Bundesrat vereinfacht Verfahren

Das bedeuten die neuen Tempo-30-Regeln für Luzern

Der Bundesrat will bei Tempo 30 aufs Gas drücken. (Bild: Adobe Stock)

Der Weg zu neuen Tempo-30-Zonen wird von einem gewichtigen Stolperstein befreit. So will es der Bundesrat und so wollen es die Städte. Wird Tempo 30 damit zum neuen Standard? zentralplus hat nachgefragt.

Tempo 30 bleibt das heisseste Eisen der Verkehrspolitik. Die einen sehen in der Temporeduktion einen Befreiungsschlag für diverse Ärgernisse im stockenden Alltagsverkehr. Die anderen verfluchen Tempo 30 als Herold eines imminent bevorstehenden totalen Verkehrskollapses.

Tatsache ist, dass das Thema die Politik auf praktisch allen Stufen zu beschäftigen vermag. Zuletzt auch den Bundesrat. Dieser will jetzt das Verfahren für die Realisation neuer Tempo-30-Zonen vereinfachen. Das Vorhaben dürfte bei den Interessenverbänden, den Städten und Gemeinden und der Politik die unterschiedlichsten Reaktionen auslösen.

Was aber bedeuten die vom Bundesrat vorgesehenen Verordnungsänderungen für Luzern? zentralplus beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

1. Was schlägt der Bundesrat vor?

Der Bundesrat will die Anordnung von Tempo-30-Zonen auf den siedlungsorientierten Strassen (in der Regel Quartierstrassen) erleichtern. Generell gilt auf den Strassen in den Innenortsbereichen Tempo 50. Um davon abzuweichen, also um beispielsweise eine Tempo-30-Zone einzurichten, braucht es heute ein Gutachten.

Der Bundesrat schlägt nun vor, dass für die Anordnung von Tempo-30-Zonen auf diesen Strassen auf das Gutachten verzichtet werden kann.

2. Was ist das Problem mit den Gutachten?

Die Kritik an den entsprechenden Gutachten besteht schon seit einiger Zeit. Inhaltlich seien sie oftmals eine reine Formalität, monieren die Gegner dieser Vorgabe. Diese Formalität ist aber mit happigen Kosten verbunden.

Wie viel eine Gemeinde für ein solches Gutachten berappen muss, hängt jeweils von der Länge des Abschnittes und der Funktion im Strassennetz ab. Auf den Gemeindestrassen geht das Tiefbauamt der Stadt Luzern von jeweils rund 10’000 Franken aus. Wobei es schnell auch deutlich teurer werden kann (zentralplus berichtete).

3. Woher kommt die Forderung nach mehr Tempo 30?

Die Wurzeln der Tempo-30-Zonen gehen 20 Jahre zurück. Im Jahr 2001 lehnte das Schweizer Stimmvolk eine Volksinitiative ab, die eine allgemeine Höchstgeschwindigkeit von 30 statt 50 km/h innerorts forderte. Der Bundesrat lockerte in der Folge die Voraussetzungen für die Anordnung von Tempo-30- und Begegnungszonen.

Heute können Tempo-30-Zonen nur angeordnet werden, um besondere Gefahren im Strassenverkehr zu vermindern, übermässige Umweltbelastung zu reduzieren oder den Verkehrsfluss zu verbessern.

Gemäss dem Bundesrat wurde in den letzten Jahren vermehrt das Anliegen geäussert, die Voraussetzungen für die Anordnung von Tempo 30 innerorts weitergehend zu erleichtern, da damit die Verkehrssicherheit, der Lärmschutz und die Lebensqualität in den Siedlungsgebieten verbessert werden könne.

4. Wie ist die Situation in Luzern

Trotz der hohen Kosten für die notwendigen Gutachten sind Tempo-30-Zonen innerhalb der Wohnquartiere schweizweit mittlerweile weit verbreitet. Das zeigt auch der Blick auf Luzern. Auf dem Gemeindestrassennetz der Stadt Luzern gilt bereits auf rund 85 Prozent der Strassen Tempo 30.

Gemäss dem städtischen Tiefbauamt sind folgende Gemeindestrassenabschnitte aktuell nicht verkehrsberuhigt:

  • Tribschen–Langensandstrasse
  • Verbindung von der Stadtgrenze Ebikon via St. Anna bis zur Schlösslihalde
  • Kreuzbuchstrasse zwischen Kreisel Brüel und Gemeindegrenze Meggen
  • Ruopigenring–Ritterstrasse

Diese Strassen sind allerdings als Gemeindestrassen 1. Klasse klassiert. Sie gehören somit zu den verkehrsorientierten Strassen mit einer Verbindungsfunktion. Vom Wegfall der Gutachtenspflicht wären diese Strassen nicht betroffen.

5. Was würde sich für Luzern ändern?

Angesichts der oben genannten Ausgangslage: nicht viel. Luzern ist bei Tempo 30 auf siedlungsorientierten Strassen schon sehr weit fortgeschritten, das wird in der Bevölkerung als selbstverständlich wahrgenommen. Dennoch können die Stadt- und Verkehrsplaner jetzt mit weit weniger finanziellem Aufwand ans Werk gehen. Andere Städte, wie etwa Zug, sind da deutlich weniger weit (zentralplus berichtete).

Neue Tempo-30-Zonen könnten zwar schneller geplant werden, sie müssen aber weiterhin verfügt und veröffentlicht werden, so will es der Bundesrat. Sprich: Die Pläne müssen aufgelegt werden und es besteht die Möglichkeit zur Einsprache.

6. Was würde sich nicht ändern?

Betrachtet man das gesamte Luzerner Stadtgebiet mit allen Gemeinde-, Kantons- und Privatstrassen, so sind es lediglich rund 60 Prozent, wo Tempo 30 gilt. Insbesondere die Kantonsstrassen fallen hier ins Gewicht. Temporeduktionen auf diesen Hauptachsen, die in der Hoheit des Kantons liegen, sind weitaus umstrittener.

Es ist jedoch nicht unmöglich. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Bernstrasse. Der Luzerner Stadtrat hat beim Kanton beantragt, die Einführung eines Tempo 30-Regimes auf einem Teil der Bernstrasse zu prüfen. Diesem Antrag wurde nun stattgegeben (zentralplus berichtete). Ob ein weiteres Begehren der Stadt ebenfalls auf Zustimmung stösst, nämlich die Einführung von Tempo 30 vom Bahnhof über die Seebrücke bis zur Haldenstrasse, wird sich noch zeigen müssen (zentralplus berichtete).

Für Bund und Kanton ist allerdings klar, dass Tempo 30 auf den Hauptverkehrsachsen die Ausnahme bleiben soll. «Damit wird sichergestellt, dass die Funktionen des übergeordneten Verkehrsnetzes nicht gefährdet werden und der Verkehr auf diesem übergeordneten Netz bleibt», schreibt der Bundesrat dazu. Flächendeckend Tempo 30 innerorts steht demnach auch 20 Jahre nach der Volksabstimmung nicht zur Debatte.

7. Was spricht für Tempo 30?

Der Bundesrat hat seine Absichten, die Tempo-30-Gutachten für Quartierstrassen abzuschaffen, in die Vernehmlassung geschickt. Im Vernehmlassungsbericht führt er mehrere Argumente auf, die grundsätzlich für Tempo 30 sprechen. So verweist der Bundesrat etwa auf eine Statistik der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU). Diese zeigt auf, dass eine Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 km/h mit einer durchschnittlichen Reduktion von mindestens einem Drittel aller schweren Unfälle einhergeht.

Weitere Argumente sind eine tiefere Umweltbelastung, ein besserer Verkehrsfluss oder auch eine höhere Lebensqualität. Letzteres steht klar in Zusammenhang mit dem Strassenlärm. Das Bundesgericht befasst sich derzeit damit, ob auf Hauptstrassen Tempo 30 als Lärmschutzmassnahme in Betracht gezogen werden muss (zentralplus berichtete).

8. Was spricht dagegen?

Auch Kriens ist Schauplatz eines weiteren Tempo-30-Kampfes. Der Stadtrat will im Rahmen einer Testplanung abklären, ob sich im Zentrum eine Flaniermeile mit Tempo-30-Regime realisieren liesse. Die SVP will auf keinem Fall, dass auf der Hauptstrasse durchs Zentrum 30 statt 50 gelten soll. Sie hat das Referendum gegen die Pläne ergriffen (zentralplus berichtete).

«Busse bleiben im Stau stecken und der Fahrplan wird nicht eingehalten», lautet eine der Befürchtungen der Partei. Dieses Bedenken teilen andere Kritiker, wenn Tempo 30 auch für den öffentlichen Verkehr gilt.

Der Einwand ist angesichts der überschaubaren Zahl reiner Busspuren in und um Luzern berechtigt. Umso mehr, als die Zuverlässigkeit des Busnetzes in den letzten Jahren ohnehin schon gelitten hat (zentralplus berichtete). Gemäss dem neusten ÖV-Bericht soll dem unter anderem durch Bevorzugungsmassnahmen wie dem Pulkführer-Modell entgegengewirkt werden. Dabei werden Busbuchten abgebaut und durch Fahrbahnhaltestellen ersetzt. Heisst: Autos können haltende Busse nicht mehr überholen, wodurch der Bus auch nicht im Verkehr stecken bleibt.

Ein anderes Argument gegen Tempo-30-Zonen auf Hauptstrassen sieht der TCS in einem falschen Sicherheitsgefühl, in dem sich insbesondere Fussgänger wähnen könnten. Auf Nebenstrassen unterstützt der TCS Tempo 30 jedoch ebenfalls.

9. Was kommt als Nächstes?

Ob das vereinfachte Tempo-30-Verfahren tatsächlich kommt, wird sich im kommenden Frühjahr weisen. Die vorgeschlagene Verordnungsanpassung befindet sich noch bis zum 25. Februar 2022 in der Vernehmlassung.

In Kriens wird derweil am 13. Februar über den umstrittenen Planungskredit an der Urne befunden. Und was die Tempo-30-Idee auf der Seebrücke betrifft: Dort wird zunächst mal ein externes Gutachten erstellt.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Andreas Bründler
    Andreas Bründler, 19.11.2021, 17:12 Uhr

    Unser Stadtrat Adrian Borgula kann jubeln: Wir sind auf dem direkten Weg dazu, alle Autos aus der Stadt zu verbannen. Wie er es gerne möchte. Er hat ja als Stadtrat zuständig für den Verkehr keinen Fahrausweis und damit auch kein Auto. 🚗 🚘 🚙 Was er jedoch nicht berücksichtigt, ist, dass damit auch der Bus langsamer wird. Wenn man mit dem Einer von Kriens-Zentrum bis zum Bahnhof jetzt noch 12 Minuten hat, wird es in Zukunft bedeutend länger gehen. Aber man will ja politisch die Mobilität der Bürger einschränken. Auch aus Klimaschutz- und CO2-Gründen. Darum war den Linken das Homeoffice ja so recht: Die Leute gehen nicht mehr raus sondern sind eingesperrt zuhause. Da wo sie hingehören.

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  • Profilfoto von Sandra Püntener
    Sandra Püntener, 19.11.2021, 11:30 Uhr

    Tempo 30 in den Quartieren finde ich gut und richtig. Nicht aber auf Kantonsstrassen oder wo der ÖV fährt – sonst dauert die Busfahrt noch viel länger.

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