden, bei der Schule, bei der Pflegefinanzierung oder beim neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht. Das Sparpotential ist klein.»

Ebenfalls stark betroffen ist die Gemeinde Dierikon im Rontal. Hier brachen 2012 auf einen Schlag rund 900’000 Franken Unternehmenssteuern weg, vor allem seitens der Migros Betriebszentrale und des Maschinenunternehmens Komax. «Wir wollen die Einbrüche abfedern mit dem Verkauf eines Grundstücks», sagt Gemeindepräsident Hans Burri (CVP). Doch das reicht nicht. Darum muss der Gemeinderat an der Gemeindeversammlung vom kommenden Dezember eine Steuererhöhung beantragen.

Die Gemeinde Zell im Luzerner Hinterland hofft, dass sie eine Steuererhöhung noch hinausschieben kann. Auch hier fehlen 900’000 Franken, weil für alle Unternehmen im Dorf die Steuern halbiert wurden. «Investitionen werden noch vertiefter geprüft und wir versuchen, trotz fast zu neunzig Prozent gebundenen Ausgaben zu sparen, wo es geht», sagt Gemeindepräsident Markus Tremp (CVP). In Zell ist unter anderem der grosse Fleischverarbeiter Bell AG tätig.

Mit Steuererhöhungen Löcher stopfen

Auch Triengen vermisst Unternehmenssteuern – unter anderem der Firma Trisa AG: «Uns entgingen rund 600’000 Franken Steuern aller Unternehmungen, diesen Ausfall mussten wir mit einer Steuererhöhung abfangen», erklärt Gemeindepräsident Martin Ulrich (FDP). Bereits im laufenden Jahr 2013 müssen die Einwohner mehr an Steuern abliefern.

Sogar 16 Millionen Franken verlor bekanntlich die Stadt Luzern 2012 wegen der Halbierung der Unternehmenssteuern. Immerhin stimmte die Stadtbevölkerung für das laufende Jahr einer Steuererhöhung zu. Für den Luzerner Stadtpräsidenten Stephan Roth (CVP) ein Lichtblick: «Aufgrund der städtischen Steuererhöhung um eine Zehntel-Steuereinheit per 1.1.2013 erwarten wir im Jahr 2013 höhere Steuereinnahmen von juristischen Personen als im Jahr 2012.»

Nicht den billigsten Preis anbieten

In den von tiefereren Unternehmenssteuern betroffenen Gemeinden ist die Ernüchterung gross. Zwar unterstützen alle angefragten Gemeindevertreter die Senkung der Unternehmenssteuern. Hinter das Ausmass und das Tempo setzen sie aber Fragezeichen.

Und die Gemeindevertreter überlegen – nachdem jahrelang der Begriff «Steuerhölle» die Debatten geprägt hatte – wieder selbstbewusster. So sagt etwa Luzerns Stadtpräsident Stephan Roth: «Die Höhe der Steuer ist vergleichbar mit dem Preis für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Die Qualitäten der Stadt Luzern als Wohn- und Wirtschaftsstandort sind sehr hoch. In verschiedensten Rankings erreichen wir regelmässig vorderste Plätze. Von daher müssen wir nicht den billigsten Preis anbieten, um Interessenten anzuziehen.»

Gleichgewicht geht verloren

Der Preis hat für Stephan Roth aber auch mit der Marktlage zu tun. «Steuerlich befinden wir uns in einem äusserst kompetitiven Umfeld und es war richtig, dass wir uns bewegt haben.» Trotzdem kritisiert Roth die forsche Tiefsteuerstrategie: «Ich bin der Auffassung, dass auch eine weniger tiefe Senkung der Unternehmenssteuern eine ähnliche Wirkung erzielt hätte.»

«Die Geschwindigkeit ist zu hoch, man hätte die Senkung der Unternehmenssteuern über mehrere Jahre abstufen müssen», ist Urs Kaufmann, der CVP-Gemeindepräsident von Altishofen, überzeugt. «In einem gerechten Staat profitieren gleichermassen die Bürger und die Wirtschaft von allgemeinen Leistungen, aber jetzt verlieren wir da das Gleichgewicht.»

Zu grosser Aderlass

«Auch ich will einen starken Kanton», betont der Triengener Gemeindepräsident Martin Ulrich (FDP), «und die Steuerstrategie ist grundsätzlich richtig. Aber wir hätten nicht Vollgas geben und bis an die tiefste Grenze gehen müssen. Wenn es zu einem Leistungsabbau kommt, bezahlen die sozial Schwachen am meisten dafür».

«Wir hätten bei den Unternehmenssteuern nicht gleich die Nummer 1 der Schweiz werden müssen», pflichtet Hans Burri (CVP) in Dierikon bei, «denn jetzt müssen die normalen Steuerzahler dafür büssen. Wir hätten moderater vorgehen können.» Und auch der Finanzchef von Zell, Meinrad Birrer (CVP), meint: «Jetzt ist der Aderlass wegen den halbierten Unternehmenssteuern zu gross. Die Rechnung zahlen jetzt vor allem die natürlichen Personen.»

Der Grund: Wenn Gemeinden jetzt die Steuern erhöhen müssen, bezahlen zwar alle mehr, Unternehmen wie Privatpersonen. Doch bei den Unternehmen fällt die Erhöhung wegen des sehr tiefen Steuersatzes proportional deutlich geringer aus als für Privatpersonen.

Ruf mit Paukenschlag korrigieren

«Es ist möglich, dass einzelne Gemeinden mit einem hohen Anteil von Unternehmen massive Einbussen haben», räumt der kantonale Finanzdirektor Marcel Schwerzmann ein. «Aber diese Gemeinden haben zugleich einen grossen Vorteil, den man nicht geringschätzen darf: Wenn die Unternehmenssteuern sinken, haben die ansässigen Firmen ein grösseres Potential, sich zu entwickeln.»

Vor allem aber wehrt sich der Finanzdirektor gegen die Forderung nach einem moderateren Vorgehen. «Wenn man lange den Ruf hatte, eine Steuerhölle zu sein, kann man diesen Ruf nur mit einem Paukenschlag korrigieren. Nur so kommen wir bei den internationalen Steuerberatern und Ansiedlungsanwälten in die Dossiers rein.»

Mit den Grossen im Geschäft

Tatsächlich habe es der Kanton Luzern geschafft, bei den Grossen im Geschäft, etwa bei Beraterfirmen wie KPMG, PricewaterhouseCoopers, Ernst & Young, oder Deloitte auf die Bestenliste zu kommen. «Nur mit kleinen Schritten erreicht man diese Aufmerksamkeit nicht.»

Marcel Schwerzmann verweist auf die Erfolgszahlen der Wirtschaftsförderung bei Firmenansiedlungen und Handelsregistereinträgen (ein Plus von 8 Prozent in den letzten drei Jahren). Doch diese Zahlen allein sagen noch gar nichts aus über das Steueraufkommen dieser Firmen.

«Wir können erst in zwei bis drei Jahren statistisch belegen, dass sich das Steuersubstrat positiv entwickelt hat», räumt Finanzdirektor Schwerzmann ein. «Erste positive Zahlen liegen aber schon vor. Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren, sondern müssen abwarten.»

Die Unternehmen durchfüttern

In den besonders vom Einbruch bei den Unternehmenssteuern betroffenen Gemeinden wird die Ernüchterung inzwischen aber auch in der Bevölkerung spürbar. Zwar haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Steuerstrategie mit 67-prozentiger Zustimmung abgesegnet, doch die Konsequenzen hat wohl niemand so richtig vorausgesehen.

«Die Bevölkerung würde es sich heute wohl zweimal überlegen, nochmals einer Halbierung der Unternehmenssteuern zuzustimmen», beobachtet CVP-Gemeindepräsident Urs Kaufmann in Altishofen. Und Parteikollege Markus Tremp in Zell hört Rückmeldungen von Bürgern wie: «Das ist ja logisch, dass jetzt die Konsequenzen sichtbar werden». Aber auch: »Wir normale Steuerzahler müssen jetzt die Unternehmen durchfüttern.» Und damit sind wir wieder bei der Verärgerung des  Finanzdirektors.

 Schädliche Diskussionen

«Diese ewigen Diskussionen sind schädlich». Davon ist Finanzdirektor Marcel Schwerzmann überzeugt. «Die Kunden in der Wirtschaft wollen ein stabiles Umfeld», sagt er,  «aber wenn man dauernd an der Strategie herumkritisiert, werden die Kunden verunsichert.» Schwerzmann sagt, er bekomme jetzt von den internationalen Steuerberatern und Ansiedlungsanwälten ein entsprechendes Feedback. «Die Vertrauenssituation wird gestört.»

Will der Finanzdirektor damit die politische Debatte unterbinden? «Nein», sagt Schwerzmann, «wir müssen uns aber bewusst sein, welche Aussenwirkung diese Diskussion hat.» Die Diskussion solle im geordneten politischen Rahmen geschehen, im November im Kantonsrat bei der Diskussion des Finanzleitbildes und im Dezember bei der Budgetdebatte.

Und da dürften wohl die Fetzen fliegen. Denn es geht unter anderem um eine Erhöhung der kantonalen Steuern. Die Grünen und die SP fordern Korrekturen an der Tiefsteuerpolitik. Der Finanzdirektor wird wohl abermals wiederholen: «Wir müssen jetzt an diese Steuerstrategie glauben, sie durchziehen und durchstehen.»

zentral+ berichtet in den nächsten Wochen regelmässig über Unternehmenssteuern.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von rahel.estermann
    rahel.estermann, 25.10.2013, 02:11 Uhr

    «Jetzt müssen wir aufhören mit diesen Diskussionen. Wir müssen an diese Steuerstrategie glauben und das durchziehen.»

    «Wir können erst in zwei bis drei Jahren statistisch belegen, dass sich das Steuersubstrat positiv entwickelt hat […] Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren, sondern müssen abwarten.»

    «Diese ewigen Diskussionen sind schädlich»

    «aber wenn man dauernd an der Strategie herumkritisiert, werden die Kunden verunsichert. […] Die Vertrauenssituation wird gestört.»

    «Wir müssen jetzt an diese Steuerstrategie glauben, sie durchziehen und durchstehen.»

    Glauben und ja keine kritischen Fragen stellen, sondern bloss die Klappe halten – das erinnert irgendwie schwer ans Mittelalter…

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