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Immer mehr Zuger wollen in Bern politisieren. Nun haben die Parteien so viele Listen wie noch nie eingereicht. Doch ob das zum Erfolg führt, ist fraglich.
34 Listen und 99 Kandidaten: Es sind Rekordzahlen für den Kanton Zug. Noch nie stellten sich so viele Zuger für einen Nationalratssitz zur Verfügung (zentralplus berichtete). Sie alle wollen am 22. Oktober in die grosse Kammer gewählt werden. Zur Erinnerung: Der Kanton Zug besetzt in Bern drei Nationalratssitze.
Ein Blick auf die Listen zeigt: Am meisten Kandidaten haben die Alternativen – die Grünen. Sieben Listen mit je drei Personen stellen sie den Zuger Wählerinnen zur Verfügung. 21 ALG-Vertreter wollen also nach Bundesbern. Wie die anderen Parteien hat die ALG eine Haupt- und mehrere Unterlisten.
Für ALG steht Vielfalt im Vordergrund
Luzian Franzini, Co-Präsident der kantonalen ALG, erklärt auf Anfrage diese Rekordzahl: «Mit nur einer Liste können wir nicht die Auswahl präsentieren, die wir gerne möchten.» Die Partei habe viele Personen, die sich engagieren würden und motiviert seien. Daraus habe sich dann diese Rekordzahl von 21 Kandidaten und sieben Listen ergeben.
«Aus unserer Sicht wäre es komisch gewesen, wenn wir unseren Leuten, die gewillt sind anzutreten, abgesagt hätten.»
Luzian Franzini, Co-Präsident ALG Kanton Zug
«Wir wollen damit auch aufzeigen, wie vielfältig wir aufgestellt sind», sagt der ALG-Kantonsrat, der selbst auf der «urbanen» Liste der Partei als Nationalratskandidat aufgeführt ist. So gibt es beispielsweise die ALG-Listen «Berg», «Ennetsee» oder auch «Nachhaltig Grün». «Wir sind überzeugt, dass so jede Person ihr individuelles Umfeld nochmals besser mobilisieren kann.» Wahltaktische Motive, absichtlich viele Listen einzugeben, seien nicht ausschlaggebend gewesen, sagt Franzini.
Auch schweizweit immer mehr Listen
Das Phänomen macht seit einigen Jahren die Runde. Nicht nur in Zug, sondern gesamtschweizerisch würden für die Nationalratswahlen immer mehr Listen eingereicht, wie «SRF» berichtete. Im Kanton Aargau etwa reichten die Parteien für die Wahlen im aktuellen Jahr 16 Listen mehr ein als noch vor vier Jahren.
«Verschiedene interne Auswertungen anderer Wahlen haben gezeigt, dass es durchaus hilfreich ist, wenn man mehr Kandidaten und Listen hat.»
Thomas Werner, Präsident SVP Kanton Zug
Auch im Kanton Zürich gibt es heuer eine veritable Listenflut. Der «Tages-Anzeiger» schreibt von einer neuen Wahlkampftaktik der Parteien. Die vermehrten sogenannten Unterlisten würden den Kreis der Kandidaten, welche ihre Freunde und Bekannten zur Wahl animieren, vergrössern.
Doch Luzian Franzini winkt ab: «Aus unserer Sicht wäre es komisch gewesen, wenn wir unseren Leuten, die gewillt sind anzutreten, abgesagt hätten.» Das sei der Grund für die grosse Anzahl Kandidaten und Listen. Zudem gehe er nicht davon aus, dass mehr Listen die Wahlchancen markant verbessern würden.
SVP will Regionen des Kantons abbilden
Anders sieht das die SVP. Parteipräsident Thomas Werner sagt: «Verschiedene interne Auswertungen anderer Wahlen haben gezeigt, dass es durchaus hilfreich ist, wenn man mehr Kandidaten und Listen hat.» Es sei beispielsweise wichtig, die verschiedenen Regionen des Kantons mit dort verwurzelten Personen auf den Listen abzubilden. «Die Wähler kennen diese und wählen sie dann auch eher.»
Trotzdem ist das laut Thomas Werner nicht der einzige Grund, weshalb die SVP mit sechs Listen – eine weniger als die ALG – antritt. Auch die SVP habe viele motivierte Kandidatinnen. «Wir möchten ihnen gerne eine Plattform bieten.»
Der SVP-Chef ist mit der Entwicklung der immer grösser werdenden Anzahl Listen aber trotzdem nicht unbedingt glücklich. «Es kann zu einem Wald voller Listen führen, der mühsam werden kann. Es besteht bei den Wählern irgendwann die Gefahr des Überdrusses, also dass sie sich abwenden von der Politik.» Doch er bleibt optimistisch: «Der Wähler ist mündig und interessiert genug, um die Kandidaten auszusuchen, die er wählen will. Und schlussendlich belebt Konkurrenz ja auch das Geschäft.»
Politologin befürchtet Sättigungseffekt
Ob der nationale Trend, immer mehr Listen einzureichen, überhaupt zum Erfolg führt, ist fraglich. Das Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern hat für «SRF» eine Auswertung der Nationalratswahlen der vergangenen 35 Jahre gemacht. Sie zeigt: Es gibt keinen signifikanten Effekt. «SRF» zitiert Politologin Martina Flick Witzig: «Unser Modell zeigt, dass man zwar leicht an Wähleranteil zulegt, je mehr Listen man aufstellt. Aber in Mandaten zahlt es sich unter dem Strich nur in Einzelfällen aus.» Jede zusätzliche Liste bringe im Schnitt etwa 0,2 Prozent mehr Wähleranteil, doch reiche dies in den allermeisten Fällen nicht für einen Sitzgewinn.
Auch sie sieht die Listenflut kritisch: «Wenn dieser Trend weitergeht und die Wählenden sich durch immer mehr Listen ‹kämpfen› müssen, könnte sich bei ihnen irgendwann ein Sättigungseffekt einstellen», zitiert sie «SRF».
- Medienmitteilung des Kantons Zug
- Artikel von «SRF»
- Artikel des «Tages-Anzeigers»
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