Asyldebatte im Luzerner Kantonsrat

«Das ist ein sozialer Krieg!»

Flüchtlinge beim Deutschunterricht. Ginge es nach dem Willen der SVP, sollen sie in Zukunft nach einem Jahr die Unterkunft wechseln müssen. (Bild: zentral+)

Diesen Montag hat sie begonnen, am Dienstagmorgen geht’s weiter: Die grosse Asyldebatte im Kantonsrat. Und wenn es so weiter geht, wie es am Montag aufgehört hat, dürfte es ordentlich hitzig zu und her gehen. Aber hoffentlich gesitteter.

War ja klar: Immer wenn es ums Thema Asyl geht, gehen die Emotionen hoch. So auch diesen Montagnachmittag im Luzerner Kantonsrat. Zur Debatte stand ein ganzes Bündel von Themen, insbesondere die SVP-Verfassungsinitiative «für eine bürgernahe Asylpolitik». Zu einem Entscheid kam es aus zeitlichen Gründen noch nicht, am Dienstagvormittag wird es dann wohl soweit sein. Für reichlich Kopfschütteln genügte die Zeit allemal, und dafür sorgte einer, der nicht zum ersten Mal für Aufruhr sorgte: Pensionär und Kantonsrat Räto Camenisch aus Kriens. Aber schön der Reihe nach.

Bauen ausserhalb der Bauzonen

Die 2013 eingereichte Verfassungsinitiative «Für eine bürgernahe Asylpolitik» der SVP verlangt unter anderem, dass folgende Punkte in der Kantonsverfassung verankert werden: Aufenthalte in Gemeinden, die länger als ein Jahr dauern, sind nur bei anerkannten Flüchtlingen oder vorläufig Aufgenommenen möglich. Asylbewerber müssten demnach nach einem Jahr in eine andere Gemeinde verlegt werden. Und: Der Kanton soll auch ausserhalb der Bauzonen provisorische Asylzentren bauen können.

SVP bekam vor Bundesgericht Recht

Die Luzerner Regierung lehnte die Initiative jedoch Ende 2013 ab. Begründung: Genügend Unterbringungsplätze für Asylsuchende zu finden, sei für den Kanton bereits heute eine schwierige Aufgabe. Müssten Asylsuchende nach einem Jahr die Gemeinde bereits wieder wechseln, würde das den Aufwand erheblich erhöhen und die Situation würde sich verschärfen.

Auch der Kantonsrat erklärte die Initiative im Januar 2014 teilweise für ungültig – mit 80 zu bloss 24 Stimmen. Dies, weil die Initiative vermeintlich in Verfahrensfragen des Bundes eingreife. Das aber liess sich die SVP nicht bieten. Sie gelangte mit dem Thema bis vors Bundesgericht. Dieses gab der Partei – zur Überraschung vieler – teilweise Recht. Demnach ist der nach-einem-Jahr-Wechsel-Passus tatsächlich zulässig. Die Forderung nach Asylzentren ausserhalb der Bauzonen jedoch wurde vom obersten Schweizer Gericht für ungültig erklärt. Asylzonen, erklärten die Lausanner Richter, gehörten in Wohnzonen.

Die SVP hat entsprechend dem Urteil ihre Initiative abgeschwächt und angepasst. Diese neue Version kam diesen Montag zum zweiten Mal in den Kantonsrat. Doch wie schon im ersten Anlauf, wird sie auch beim zweiten Versuch diesen Dienstag klar verworfen. Das lässt sich nach den gestrigen Eintrittsvoten der Politiker schon klar sagen. Denn ausser der SVP waren erneut alle dagegen.

Vorwurf an Vater von Ayla

Womit wir wieder bei Räto Camenisch wären. Mit zittrigen Händen und bebender Stimme schrie er seine Rede in den Saal: «Die Ereignisse im Asylbereich haben uns eingeholt! Das Asylproblem ist dringender als je.» Bald würden die grossen Flüchtlingsströme auch die Schweiz treffen. «Das ist eine Art Krieg, eine Art sozialer Krieg, der hier geführt wird!» Womit Camenisch bewies, dass er trotz seines hohen Alters kaum eine Vorstellung von den Gräueln eines Kriegs hat.

Doch dabei blieb es nicht. Camenisch machte auch dem Vater des toten syrischen Buben, der an der türkischen Küste angeschwemmt wurde und dessen Bild um die Welt ging, indirekt Vorwürfe. Der Mann habe ja eine feste Stelle gehabt in Syrien, und laut «Blick» sei er womöglich selber ein Schlepper gewesen.

«Wer aus wirtschaftlichen Gründen Asyl beanträgt, soll nicht bleiben dürfen.»

Helene Schurtenberger, FDP

FDP will Verfahren beschleunigen

Gemässigter äusserten sich die übrigen Sprecher. Helene Schurtenberger (FDP) verwies darauf, dass «seit dem Zweiten Weltkrieg nie mehr so viele Menschen auf der Flucht waren». Viele seien an Leib und Leben bedroht. Denen müsse man selbstverständlich helfen. «Wer allerdings aus wirtschaftlichen Gründen Asyl beanträgt, soll nicht bleiben dürfen.» Um dieses Ziel zu erreichen, setzte sich die FDP weiterhin für ein schnelleres Asylverfahren ein. Das sei der richtige Weg, zusammen mit der Missbrauchsbekämpfung.

Untauglich ist und bleibt die SVP-Intiative auch für die CVP, wir Marlies Roos erklärt: «Nachdem Asylzentren ausserhalb von Bauzonen klar vom Tisch sind, macht die Initiative schlicht keinen Sinn mehr und trägt nichts zur Lösungsfindung bei.»

«Initiative hilft kein bisschen»

Ein Nein zur Initiative war auch für Katharina Meile (Grüne) klar. «Wollen wir einfach die Grenzen schliessen und in unserem Reichtum versauern?», fragte sie in die Runde. Die SVP-Initiative helfe kein bisschen bei der Suche nach guten Lösungen. «Im Gegenteil: Sie erschwert die Suche nach Unterkünften für Asylbewerber.» Das sei denn auch das klare Ziel der SVP.

Auch Marlene Odermatt (SP), die sich von Camenischs Rede «schockiert» zeigte, signalisierte erwartungsgemäss wenig Zuneigung für die SVP-Initiative. «Wir werden sie ganz klar ablehnen», denn Probleme löse sie keine.

Der Fall war schlussendlich auch für Claudia Huser (GLP) klar. «Wir müssen diesen Menschen mit Respekt begegnen und humanitäre Verantwortung übernehmen.» Die Initiative sei da komplett der falsche Weg.

Monsterdebatte steht an

Diesen Dienstag nun geht die Debatte erst richtig los. Nebst der SVP-Volksinitiative geht’s um zwei SVP-Vorstösse, die das blockierte Asylzentrum in Fischbach betreffen, sowie um nicht weniger als neun Antworten der Regierung auf Politvorstösse zum Thema Asyl aus allen Lagern. Darunter etwa die Forderung der SVP nach einer Standesinitiative des Kantons im Flüchtlingswesen. Für Spannung ist also gesorgt, Platz auf der Zuschauertribüne hats fast immer…

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