Der Zuger CVP-Präsident provoziert Birrer-Heimo

«Die Aussage von Pfister ist völlig daneben»

Gerhard Pfister legt die Karten gerne auf den Tisch, jetzt auch über Religiöses.

(Bild: Manuel Lopez)

CVP-Präsident Gerhard Pfister weiss, wie man Aufmerksamkeit erhält: Mit flotten Tweets zum Beispiel. Wie jüngst im Bundesrats-Quotenstreit, wo er über das Frauenbild der Linken lästert und damit Widerspruch von der Luzerner SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo erntet. Wenn ihm das Thema nur nicht um die Ohren fliegt.

Bereits über einen Monat vor der Bundesrats-Ersatzwahl greift CVP-Präsident Gerhard Pfister zum verbalen Zweihänder und teilt auf Twitter gegen die Linken und ihr Frauenbild aus.

Der Hintergrund des Tweets: Die Linken bauen die Waadtländer FDP-Nationalrätin Isabelle Moret zur Gegenkandidatin zum Tessiner Kronfavoriten und FDP-Fraktionschef Ignazio Cassis auf, seit sie am vergangenen Wochenende ihre Kandidatur bekanntgegeben hat. Sie soll am 20. September anstelle von Cassis als Nachfolgerin des zurücktretenden Bundesrates Didier Burkhalter in die Regierung gewählt werden.

«Es gibt mehr Frauen als Tessiner in der Bevölkerung», sagte als Begründung dafür die Baselbieter Bio-Bäuerin Maya Graf – auch Nationalrätin und Co-Präsidentin des Frauenverbands Alliance F – auf der Onlineplattform «watson.ch» und erregte damit Pfisters Zorn in Form des besagten Tweets.

Pfister ist ein Cassisianer

Klar scheint: Pfister ist ein Verfechter von Cassis’ Sache, auch wenn er sich gegenüber zentralplus nicht festlegen will, wen er in den Bundesrat wählen wird. In der «Luzerner Zeitung» hatte Pfister behauptet, Cassis sei «so gut wie gewählt». Pfister selber zeigte sich in letzter Zeit in der italienischsprachigen Schweiz und trat am 1. August in Poschiavo auf.

Neben der 18-jährigen Abwesenheit der Tessiner in der Landesregierung dürfte Pfister insbesondere die ordoliberale, «rechtere» Gesinnung» von Cassis gefallen. Moret gilt als gemässigter als der Tessiner Hardliner, der in der Westschweizer Presse über Frauenquoten spottete und gegen die AHV-Reform von Innenminister Alain Berset Sturm läuft. 

2010 war die Ausgangslage ganz anders

Doch ist es wirklich angemessen, in diesem Zusammenhang die Populismus-Keule zu schwingen und auf die 2010 nicht erfolgte Wahl der St. Galler FDP-Politikerin Karin Keller Sutter zu verweisen? Immerhin wäre Keller Sutter, die damals noch nicht auf nationaler Ebene politisierte, im Jahr 2010 bereits die fünfte Frau in der Landesregierung gewesen. An ihrer Stelle wurde damals Johann Schneider-Ammann gewählt.

Prisca Birrer-Heimo im Nationalratssaal.

Gibt sich bedeckt: Prisca Birrer-Heimo (SP), Nationalrätin aus Rothenburg

(Bild: Priska Ketterer, Luzern)

Gerhard Pfister sagt, er selber habe Keller Suter im Jahr 2010 gewählt. Die einzige linke Nationalrätin der Zentralschweiz, die Luzernerin Prisca Birrer-Heimo (SP), gibt jedoch zu bedenken, «dass bereits 2010 viele bürgerliche Politiker fanden, schon vier Frauen seien zu viel». Wen sie damals bevorzugte, will sie nicht verraten, ebenso wenig, wen sie im September wählen wird. «Dies ist mein persönlicher Entscheid», sagt Birrer-Heimo. Sie werde in den nächsten Wochen entscheiden.

Nur Sommaruga bleibt noch länger

Mittlerweile hat die Schweiz jedoch nicht mehr vier Bundesrätinnen, sondern nur noch zwei und Doris Leuthard hat überdies ihren Rücktritt angekündigt. Birrer-Heimo findet deshalb: «Die Frauen sind im Bundesrat klar untervertreten.» Es gäbe kompetente Frauen für dieses Amt. «Bei den kommenden Ersatzwahlen muss das berücksichtigt werden.»

«Die Frauen sind im Bundesrat klar untervertreten.»

Prisca Birrer-Heimo, Nationalrätin SP, Rothenburg

Eines weiss die Konsumentenschützerin bestimmt: «Die Aussage von Gerhard Pfister ist völlig daneben.» Es gehe nicht um die Frage «richtig» oder nicht. «Frauen haben unterschiedliche Haltungen, Erfahrungen und Kompetenzen, das spielt sowohl bei Frauen wie bei Männern bei Bundesratswahlen eine Rolle.»

Pfister liebt die Prägnanz eines Tweets

Eine solch differenzierte Aussage kann der rechts der Mitte politisierende Pfister mit den 140 Zeichen eines Tweets nur schwerlich machen. Aber er nimmt die Zuspitzung und inhaltliche Verengung einer Aussage bei seinem bevorzugten Kommunikationsmittel auch bewusst in Kauf. Auf Anfrage meint Pfister, der Tweet sei absolut ernst gemeint.

Damit begibt er sich auf gefährliches Terrain. Mit seinem provokanten Tweet will er natürlich nur ausdrücken, dass für Linke lediglich in der Frauenbewegung engagierte Frauen als Frauenvertreter politisch annehmbar sind – was sicher nicht falsch ist.

Wie steht es mit dem Aussehen?

Aber dann wäre auch der umgekehrte Spruch zu prüfen: Für Rechte sind linke Frauen keine «richtigen» Frauen. Diesbezüglich hat der Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner schon mal vorgespurt. Anfang Jahr schrieb er auf Facebook, er wisse schon, warum Juso-Frauen links und feministisch seien. Darunter posteten Besucher in über 100 Kommentaren Bezeichnungen wie «Brechmittel», «Zombies», «Vogelscheuchen» oder «Schachteln».

Was also macht die Frau zur Frau? Ihr Dasein als Emanze oder Sexbombe? Oder sind ein paar Politiker bei der Charakterisierung der weiblichen Existenz auf dem Holzweg?

 

Bemerkung: Der Text wurde nach Erstpublikation mit den später eingetroffenen schriftlichen Äusserungen von Gerhard Pfister ergänzt. Er distanziert sich übrigens von Glarners Sichtweise. 

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