Ritterrüstung, Ganzkörperporträt, Guerillafahne

Das sind die kreativsten Zuger Wahlplakate

Vroni Straub-Müller in vierfacher Ausfertigung: Die Stadtzuger CSP-Politikerin wirbt mit Ganzkörperplakaten für ihre Kandidatur.

(Bild: woz)

Köpfe, Köpfe, Köpfe: Der Wahlkampf im Kanton Zug hat unübersehbar begonnen. Von überallher schauen Politiker die Wähler an – häufig von uniform wirkenden Parteiplakaten. Doch es geht auch ganz anders, ritterlich oder in Lebensgrösse beispielsweise. Auch wenn man da schon einmal geköpft wird.

Will er nun den Gemeinderat Baar oder den Kantonsrat in die Ritter der Tafelrunde verwandeln? Oder ist das nur ein Gag? Das Wahlplakat des Baarer Kandidaten Martin Pulver sticht auf jeden Fall sofort aus dem Einheitsbrei der unzähligen Parteiplakate heraus, die jetzt wieder an allen Ecken und Enden stehen.

«Es soll mal etwas Anderes sein und witzig sein», sagt Martin Pulver. Der Baarer Advokat, der seit 2011 auch als Präsident des Fussballklubs FC Baar amtet, ist sich sicher, dass er als unabhäniger Kandidat mehr Aufmerksamkeit unter den Wählern hervorrufen müsse als Parteikandidaten mit der entsprechenden Infrastruktur.

Idee stammt von einem zürcherischen Gemeindepräsidenten

Zu diesem Zweck hat er sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Mit Ritterrüstung, Helm und Schwert oder wahlweise Hellebarde ist er als urchiger Zeitgenosse auf seinen Wahlplakaten abgebildet. Die Ritterrüstung hat sich Pulver bei einem Kostümverleih in Basel ausgeliehen, der auch professionelle Schauspieler ausstattet.

Wechselweise mit Hellebarde oder mit Schwert: Der unabhängige Baarer Gemeinde- und Kantonsratskandidat Martin Pulver hat sichtlich aufgerüstet – auf jeden Fall gibt er sich ritterlich.

Wechselweise mit Hellebarde oder mit Schwert: Der unabhängige Baarer Gemeinde- und Kantonsratskandidat Martin Pulver hat sichtlich aufgerüstet – auf jeden Fall gibt er sich ritterlich.

(Bild: woz)

«Ich bin an einem Morgen um sechs Uhr früh deshalb extra nach Basel gefahren, habe die Metall-Rüstung ausgeliehen und anschliessend gleich von einem Fotografen die Bilder dazu schiessen lassen», so der unabhängige Ritter aus Baar. Die Rüstung habe ungefähr zehn bis 15 Kilogramm gewogen. «Es hat sich nicht sehr speziell angefühlt – allerdings habe ich natürlich schon mehr darin geschwitzt, als wenn ich an diesem Tag nur ein Hemd getragen hätte.»

«Das Plakat ist überhaupt nicht brutal und martialisch gemeint. Die meisten haben es bisher witzig gefunden.»

Martin Pulver, unabhängiger Gemeinderatskandidat

Die Idee zu den Bildern mit der Ritterrüstung stammt nicht einmal von Pulver selbst. «Ein Freund und Kollege, der Gemeindepräsident in Meilen im Kanton Zürich ist, hat mich drauf gebracht», räumt der 51-Jährige ein. Dort habe auch ein unabhängiger Kandidat mit Rüstung kandidiert – und sei schliesslich gewählt worden. Dank der Rüstung?

«Meine Chancen, gewählt zu werden, sind sehr schwierig einzuschätzen», erklärt Pulver, der auf keinen Fall ein Raubritter sein will. Der Wahlslogan «Ihr Kämpfer für Baar» sei nur verbal gemeint, sagt der aktive Judoka. Seine politische Heimat sei «klar bürgerlich». Seine Positionen liessen sich irgendwo zwischen SVP und FDP verorten – manchmal auch bei der CVP (zentralplus berichtete).

Virginia Köpfli: Erst machte sie mit BH-Verbrennungen Schlagzeilen. Jetzt macht die Hünenberger Kantonsratskandidatin Wahlkampf mit Guerillafahnen.

Virginia Köpfli: Erst machte sie mit BH-Verbrennungen Schlagzeilen. Jetzt macht die Hünenberger Kantonsratskandidatin Wahlkampf mit Guerillafahnen.

(Bild: woz)

Reaktionen auf sein Wahl-Rittertum habe er auch schon erhalten. «Die meisten haben es witzig gefunden, nur einer fand diese Ritterrolle brutal und martialisch – dabei ist es wirklich gar nicht so gemeint», versichert Pulver. «Ich will mich nur voll und aufopfernd für meine Sache einsetzen.»

Junge SP-Kantonsratskandidatin wirbt mit Guerillafahnen

Nicht mit Ritterrüstung, sondern mit Guerillafahnen zieht derzeit die junge Hünenberger Sozialdemokratin Virginia Köpfli in den Wahlkampf. Die 23-Jährige studiert an der Universität Bern Geschichte und Islamwissenschaften und leitet bei der Juso Schweiz das Ressort Gleichstellung (zentralplus berichtete).

«Die Fahnen sollen das Dogma auflösen, dass nur mit viel Geld eine Kampagne gewonnen werden kann.»

Virginia Köpfli, SP-Kantonsratskandidatin, Hünenberg

Auch vor provokativen Aktionen schreckt die eifrige Polit-Aktivistin bekanntlich nicht zurück: Im Frühjahr letzten Jahres verbrannte sie gemeinsam mit anderen Juso-Mitgliederinnen ihren Büstenhalter, eine Aktion, die für den Women’s March mobilisieren sollte. Mit ihrem Engagement hat sich Virgina Köpfli auch in die Riege der Zuger «Wonder Women» eingereiht. Nun also Guerillafahnen.

«Die Fahnen sollen das Dogma auflösen, dass nur mit viel Geld eine Kampagne gewonnen werden kann, sondern eben auch Menschen allein durch ihr individuelles Engagement in der Gruppe wirken», sagt die Juso-Aktivistin.

Virginia Köpfli aus Hünenberg will für die SP in den Zuger Kantonsrat – und setzt dabei auf Guerillafahnen. Die kosten nicht viel.

Virginia Köpfli aus Hünenberg will für die SP in den Zuger Kantonsrat – und setzt dabei auf Guerillafahnen. Die kosten nicht viel.

(Bild: zvg)

Seit einigen Jahren gibt es Fahnen-Kampagnen zu nationalen Vorlagen, wie momentan zur Konzernverantwortungsinitiative. «Ich habe dies nun für meine Kantonsratskampagne auch ausprobiert. Momentan hängen in Hünenberg bereits 50 davon, und Ziel sind sicher 100», erklärt Köpfli. «Ich denke, die Idee, dass man neu auch in Wahlen solche Guerillakampagnen macht, ist sicher spannend.»

Die Ganzkörperporträts der Zuger Stadträtin

Zwar keine Fahnen, dafür aber sehr originelle Wahlkampf-Plakate hat die Stadtzugerin Vroni Straub-Müller entwerfen lassen. Bereits zum dritten Mal wirbt die CSP-Stadträtin, die nun auch Stadtpräsidentin werden will, mit Ganzkörperporträts.

«Ich wollte etwas Anderes als nur Wahlplakate, um besser wahrgenommen zu werden», erzählt die Zuger Bildungschefin zuhause in ihrem Wohnzimmer in Oberwil bei einer Tasse Tee.

Sie habe 2010 zum ersten Mal für die CSP für den Zuger Stadtrat kandidiert und habe sich dabei inspirieren lassen von Andreas Bossards Ganzkörperwahlplakaten – dem früheren Zuger Sicherheitschef. Als dieser dann 2014 nicht mehr für den Stadtrat kandidierte, war sie plötzlich allein mit ihren speziellen Wahlplakaten.

Die Ansprüche sind gestiegen, wie die Wahlplakate zeigen: Zuerst in den Stadtrat, dann wieder in den Stadtrat und nun auch noch Stadtpräsidentin. Vroni Straub-Müller, Zuger Bildungschefin, hat Grosses vor.

Die Ansprüche sind gestiegen, wie die Wahlplakate zeigen: Zuerst in den Stadtrat, dann wieder in den Stadtrat und nun auch noch Stadtpräsidentin. Vroni Straub-Müller, Zuger Bildungschefin, hat Grosses vor.

(Bild: woz)

30 Stück hat sie davon herstellen lassen – nach der Idee des Zuger Grafikers Daniel Christen. Eines der Plakate aus wetterfestem Plastik kostet «all inklusive» 100 Franken. 28 davon stellt sie in Gärten von Zuger Bekannten auf – auf diese Weise muss sie keine Stellfläche bezahlen. «Wenn ich die Wahlplakate dann wieder abhole, bringe ich natürlich schon ein Geschenkli mit», sagt die Oberwilerin.

«Mir wurde schon der Kopf abgeschnitten.»

Vroni Straub-Müller, Stadtzuger CSP-Bildungschefin

Seit letzten Sonntag stehen die Plakate nun in ganz Zug. Ihr Ehemann Peter und Sohn Felix haben die Werbung aufgestellt. «Die machen dann jeweils die nächsten sechs Wochen jeden Sonntag die Kontrolle, ob alle Plakate noch in Ordnung sind.» Denn Vroni Straub hat diesbezüglich schon Einiges erlebt.

«Ich liebe dich»

«Mir wurde der Kopf schon abgeschnitten – auf dem Plakat wohlgemerkt. Plakate wurden gestohlen und bemalt», berichtet die 51-Jährige, die von Beruf eigentlich Hebamme ist. «Einer hat mal draufgeschrieben: ‹Ich liebe dich› – das habe ich noch herzig gefunden», sagt Straub und lacht.

Bei den Bildern ihrer «Vroni-Sisters» hat sie auf Authentizität Wert gelegt. Sprich: Die Falten im Gesicht wurden nicht durch Photoshop ausgebügelt. Nur etwas grösser ist sie als in Wirklichkeit. «Statt realer 1,55 Meter bin ich auf den Plakaten etwa 1,58 Meter gross», sagt sie. Das kann ja nicht schaden – wenn man sich mit solchen Riesenkonkurrenten wie etwa CVP-Stadtratskollege Urs Raschle messen muss. Der hat bekanntlich stramme 1,97 Meter Grösse.

«Irgendwie macht Politik doch alt.»

Vroni Straub-Müller

Und doch wird Vroni Straub-Müller bei allem politischen Eifer auch nachdenklich, wenn sie ihre Wahlplakate so im Wandel der Zeit anschaut. «Irgendwie macht Politik doch alt.» Man sei eben extrem der Öffentlichkeit ausgesetzt, habe viele Abendsitzungen und Termine und friste einen unregelmässigen Tagesablauf. Sagt’s und trinkt einen beruhigenden Schluck Tee.

«Aufmerksamkeit kann mit Zuspitzungen erhöht werden»

Für Professor Iwan Rickenbacher, Politik- und Kommunikationsexperte, sind wichtige Quellen für die Wahlentscheidung neben den klassischen Medien neu Onlinekanäle – «vor allem für jüngere Wählerinnen und Wähler». Informationen auf Plakaten würden nach früheren Studien nicht einmal mehr die Hälfte der Wähler erreichen.

«Die Aufmerksamkeit für Plakate kann mit Zuspitzungen und Provokationen allerdings erhöht werden», ist Rickenbacher überzeugt. «Die Schäfchenplakate der SVP werden unterdessen in Deutschland kopiert.»

Im Fall des Baarer Kandidaten Martin Pulver soll die Ritterrüstung die politische Absicht des Kandidaten unterstreichen. «Die Wirkung dürfte aber mehr in der möglichen öffentlichen Diskussion über das Plakat liegen», so Rickenbacher.

 

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