Hohe Kosten für Krawallmacher

Das Polizeigesetz könnte gekippt werden

Demonstrieren kann mit dem neuen Polizeigesetz zu einer heiklen und teuren Angelegenheit werden.

(Bild: bra)

Wer demonstriert, kann neu für Schäden mit bis zu 30’000 Franken belangt werden: So will es das neue Polizeigesetz, das von der bürgerlichen Mehrheit im Parlament beschlossen wurde. Gut möglich, dass das Gesetz, kaum tritt es in Kraft, für ungültig erklärt wird. Bald schon wird sich eine höhere Instanz damit befassen müssen.

«Das Polizeigesetz wird Leute abschrecken, die ihre Grundrechte ausüben wollen.» Die mahnenden Worte des SP-Kantonsrates Martin Krummenacher hielten das Parlament nicht davon ab, das Gesetz am Montag in seiner schärfsten Ausprägung zu verabschieden: Bis zu 30’000 Franken müssen einzelne Personen bezahlen, wenn sie an einer Kundgebung oder an einer Veranstaltung Sachbeschädigung anrichten oder Gewalt anwenden. Wer an einer Demonstration zur falschen Zeit am falschen Ort ist und bei Randalen als mitverantwortlich taxiert wird, riskiert künftig also, dass er tief in die Tasche greifen muss.

Bürger werden abgeschreckt

Dagegen wehrt sich nun der Verein der Demokratischen Juristen Luzern (DJL). Sie wollen beim Bundesgericht Beschwerde einreichen. Grund: Das Gesetz beschneide die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit empfindlich, heisst es in einem Schreiben. Der Staat sei verpflichtet, Rahmenbedingungen für eine effektive Grundrechtausübung zu gewährleisten. Durch die Androhung von derart hohen Kosten werden Bürger zurückgeschreckt, so dass sie es unterlassen, an Demonstrationen und Kundgebungen teilzunehmen.

Unterstützung erhält das Anliegen auch vom Luzerner Gewerkschaftsbund. «Wir begrüssen es sehr, dass Beschwerde gegen das Gesetz erhoben wird», sagt Geschäftsleiter Marcel Budmiger. «Wir sind betroffen, weil Gewerkschaften auch Kundgebungen, Streiks und Demonstrationen durchführen.» Die Regierung habe in ihrem ursprünglichen Entwurf 4’000 Franken vorgeschlagen, das hätte etwa die Einsatzkosten gedeckt. Aber 30’000 Franken für einzelne Demonstrationsteilnehmer sei völlig unverhältnismässig, so Budmiger. «Neben der Gebühr sind ja noch eine Strafe und allenfalls Schadenersatz zu bezahlen.»

«Durch die Androhung von derart hohen Kosten werden Bürger zurückgeschreckt, so dass sie es unterlassen, an Demonstrationen und Kundgebungen teilzunehmen.»

Aussage der Demokratischen Juristen Luzern

Neu kann die Polizei in Eigenregie bestimmen, wie viel ein Demonstrant, der Schäden verursacht, zu bezahlen hat. «Damit wird die Polizei gezwungen, zum Richter zu werden», kritisiert Budmiger. Der hohe Betrag habe einen hohen Abschreckungseffekt für Leute, die ihr Grundrecht ausüben und an einer Kundgebung teilnehmen wollten. «Man fürchtet sich vor Ausschreitungen und dass es dann plötzlich heisst: mitgegangen, mitgefangen.» Das könne viele Leute davon abhalten, an so einer Veranstaltung teilzunehmen. Und dabei seien gewerkschaftliche oder politische Demonstrationen in Luzern in den letzten Jahren immer friedlich verlaufen.

Ähnliche Bedenken hat auch der grüne Kantonsrat Hans Stutz im Parlament geäussert. Jetzt, wo das Gesetz angenommen ist, befürchtet er weiteres Ungemach und warnt davor, dass der hoch angesetzte Betrag auf Behördenseite gar zu einem falschen Anreiz führen könnte: «Die Obergrenze von 30’000 Franken könnte die Polizei dazu verführen, Randale und Ausschreitungen in Kauf zu nehmen, schliesslich kann sie nachher grosszügig einkassieren.»

Rückendeckung von der Regierung

Dass Linke und Gewerkschaften gegen das verschärfte Polizeigesetz Sturm laufen, ist wenig erstaunlich. Wer aber glaubt, dabei handle es sich bloss um einen typisch linken Reflex und die Beschwerde habe darum vor Gericht ohnehin keine Chance, könnte sich täuschen. Bereits vor zwei Jahren hat das Luzerner Verwaltungsgereicht eine Klage von den Demokratischen Juristen, von SP, Juso, Grünen und Gewerkschaft gutgeheissen. Damals wurde in einer Gebührenverordnung festgelegt, dass bei einer Demonstration bis zu 40 Prozent oder mehr der Kosten allfälliger Schäden auf die Veranstalter abgewälzt werden können. Das Gericht befand diese Regelung schliesslich als nicht verfassungsgemäss, weil Betroffene von der Wahrnehmung der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit abgeschreckt werden könnten.

Rückendeckung gibt es auch von Seiten der Luzerner Regierung. Yvonne Schärli warnte im Parlament eindringlich davor, dass der Betrag von 30’000 Franken vor Gericht nicht standhalten werde. Die Aussage beruht auf einer Einschätzung des Rechtsdienstes des Justiz- und Sicherheitsdepartements sowie des Rechtskonsulenten des Regierungsrates.

Nochmals über die Bücher

Gemäss der Luzerner Regierung könnte die Beschwerde vor Bundesgericht gute Chancen auf Erfolg haben. Ein höherer Betrag als 4’000 Franken würde vom Gericht nicht gutgeheissen, betonte Schärli. Zu stark würde übergeordnetes Recht – die Versammlungsfreiheit – verletzt.

Gut möglich also, dass Luzern schon bald erneut über das Polizeigesetz befinden muss. Wird die Klage gutgeheissen, wird das Gesetz ausser Kraft gesetzt und der kantonale Gesetzgeber – der Kanton Luzern – müsste ein neues Gesetzgebungsverfahren initiieren.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon