Die Eiche und die grüne SVPlerin

Das Entlebuch sucht den politischen Anschluss

Wollen das Entlebuch in Bern vertreten: Christian Ineichen (CVP, links), Vroni Thalmann (SVP) und Martin Huber (FDP). (Bild: zvg/Montage zentralplus)

Der Wahlkreis Entlebuch war stets im Nationalrat vertreten – bis vor vier Jahren. Ein harter Schlag für die Randregion, die den ersten Luzerner Bundesrat stellte. Nun nehmen prominente Köpfe einen neuen Anlauf. Doch der Erfolg könnte an der mangelnden Solidarität unter den Parteien scheitern.

Das Entlebuch – mit gut 23’000 Einwohnern der bevölkerungsärmste, flächenmässig der grösste Wahlkreis – wartet auf seinen Moment. Seit den letzten nationalen Wahlen 2015 ist die Region nicht mehr im Nationalrat vertreten. Seit sich vor vier Jahren das Polit-Schwergewicht Ruedi Lustenberger (CVP) aus Romoos nach 16 Jahren aus der Berner Politik verabschiedete (zentralplus berichtete).

Historisch gesehen ist das eine Ausnahme: Das Entlebuch hatte ausser zwischen 1975 und 1979 immer einen Sitz. Lustenberger sagte damals: «Es wäre wünschenswert, wenn das Entlebuch auch in Zukunft im Nationalrat vertreten wäre.»

Nun kommt mit den Wahlen am 20. Oktober die Chance, die Historie wieder geradezurücken. Die Chancen stehen nicht schlecht. Zwar stammen nur 6 der insgesamt 254 Kandidaten des Kantons aus dem Entlebuch (siehe Box), aber darunter hat es durchaus bekannte Namen.

Ist das Entlebuch jetzt dran?

Das Entlebuch wählt katholisch, konservativ, werteorientiert und hat eine traditionell hohe Wahlbeteiligung. Die Linken haben in dieser Region nicht viel zu melden. Vor allem für die CVP und SVP ist der ländlich geprägte Teil des Kantons interessant. Sie treten mit bekannten Kandidaten an:

Allen voran der kantonale CVP-Parteipräsident Christian Ineichen aus Escholzmatt-Marbach. «Die Eiche. Aus dem Entlebuch», lautet sein Slogan, 2015 schaffter er die Wahl ganz knapp nicht.

Auch die SVP-Kandidatin Vroni Thalmann aus Flühli kennt man im ganzen Kanton. «Von Natur aus grün», wirbt sie für sich – auch sie 2015 nur knapp nicht gewählt. «Jetzt ist das Entlebuch dran», meint die Bäuerin und Kantonsrätin.

Kandidaten aus dem Entlebuch

Insgesamt sechs Personen aus dem Entlebuch wollen in den Nationalrat:

  • Vroni Thalmann (SVP), Flühli
  • Erika Lauper-Duss (SVP), Flühli
  • Reto Birrer (JSVP), Flühli
  • Martin Huber (FDP), Entlebuch
  • Christian Ineichen (CVP), Escholzmatt-Marbach
  • Jeremias Brem (Junge Grüne), Werthenstein

Gegen einen Erfolg spricht die Grosswetterlage: CVP und SVP werden Niederlagen prophezeit, zudem stehen dem Kanton Luzern künftig nur noch neun statt zehn Sitze in Bern zu. Und alle bisherigen Nationalräte treten wieder an.

Von Abwanderung bedroht

Kann das stolze Entlebuch, das mit Josef Zemp ab 1891 den ersten Luzerner Bundesrat stellte, wieder reüssieren? Findet die Randregion, die sich oft abgehängt fühlt und auch nicht in der Luzerner Regierung vertreten ist, wieder politischen Anschluss?

Christian Ineichen, der beruflich als Vizedirektor der Biosphäre Entlebuch amtet, fände es enorm wichtig, dass das Entlebuch als Landregion wieder in Bern vertreten wäre. Nicht aufgrund seiner Person, wie er betont, sondern wegen der spezifischen Probleme und Themen der Randregion.

«Ich würde mir wünschen, dass Entlebucher auch Entlebucher wählen.»

Christian Ineichen, CVP

«Wir haben im Entlebuch ein ganz anderes Selbstverständnis, es braucht in Bern Vertreter, die um die komplexen Zusammenhänge einer Bergregion wissen», sagt er. Erschliessung, Versorgung und Arbeitsplätze in einer von Abwanderung und «Braindrain» bedrohten Region: Diese Themen seien im Entlebuch ganz anders gelagert als in der Agglo oder der Stadt.

Im Moment sei das Verhältnis zwischen Stadt und Land in der Luzerner Nationalratsvertretung nicht ausgewogen. Um das zu korrigieren, fordert Ineichen mehr Zusammenhalt zwischen den Kandidaten aus dem Entlebuch – unabhängig von deren Partei. «Ich würde mir wünschen, dass Entlebucher auch Entlebucher wählen», sagt er. Sonst seien letztlich die Vertreter aus der Agglo und Stadt die lachenden Dritten.

Wie Christian Ineichen auf Facebook auftritt:

Gemeinsamer Auftritt ist gescheitert

Er habe versucht, gemeinsame Anlässe mit den Entlebucher Kandidaten auf die Beine zu stellen, aber ohne Erfolg. «Ich hätte mir auch gemeinsame Inserate der Entlebucher Kandidaten von CVP, FDP und SVP gewünscht», sagt Ineichen – nach dem Motto: «Entlebucher wählen Entlebucher.» Doch auch davon habe die SVP nichts wissen wollen, was Ineichen bedauert und überrascht.

Er konzentriert sich auf seinen eigenen Wahlkampf und ist sich bewusst, dass seine Wahl in den Nationalrat noch schwerer wird als vor vier Jahren. «Mit nur noch neun Nationalratssitzen wird die Herausforderung für alle Parteien grösser, doch müssen alle Kandidierenden bei der Wahl bei null anfangen», sagt er.

Zumindest über mangelnde Publizität kann sich Ineichen mit seiner CVP nach der umstrittenen, aber effektvollen Negativkampagne der CVP Schweiz nicht beklagen. Auch wenn die Luzerner Partei davon auf dem falschen Fuss erwischt wurde und sich entschuldigen musste.

Der Druck ist grösser als vor vier Jahren

Auch die SVP-Kandidatin Vroni Thalmann kämpft für einen Entlebucher Sitz in Bern. «Wir leisten nach Grundsätzen der Natur und der Gesellschaft sehr gute Arbeit und das vor allem mit Eigenverantwortung. Diese gilt es zu verteidigen», sagt sie. Die Sozialvorsteherin von Flühli ist seit 2004 auf Gemeindeebene und seit 2007 auf Kantonsebene politisch aktiv.

«Uns SVPlern wird nicht geholfen.»

Vroni Thalmann, SVP

Sie setzt sich für die produzierende Landwirtschaft ein, kurze Wege bei Lebensmitteln, den Tourismus in den Naherholungsgebieten des Entlebuchs und eine gute Anbindung der Randregion. «Man muss im Entlebuch leben können, die gesellschaftliche Verbundenheit erleben. Aber wir sind auf Pendler angewiesen. Sie bezahlen hier ihre Steuern und tragen so zum Erhalt des Entlebuchs bei.»

Vroni Thalmann tritt auch in Tracht und mit Örgeli auf:

Auch sie spürt keinen besonderen Zusammenhalt zwischen den Entlebucher Kandidaten, was «nicht sehr vorteilhaft» sei. Vor vier Jahren wurde sie noch von Alt-Nationalrat Ruedi Lustenberger (CVP) unterstützt. Jetzt sei der Druck grösser, das mache nervös und eine Zusammenarbeit viel schwieriger. «Uns SVPlern wird nicht geholfen», klagt sie.

Sie hätte eine Zusammenarbeit der bürgerlichen Parteien im Entlebuch begrüsst. «Durch eine breite Zusammenarbeit im Entlebuch wäre es sicher möglich geworden, endlich den Sitz für unsere Region zurückzuholen. Aber so wie es jetzt ist, wird es leider schwierig.»

Die Besten, nicht zwingend ein Entlebucher

Der FDP-Kandidat Martin Huber ist der Rückkehrer: Der Geograf und Informatiker ist im Entlebuch geboren, aber erst seit 2018 wieder dort wohnhaft. Auch er findet es wichtig, dass die spezifischen Anliegen des Entlebuchs adäquat in Bern vertreten werden – sieht das Ganze aber pragamtischer: «Ich spüre im ganzen Kanton Luzern eine grosse Sympathie für das Entlebuch und sehe unsere Anliegen auch durch Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus anderen Kantonsteilen vertreten.» Die besten Leute des Kantons müssten nach Bern gehen, und dieses Jahr gebe es eine gute Auswahl auch aus dem Entlebuch.

«Ich bin fasziniert, wie sich das Entlebuch in den letzten 30 Jahren vom Schlusslicht zum Vorbild entwickelt hat.»

Martin Huber, FDP

Für eine gemeinsame Kampagne zwischen den Entlebucher Kandidaten seien die politischen Positionen zu weit auseinander. «Natürlich könnten wir die Wahl beeinflussen, indem wir den Entlebuchern empfehlen, nur Entlebucher auf ihren Wahlzettel zu schreiben. Aber die Wählerinnen und Wähler sollen selbst entscheiden, ob sie den regionalen Aspekt, die fachliche Kompetenz oder die einzelne Person ins Zentrum stellen.»

Schnelles Internet für das Entlebuch

Huber, der sich selbst als Pionier der Digitalisierung sieht, glaubt dass das Entlebuch in vielen Bereichen vergessen geht. «Ich sehe nicht ein, wieso das Entlebuch immer noch kein flächendeckendes Breitbandnetz hat.» Das wäre nicht nur für die Wirtschaft und Mobilität wichtig, sondern auch für Schülerinnen und Schüler.

Und was ist seine Motivation, die Region in Bern zu vertreten? «Ich bin richtiggehend fasziniert, wie sich das Entlebuch in den letzten 30 Jahren vom Schlusslicht der Nation zum Vorbild entwickelt hat», sagt Huber. Er nennt innovative Lösungen in der Vermarktung lokaler Produkte, den verfassungsmässig auferlegten Moorschutz oder den sanften Tourismus. «Diese lösungsorientierte und doch bescheidene Entlebucher Art möchte ich in Bern bekannt machen.»

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Thomas Kunz
    Thomas Kunz, 25.09.2019, 21:59 Uhr

    «Uns SVPlern wird nicht geholfen.» bedauert Vroni Thalmann. Nun, vielleicht wäre es hilfreich, wenn man nicht alle anderen Parteien und deren Wähler als Würmer bezeichnen würde? Die SVP teilt permanent aus und beklagt sich dann, dass niemand mit ihr zusammenarbeiten will. Bei sich selber sucht sie die Schuld dafür nie…

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  • Profilfoto von Matthias Zemp
    Matthias Zemp, 25.09.2019, 18:40 Uhr

    Dieser Artikel ist gar einseitig geraten. Zum Glück ist das Entlebuch vielfältiger geworden. Ich wähle eine Partei, die für Ausgleich und Service Public einsteht, denn das nützt dem Entlebuch am meisten.

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  • Profilfoto von Manfred Lohnbauer
    Manfred Lohnbauer, 24.09.2019, 02:04 Uhr

    Das Entlebuch ist schon grün! Es braucht keine Grünen, die den Viehbestand um 1/4 reduzieren wollen. Wir wollen keine Grüne Diktatur!

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  • Profilfoto von Nadja Stadelmann Limacher
    Nadja Stadelmann Limacher, 23.09.2019, 21:57 Uhr

    Ich wage zu bezweifeln, dass Christian Ineichen andere Entlebucher wie zum Beispiel der Kandidat aus dem linken Lager Jeremias Brem wählen würde. Daher, gesagt ist noch schnell „Entlebucher wählen Entlebucher“.

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  • Profilfoto von CVP Insider
    CVP Insider, 23.09.2019, 13:21 Uhr

    Was in dem Artikel nicht steht: Christian Ineichen hat CVP-intern angeordnet, dass nur er aus dem Entlebuch kandidieren darf. Für die Unterlisten wurden Kandidierende aus dem Entlebuch vergeblich angefragt – alle erhielten von oben herab die Order: «Aus dem Entlebuch kandidiert für die CVP nur de Chöbu». So sieht das Demokratieverständnis der Eiche aus dem Entlebuch aus.

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