Falsche Prognose zu Pauschalbesteuerung

«Das ist eine Irreführung der Wähler»

Politiker und Experten kritisieren sie scharf: Die Volksbotschaft der kantonalen Abstimmung zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung im März 2012. (Bild: cha)

90 Prozent weniger Pauschalbesteuerte wird der Kanton Luzern haben. So steht es in der Abstimmungsbotschaft von 2012. Nun zeigt sich: Statt der angegebenen 10 Prozent werden heute noch mehr als drei Viertel pauschalbesteuert. Hat der Kanton bewusst falsche Zahlen prognostiziert? Von zentral+ mit den Zahlen konfrontiert, bezeichnen Politiker die Angaben der Regierung als Manipulation.

«Das Abstimmungsergebnis wurde in die Richtung der Behördensicht gesteuert», so der Grüne Nationalrat Louis Schelbert. Falsche Angaben hätten die Stimmberechtigten manipuliert. Auslöser dieser Kritik ist die Volksbotschaft der kantonalen Abstimmung zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung vom März 2012. Darin sind entscheidende Informationen mangehalft oder gar falsch aufgeführt.

In der Volksbotschaft prognostiziert wurde damals Folgendes: «Bei Annahme des Gegenentwurfs (siehe Box) bleiben im Kanton Luzern noch zehn Prozent der bisher nach Aufwand besteuerten Personen in der Pauschalbesteuerung. Damit kann rund 30 Prozent des bisherigen Steuerertrags gesichert werden.» Demnach müssten derzeit noch rund 15 Vermögende pauschalbesteuert werden, die eine Steuerleistung von jährlich 4,2 Millionen Franken erbringen.

Tatsächlich stimmt die Realität bei Weitem nicht mit der Prognose überein. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 erbrachten im Kanton Luzern 157 nach Aufwand besteuerte Personen eine Steuerleistung von insgesamt 14 Millionen Franken. Zwar sind es heute nur noch 119 Pauschalbesteuerte. Diese erbringen jedoch eine Steuerleistung von 18 Millionen Franken.

Um 100 Prozent verschätzt

Somit sind es knapp 76 Prozent der bisher nach Aufwand besteuerten Personen, die weiterhin in den Genuss der Pauschalbesteuerung kommen. Und obwohl diese Zahl sinkt, sind es nicht 30 Prozent des bisherigen Steuerertrags, die gesichert sind, sondern knapp 30 Prozent mehr Steuerertrag als noch 2010. Louis Schelbert sieht durch diese «falschen Angaben» das Abstimmungsergebnis verfälscht. «Das Ergebnis war knapp. Ein anderer Ausgang, also die Annahme der Initiative anstelle des Gegenvorschlags, wäre möglich gewesen.»

 

Heinz Bösch vom kantonalen Finanzdepartement verteidigt die Prognose. «2010 versteuerten rund zehn Prozent der damals 157 nach Aufwand besteuerten Personen ein Einkommen von über 600’000 Franken. Weil der Gegenentwurf eine Einkommensgrenze von 600’000 Franken vorschreibt», sei man von diesen zehn Prozent ausgegangen.

Seit 2013 in Kraft

Seit Anfang 2013 muss im Kanton Luzern das steuerbare Einkommen mindestens 600’000 Franken betragen, um nach Aufwand besteuert (pauschalbesteuert) zu werden. Das steuerbare Vermögen ist seither auf mindestens zwölf Millionen Franken festgesetzt. Die Ausnahme gilt für Vermögende, die bereits vor Inkrafttreten des Gegenvorschlags pauschalbesteuert wurden. Für diese kommt eine fünfjährige Übergangsfrist zum Zuge, während dieser sie noch nach der bisherigen Regelung besteuert werden.

«Die Stimmberechtigten wurden manipuliert»

Schelbert kontert postwendend. Er spricht gar von «Irreführung der Wähler». Der Nationalrat präzisiert: «Statt objektiv zu informieren und die Zusammenhänge aufzuzeigen, wurden Annahmen und Behauptungen als Tatsachen dargestellt.» Heinz Bösch sagt diesbezüglich, dass in der Volksbotschaft, unter den finanziellen Auswirkungen, ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass «eine Berechnung oder auch nur einigermassen seriöse Schätzung der finanziellen Auswirkungen» nicht möglich sei.

Tatsächlich findet sich diese Information im 16-seitigen Büchlein, wenn auch erst auf Seite zehn. Einem «eiligen Leser» bleibt diese Zusatzinformation fern, sodass er die Schätzung – die zwar gemacht wurde, obwohl sie nicht möglich sei – als bare Münze nimmt.

«Das Abstimmungsergebnis wurde in Richtung der Behördensicht gesteuert»

Louis Schelbert

«Es läuft noch eine Übergangsfrist»

Bösch macht darauf aufmerksam, dass die Prognose erst in ein paar Jahren verifiziert werden könne. Denn momentan laufe noch eine Übergangsfrist: «Gemäss den Übergangsbestimmungen gilt für Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der verschärften Bestimmungen im Jahre 2013 bereits nach Aufwand besteuert wurden, während fünf Jahren weiterhin das bisherige Recht.» Laut Bösch sei diese Übergangsfrist der Grund, weshalb die Zahl der Pauschalbesteuerten noch nicht markanter gesunken ist. «Wie diese Personen nach Ablauf dieser fünf Jahre reagieren werden, wird sich zeigen.»

Erstaunlich nur: Eine Frist wird im Gesetzesentwurf nicht erwähnt. Beschlossen hat der Regierungsrat diese denn auch erst nach der Abstimmung am 29. Mai 2012. Zwar wurde der Regierungsrat dazu bemächtigt, über das Inkrafttreten der Änderung zu bestimmen. Doch mit der Einführung einer fünfjährigen Übergangsfrist hat die Regierung ihre Kompetenzen gar exzessiv genutzt.

«Frist hätte erwähnt werden müssen»

Olivier Dolder von Interface Politikstudien findet es zwar gut, dass erklärt werde, dass eine seriöse Schätzung der finanziellen Auswirkungen nicht möglich sei. «Es ist jedoch problematisch, wenn dies nicht in der Zusammenfassung erwähnt wird. Auch die fünfjährige Übergangsfrist, von der Heinz Bösch spricht, hätte in der Volksbotschaft Erwähnung finden müssen.»

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