Uni Luzern untersucht politische Einstellungen

Darum wählen junge Frauen immer häufiger links

Die Gleichstellung zwischen Frau und Mann dürfte mit ein Grund sein, wieso sich junge Frauen politisch immer mehr nach links orientieren. Bild vom Frauenstreik 2019 in Luzern. (Bild: ida)

Eine Studie der Universität Luzern hat die politischen Einstellungen junger Personen untersucht. Erstaunlich dabei: der Einfluss der Eltern auf die Meinungsbildung ihrer Kinder ist je nach Geschlecht unterschiedlich. Das dürfte für die Debatte um das Stimmrechtsalter 16 interessant sein.

«Du, wie stimmst du beim Frontex-Referendum ab?» Viele von uns kennen diese Situation womöglich. Das Abstimmungsbüchlein ist mal wieder so dick, die Vorlage komplex und irgendwie so abstrakt. Zu verlockend ist da die Alternative, blind auf den Rat einer Freundin oder eines Familienmitglieds zu hören.

Gerade für Jugendliche kann die eigene politische Meinungsbildung herausfordernd sein. Entscheidender Faktor dabei sind die Eltern. Sie dominieren das Gesprächsthema am Esstisch, sie entscheiden, welche Zeitung zu Hause gelesen und welcher Radiosender gehört wird. Entsprechend gross scheint darum der Einfluss der Eltern auf die Meinungsbildung ihrer Kinder zu sein.

Doch ist das überhaupt so? Gibt es in Zeiten von Instagram und Facebook nicht zahlreiche Kanäle, auf denen sich Jugendliche abseits des Elternhauses ihre eigene politische Meinung bilden?

Kinder wählen gleich wie die Eltern

Diesen Fragen ist ein Forschungsteam der Uni Luzern rund um die Politikwissenschaftlerin Mathilde van Ditmars nachgegangen. Dazu hat das Team Daten aus der Schweiz und Deutschland ausgewertet. Die Daten stammen aus Befragungen von Eltern und ihren Kindern im Alter von 16 bis 35 Jahren, die zusammen im selben Haushalt leben.

«Der Anteil der Kinder, die andere Ansichten als ihre Eltern haben, ist relativ gering.»

Mathilde van Ditmars, Politikwissenschaftlerin Uni LUzern

Ihre Resultate bestätigen, dass der Einfluss der Eltern auf die Meinung ihrer Kinder gross ist. Doch die überraschende Erkenntnis der Forscherin: die Eltern beeinflussen Töchter und Söhne unterschiedlich stark.

Doch der Reihe nach: Wie auch schon frühere Studien stellt van Ditmars in ihrer Untersuchung eine grosse Übereinstimmung der politischen Einstellung von Eltern und ihren Kindern fest. Im Durchschnitt beträgt diese zirka 50 Prozent. Bis zu 70 Prozent der Eltern haben mindestens ein Kind, das sich im selben politischen Lager positioniert.

Mathilde van Ditmars ist Politikwissenschaftlerin an der Uni Luzern. (Bild: Uni Luzern)

So bestätigt van Ditmars auf Anfrage: «Ich habe grosse Ähnlichkeiten in der Links-rechts-Identifikation von Eltern und ihren Kindern festgestellt, insbesondere, wenn die Eltern ähnliche ideologische Einstellungen haben.» Natürlich gäbe es Unterschiede zwischen den Familien, «aber der Anteil der Kinder, die andere Ansichten als ihrer Eltern haben, ist relativ gering».

Der Geist der 1960er-Jahre, als sich die Jugend zunehmend gegen das Weltbild ihrer Eltern auflehnte, scheint verflogen.

Töchter emanzipieren sich

Das trifft aber nicht auf alle zu: Sind die Eltern politisch eher rechts eingestellt, ist ihr Einfluss auf die Meinungsbildung der Töchter begrenzt. Deren politische Haltung wird in diesem Fall stärker durch andere Faktoren ausserhalb des Elternhauses beeinflusst. Sind die Eltern hingegen eher links gesinnt, übernehmen ihre Töchter viel eher die gleiche politische Haltung.

«Töchter entfernen sich im Allgemeinen weiter von den politischen Orientierungen ihrer Eltern, wenn diese rechtsorientiert sind.»

Töchter scheinen sich also nur von rechten Meinungen ihrer Eltern zu emanzipieren, nicht aber, wenn die Eltern links gesinnt sind. Interessanterweise ist dieses Phänomen bei den Söhnen nicht zu beobachten.

So sagt van Ditmar: «Das bedeutet, dass sich Töchter im Allgemeinen weiter von den politischen Orientierungen ihrer Eltern entfernen, wenn diese rechtsorientiert sind, während dieser Trend bei Söhnen nicht zu beobachten ist.»

Das ist der Gender Generation Gap

Für van Ditmar ist das ein eindeutiges Zeichen eines «Gender Generation Gap». Unterschiedliches Wahlverhalten tritt demnach nicht nur zwischen den Generationen, sondern auch zwischen den Geschlechtern statt.

Zwar lässt sich in westlichen Gesellschaften schon seit den 1980er-Jahren beobachten, dass Frauen grundsätzlich linker positioniert sind als Männer. Die Unterschiede in der politischen Einstellung sind aber gerade zwischen jungen Frauen und Männern besonders gross und nehmen weiter zu.

Van Ditmars Forschungsteam kann den Grund dafür nicht nennen, sie hat aber eine Vermutung: «Wir wissen nicht genau, warum dies der Fall ist, aber die zunehmende Aufmerksamkeit für die Gleichstellung der Geschlechter, die gewöhnlich mit linker Politik in Verbindung gebracht wird, könnte eine Erklärung sein.»

Bedeutung für Stimmrechtsalter 16

Gerade in Hinblick auf die aktuelle Debatte zur möglichen Senkung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre sind die Erkenntnisse der Studie interessant. Die linken Parteien dürften sich Hoffnung auf zusätzliche Stimmen machen. Die rechten Parteien wiederum sehen sich in ihrer Befürchtung bestätigt, dass die Eltern einen (zu) grossen Einfluss auf die Meinung ihrer Kinder haben.

In Luzern erteilte der Kantonsrat dem Stimmrechtsalter 16 vergangenen Herbst eine Absage (zentralplus berichtete). Jüngst hat sich jedoch eine knappe Mehrheit im Nationalrat für Stimmrechtsalter 16 ausgesprochen. Nun erarbeitet die Staatspolitische Kommission der grossen Kammer einen konkreten Vorschlag für eine Verfassungsänderung. Dieser Vorschlag wird dann erneut vom Parlament bearbeitet.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung der Uni Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Mathilde van Ditmars
  • Artikel von SRF zum Stimmrechtsalter 16
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11 Kommentare
  • Profilfoto von Manuel
    Manuel, 20.04.2022, 19:25 Uhr

    Ach, Ihre sogenannte Expertise…. einmal mehr umwerfend.
    Anderer Vorschlag: Frauen definieren sich weniger über persönliche «Leistung» und «Arbeit», haben einen Sinn für ökologische und ökonomische Zusammenhänge (sind übrigens noch immer die Basis ökonomischen Schaffens), haben weniger Verständnis für abstrakte Begriffe wie «Stärke», «Durchsetzungsvermögen», «Konkurrenz» , ect.und begreifen den «Ellbogen» noch immer als Körperteil, und nicht als ausgewiesenes Attribut in Ihrer ökonomisch verqueerten Wirtschaftswelt.
    Und ja, «Gründergeist»…, buah, das bedarf eigentlich keiner Erwiderung mehr (da bekomme ich gleich Gänsehaut).
    Bin übrigens gespannt, wo Ihre Ideologie endet.

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  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 20.04.2022, 12:43 Uhr

    Alte böse Männer haben eben Angst vor jungen hässigen Frauen. Möglicherweise eben zu recht.

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    Roli Greter, 18.04.2022, 22:27 Uhr

    Sind Töchter von linken Eltern unkritischer?

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      Alain, 19.04.2022, 08:11 Uhr

      Nein, einfach menschlicher, rücksichtsvoller, weniger selbstverliebt.

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  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 18.04.2022, 18:49 Uhr

    „Zwar lässt sich in westlichen Gesellschaften schon seit den 1980er-Jahren beobachten, dass Frauen grundsätzlich linker positioniert sind als Männer. Die Unterschiede in der politischen Einstellung sind aber gerade zwischen jungen Frauen und Männern besonders gross und nehmen weiter zu.“ Das lässt ja nur einen einzigen Schluss zu, nämlich den, dass Frauen lieber staatliche Leistungen in Anspruch nehmen als dazu beizutragen, dass diese auch erbracht werden können. Sie hätten demnach weniger Gründergeist, weniger Risikobereitschaft, mehr Staatsvertrauen, mehr das Bedürfnis nach Aufteilung der Verantwortung, wahrscheinlich weniger Verständnis für ökonomische Zusammenhänge.
    Andere Interpretationsansätze werden unter Klarnamen gerne entgegengenommen.

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    • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
      Kasimir Pfyffer, 19.04.2022, 11:37 Uhr

      In Ihrer Aufstellung von Klischees aus dem Jahr 1790 haben sie ein ganz tolles Argument vergessen: Der Brustkorb der Frauen besteht aus schwächeren Knochen als bei Männern, deshalb ertragen sie nur Stubenluft und würden bei sportlicher Betätigung im Freien sogleich kollabieren!

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      Markus Bucher, 19.04.2022, 16:00 Uhr

      «Das lässt ja nur einen einzigen Schluss zu, nämlich den, dass Frauen lieber staatliche Leistungen in Anspruch nehmen als dazu beizutragen…»

      Also wer sich für staatliche Leistungen Ausspricht, tut dies hauptsächlich, weil er/sie diese selbst beanspruchen möchte? Also z.B. die 60%, die den Vaterschaftsurlaub angenommen haben, sind vor allem werdende Väter (komisch), alle, die für die Pflegeinitiative stimmten, arbeiten im Gesundheitswesen und wenn ich beim Netflix-Gesetz «Ja» stimmen werde, bin ich vermutlich in der Schweizer Film-Branche tätig? Klar. Die Linken sind die Egoisten.

      Und Sie sprechen den hauptsächlich neoliberalen Rechten, die mit mehrfach widerlegten Wirtschaftstheorien aus dem 18. Jahrhundert argumentieren (Adam Smith, bzw. «Der Markt regelt das schon…») mehr ökonomische Expertise zu? Jääää

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      • Profilfoto von Peter Bitterli
        Peter Bitterli, 19.04.2022, 18:32 Uhr

        Guten Tag, Herr Markus Bucher

        Ich nehme einmal an, Ihre ökonomische Expertise orientiert sich eher an den Früh- bis Spätschriften von Karl Marx und all derer, die in seinem Fahrwasser dümpeln. Meines Wissens sind sämtliche, aber wirklich sämtliche Versuche, eine sozialistische Gesellschaft nach diesen Vorstellungen zu bauen jämmerlichst gescheitert, wahlweise endend in Elend, Terror, Diktatur, Resignation, Dummheit, in aller Regel in allem zusammen. Ach so, sorry, ich habe ja da etwas vergessen: Es gab ja noch gar keine sozialistische Gesellschaft, alle Versuche waren gar nicht so recht das Rechte.

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        Markus Bucher, 22.04.2022, 16:26 Uhr

        Nein, an meinem Studium, bzw. einer der Vorlesungen zu «Geschichte des Kapitalismus» an der Uni Freiburg.

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  • Profilfoto von Alain
    Alain, 18.04.2022, 16:21 Uhr

    Wenn man den blanken Sexismus und Rassismus der rechten sieht, wundert es einen nicht wenn da welche abwandern.

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    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 18.04.2022, 19:52 Uhr

      Sexismus und Rassismus, „blanken“ gar, kann ich jetzt eigentlich nur in Alains pauschalisierender – sagen wir – „Wortmeldung“ erkennen.

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