Der erste Parteienmarkt: «Inzestveranstaltung» im Vögeligärtli
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Stell dir vor, sämtliche Stadtluzerner Parteien präsentieren sich und niemand geht hin. Ausser ein paar zufälligen Passanten, unverschämten Goodie-Abstaubern – und natürlich zentralplus. Ein höchst subjektiver Augenschein.
«Wer vorbeikommt, kann die Parteien direkt vergleichen und sich ein Bild von den Kandidierenden machen.» So bewarb die Stadt Luzern den neu eingeführten «Markt der Parteien» vor wenigen Wochen.
Am Samstag – eine Woche vor den Kommunalwahlen vom 28. April – ist es schliesslich soweit: Sämtliche Stadtluzerner Parteien versammeln sich für mehrere Stunden im Vögeligärtli in Luzern, um sich und die eigenen Anliegen der Bevölkerung näherzubringen. Doch wie schlagen sich die Parteien an diesem nasskalten Vormittag? zentralplus nimmt die Stände genauer unter die Lupe.
Für alle – und doch für wenige
Dieser abgewandelte SP-Slogan trifft auf sämtliche Markt-, äh-: Parteistände an diesem Samstagmorgen zu. Von der SVP bis zu den Grünen - das ganze Parteienspektrum der Stadt Luzern präsentiert sich unter sechs mehr oder minder bunten Partyzelten.
Was fehlt, ist einzig das Publikum. Liegt es an der vielgenannten Politikverdrossenheit? An der dürftigen Bewerbung des Anlasses? Oder ist es doch der wolkenverhangene, inkontinente Himmel, sind es die winterlichen Temperaturen, die einen Grossaufmarsch der Stadtluzerner Wählerschaft verhindern?
Der bunte Hund
Diesen Titel heimst sich – Überraschung! – der Stand der FDP ein. Jene Partei, welche diesen Anlass initiiert hat – was den Standvertreter aber nicht davon abhält, von einer «Inzestveranstaltung» zu sprechen, aufgrund des fehlenden Publikums.
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Nun denn, wer sich trotzdem ins Vögeligärtli verirrt, dem wird wenigstens einiges geboten fürs Auge: Pinke und blaue Heliumballone flankieren den Stand, nebst obligaten Konterfeit-Blättli und grossspurigen Versprechen («Die FDP macht Zukunft» – als ob es ohne liberale Beteiligung keine gäbe!) sorgen eine Vielzahl von Blümchen für Farbtupfer. Farbtupfer, die gar noch an die Stände der rivalisierenden Politkräfte verteilt werden. Die FDP kann es ja doch, das Umverteilen.
Die Pragmatischen
Gegen das garstige Wetter kann auch das Sünneli in ihrem Logo heute nichts ausrichten. Immerhin sorgt aber die städtische SVP für etwas Wärme: In der Form von Instantkaffee (Nescafé, das Original) aus dem Styroporbecher.
Dazu kann man sich noch ein Schokoladenherz krallen (weil die SVP ja hinlänglich bekannt ist für ihre Nächstenliebe?), und schon sieht alles wieder ein bisschen besser aus. Wozu die konservative Partei eine Milchkanne aufgestellt hat? Um damit ihre Unterstützung für das KMuhhh zu verdeutlichen?
Die Interaktiven
Die SP begnügt sich am Parteienmarkt nicht damit, allfälligem Publikum Spalier zu stehen. Das offenbart die morgendliche Lagebesprechung.
Geplant sind viele Interaktionen mit dem Wählervolk. Zum einen kann am Glücksrad gedreht werden, wo es nicht nur gesunde Äpfel, sondern sogar Süssigkeiten aus Knochenmehl zu gewinnen gibt. Zum anderen kann man sich die Fingernägel lackieren lassen und gar eine Boombox wurde angeschleppt: für gelegentliche Liveinterviews mit der anwesenden Politikprominenz. Gehört davon hat man in der ersten Stunde aber nichts.
Die Puristen
Schöggeli? Etwas zu trinken oder sonst ein Goodie? Das alles braucht man bei den Grünen gar nicht erst zu suchen. Sie haben den Spiess vielmehr umgedreht. Interessierte dürfen hier Unterschriften deponieren sowie Wünsche für die Stadt Luzern.
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Ebenfalls willkommen sind Spenden. Im Gegenzug gibt es hier ganz viele Inhalte. Und die Möglichkeit für einen Schwatz mit der Berner Grünen-Nationalrätin Aline Trede. Die bietet dann immerhin ein Sportmint an.
Die zu Sachlichen
Seriös, um nicht zu sagen konventionell-langweilig, präsentiert sich der Stand der Grünliberalen. Lächelnde Gesichter und kühne Versprechen – geschenkt auch hier. Im Zentrum aber steht hier die «Sachpolitik».
Und tatsächlich schaltet Standvertreter und Co-Präsident Michael Küchler sofort in den Politikermodus, betont, wie sehr es das Politisieren der Grünliberalen, abgestützt auf Wissenschaft und jenseits von Polemik und Ideologie, brauche, erklärt die Vorzüge des Schweizer Parteiensystems und die beängstigenden Zustände der amerikanischen Demokratie. Wir lassen uns ein «sehr ökologisches» Papier mit eingeschlossenen Blumensamen aushändigen sowie einen Glückskeks – und flüchten zum nächsten Stand.
Die Aussenseiter
Die Mitte schnuppert Polluft und findet sich für einmal am Rande wieder. Die Vertreter der Konsenspartei schlechthin lassen sich davon aber nicht beirren und legen einen (gewohnt?) grundsoliden Auftritt hin. Das Partydach erstrahlt im bekannten Orange, daneben mangelt es auch hier nicht an Politikerlächeln, Infobroschüren und grossen Versprechen à la «Politisieren statt polarisieren» (ob sich das Gros der Wählerschaft nicht viel eher beherztes Handeln anstelle von Politisieren wünscht?).
Erst auf den zweiten Blick ist ein Seitenhieb in Richtung Konkurrenz zu erkennen: Sonnencrèmetuben im Mitte-Look. Nicht, um Wähler vor der Sünneli-Partei zu schützen, sondern um der SP zu zeigen: Sonnenschutz muss nicht zwingend die Stadt gratis zur Verfügung stellen (zentralplus berichtete).
Viel Luft nach oben
Das Fazit dieser Veranstaltung: Das Format wird von den Politikern durchs Band geschätzt. In Sachen Wetter und Publikumsaufmarsch gibt es aber noch viel Luft nach oben. Möglicherweise ist die Zustimmung für den Parteienmarkt auch unter all jenen hoch, die dem Anlass ferngeblieben sind. Wann sonst sind Parteiapostel und Politikjünger jeglicher Couleur an einem einzigen Ort versammelt – und können so elegant umschifft werden?
- Augenschein im Vögeligärtli
- Website der Stadt Luzern