Kommt er oder kommt er nicht?

Das grosse Rätselraten um den Stadttunnel

Wir schauen in die Zukunft. So sieht das aus. Tunnel oder nicht Tunnel, das ist hier die Frage. (Bild: Fotoalia)

Es wird knapp in Sachen Stadttunnel. Trotzdem lesen wir mit einem Abstimmungsspezialisten im Kaffeesatz. Und der hält ein Kriterium für besonders entscheidend.

Die Argumente sind auf dem Tisch. Jetzt interessiert eigentlich nur noch eins: Wie wird’s am kommenden Sonntag wohl herauskommen? Grosses Rätselraten allenthalben. Zwar gab’s da mal eine Meinungsumfrage. Aber das ist ziemlich lange her. Und: Mit der Zuverlässigkeit von Umfragen ist es so eine Sache. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit auf eidgenössischer Ebene sind jedenfalls in wenig guter Erinnerung.

Vielleicht kann die Wissenschaft weiterhelfen. Also wenden wir uns an den Politikwissenschaftler und Abstimmungsspezialisten Thomas Milic vom Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA). Milic erforscht schon seit Jahren das Abstimmungsverhalten in der Schweiz.

Er macht gleich klar: «Das Abstimmungsverhalten auf kantonaler Ebene ist leider nur wenig erforscht. Es fehlen die nötigen Daten. Deshalb sind hier Prognosen noch viel unsicherer als auf nationaler Ebene.» Das Abstimmungsergebnis im Parlament oder die Parolen der Parteien könnten deshalb auf kantonaler Ebene kaum als Indikatoren dienen.

Das Finanzielle und die persönliche Betroffenheit

Immerhin gibt es für Thomas Milic bei Abstimmungen wie jener zum Stadttunnel zwei Punkte, denen erfahrungsgemäss die ausschlaggebende Rolle zukommt: Die Frage der finanziellen Auswirkungen und jene der persönlichen Betroffenheit. Das Finanzielle sei immer dann zentral, wenn die finanziellen Auswirkungen einer Vorlage für den Stimmbürger bekannt und relativ einfach nachvollziehbar sind.

«Wenn die Vorlage für den Stimmbürger ‹einschenkt›, dann stimmt er in der Mehrheit entsprechend egoistisch.»

Thomas Milic, Zentrum für Demokratie Aarau

Bezogen auf die Projektkosten von 890 Millionen Franken scheint diese Bedingung beim Stadttunnel erfüllt. Umstritten war im Vorfeld der Abstimmung allerdings die Frage der Folgekosten. Zur Frage der persönlichen Betroffenheit erklärt Thomas Milic, dass potentielle Tunnelbenützer und direkt betroffene Anwohner ein derartiges Bauprojekt in aller Regel unterschiedlich beurteilen würden.

Ein gutes Beispiel sei in diesem Zusammenhang Stuttgart 21: «Dort hat das ganze Land Baden-Württemberg über das betreffende Bahnprojekt abgestimmt. Regionen, welche vom Vorhaben kaum betroffen waren, legten anders ein als solche, die ganz unmittelbar davon betroffen waren.»

Stimmbürger entscheidet mehrheitlich egoistisch

Mit Verweis auf die Abstimmung über den NFA im Jahre 2004 nennt Milic den Kanton Zug selber als «bestes Beispiel» für seine These: «Als grösster Nettozahler hatte Zug damals die Vorlage haushoch abgelehnt, während Nettoempfänger wie der Kanton Jura die Vorlage haushoch angenommen hatten.»

Und dann ergänzt der Politikwissenschaftler noch etwas Bemerkens- und Bedenkenswertes. Der Stimmbürger entscheide in der Regel weder auf der einen noch auf der anderen Seite vor dem Hintergrund von grundsätzlichen staatsbürgerlichen Überlegungen: «Wenn der Stimmbürger seine Nutzenmaximierung in einer Vorlage zu erkennen vermag und diese für ihn ‹einschenkt›, dann stimmt er in der Mehrheit auch entsprechend egoistisch.» 

Leserbriefe eher kaum zuverlässige Indikatoren

 «Weitere Stimmen zum Stadttunnel»: Der Titel über den Leserbriefen in den lokalen Medien wurde in den letzten Wochen zum Evergreen. Etwas überraschend bezeichnet nun aber der Politikwissenschaftler die Leserbriefe oder Kommentare auf Onlineforen als «eher schlechte Indikatoren» für eine Deutung des Abstimmungsergebnisses.

«Viele Jäger sind des Hasen Tod»

Thomas Milic

Zwar schränkt Thomas Milic ein, dass zu diesem Thema noch wenig geforscht worden sei. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit liefert aber einen Fingerzeig: «So wie ich es in Erinnerung habe, überwogen bei der Ecopop-Vorlage, etwa auf 20-Minuten, die zustimmenden Kommentare wohl relativ deutlich, die Vorlage wurde in der Folge aber sehr klar abgelehnt.»

Die «Konfliktanordnung» ist entscheidend

Viel mehr Gewicht gibt Thomas Milic einem anderen Aspekt. Die Opposition gegen den Tunnel beschränkt sich ja nicht einzig auf das linksgrüne Lager. So etwa sind auch Teile der Bürgerlichen aus finanzpolitischen Überlegungen gegen das Vorhaben. «Viele Jäger sind des Hasen Tod», sagt Milic und meint das ganz grundsätzlich. Immerhin: Das Ganze erinnere ein bisschen an die Gripen-Abstimmung, bei der die Linke vereint dagegen war.

Das alleine hätte aber nicht gereicht. Nicht wenige Bürgerliche hätten damals Nein gestimmt, auch im Falle des Gripen aus finanziellen Erwägungen. «Ich bin allerdings nicht sicher, ob es die Vielzahl der Argumente als solches ist, welche eine Vorlage zu kippen vermag.» Entscheidend sei möglicherweise eher die «Anordnung» des konkreten Konfliktes: «Die Stimmbürger nehmen wahr, dass es Opposition sowohl von links als auch von Teilen von rechts gibt. Dies könnte sie eher zu einem Nein-Entscheid bewegen.»

Wohl ein knappes Ergebnis

Befragte Zuger Parteivertreter rechnen mehrheitlich mit einem knappen Resultat: Stefan Gisler, Fraktionschef der Alternativen – Die Grünen sagt: «Ich bin zurückhaltend, es wird knapp.» Deshalb habe man sich von der ALG Stadt entschieden, auch kurz vor der Abstimmung nochmals mit einem Zusatzflyer und weiteren Aktionen aktiv zu werden.

Sein Parteikollege und Kantonsrat Andreas Hürlimann ergänzt: «In meinem Umfeld und auch bei eher unpolitischen Kolleginnen und Kollegen überwiegt das Nein-Lager bei Weitem. Ich rechne mit einem eher knappen Ausgang, aber insgesamt doch mit einem grösseren Nein-Anteil.» Jürg Strub, Parteipräsident der Zuger FDP geht von einem «sehr knappen» Ergebnis aus: «Ob es eher ein Ja oder Nein wird, ist auch aufgrund der Rückmeldungen schwer zu sagen.» Ebenfalls keine Prognose wagt der CVP Parteipräsident Martin Pfister.

Ein Stadt- /Landgraben?

Auch Beni Riedi, Vizepräsident der SVP des Kantons Zug geht von einem engen Ergebnis aus: «Da es in sämtlichen Parteien Befürworter wie auch Gegner des Stadttunnels gibt, ist eine Prognose eher schwierig.» SP-Parteipräsidentin Barbara Gysel erachtet eine Vorhersage ebenfalls als schwierig. Entscheidend werde sein, wie viele der Gegnerinnen und Gegner an die Urne gehen: «Wenn genug Leute aus diesem Umfeld abstimmen, dann bin ich überzeugt, dass wir ein Nein schaffen.»

Nach Ansicht von Daniel Stadlin, Vizepräsident der Grünliberalen des Kantons Zug, wird das Projekt in der Stadt Zug und auch in Baar kontroverser diskutiert, als in den restlichen Gemeinden. Er glaubt deshalb, dass ausserhalb von Baar und Zug die Stimmung dem Projekt gegenüber eher positiv sei: «Am 14. Juni ist alles möglich. Sollte das Projekt angenommen werden, dann äusserst knapp. Sollte es abgelehnt werden, dann wahrscheinlich eher deutlich.»

 

 

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