Luzern: Bröckelt die bürgerliche Front?

CVP-Politiker sagen erst Ja, dann Nein zur Inseli-Initiative

Hmm, was gilt jetzt? Die Inseli-Abstimmung und die Carparkplätze sind zu einem Glaubenskrieg geworden.

(Bild: jwy)

Die Fronten sind abgesteckt bei der Abstimmung über die Inseli-Initiative – Rätsel gibt aber die CVP auf: Die Mitglieder sagen deutlich Nein, während die Mehrheit der Fraktion im Stadtparlament noch dafür stimmte. Was ist passiert?

Die Sache ist eigentlich eindeutig im Hinblick auf die Inseli-Abstimmung am 24. September: Ja sagen der Luzerner Stadtrat sowie die linken und grünen Parteien – dagegen sind die Bürgerlichen mit Unterstützung von Wirtschaft und Tourismus. Alle bürgerlichen Parteien? Bei der CVP gibt’s Fragezeichen. Denn so geeint, wie sie sich nach aussen gibt, war die Partei nicht immer.

Zwar hat die städtische CVP an der Mitgliederversammlung vom Juli die Nein-Parole beschlossen (zentralplus berichtete) – überaus deutlich mit nur einer Gegenstimme, wie es danach hiess. Parteipräsidentin und Nationalrätin Andrea Gmür ärgerte sich an der Medienkonferenz des Nein-Komitees über die «durchsichtige» und «ideologische» Politik der Öko-Allianz im Parlament.

Was Gmür aber nicht sagte: Als die Inseli-Initiative der Juso im April im Stadtparlament debattiert und knapp gutgeheissen wurde, geschah dies auch dank Stimmen aus der CVP-Fraktion: Vier der sieben CVP-Grossstadträte sagten damals Ja zur Juso-Initiative: Mirjam Fries (Fraktionschefin), Roger Sonderegger, Michael Zeier-Rast und Albert Schwarzenbach.

Zuerst Carproblem lösen

Wie stehen die vier Inseli-Befürworter aus der CVP-Fraktion heute zur Initiative? Fraktionschefin Mirjam Fries hat damals an der Parteiversammlung das Geschäft vorgestellt und die Haltung der Fraktion erläutert. Inzwischen sagt auch sie: «Ich habe meine persönliche Meinung geändert und werde die Initiative ablehnen.» Mit dem Ziel der Initiative sei sie zwar immer noch einverstanden. «Aber zuerst muss das Carparkproblem gelöst werden, dann soll das Inseli zum Freiraum werden.»

«Ich habe meine persönliche Meinung geändert und werde die Initiative ablehnen.»

Mirjam Fries, Fraktionschefin CVP Stadt Luzern

Woher der Meinungsumschwung? Die Initiative sei in der Fraktion schon damals intensiv diskutiert worden. «Wir haben knapp Ja gesagt. Dies in der Meinung, dass das Problem der wegfallenden Carparkplätze bis 2023 gelöst werden könne», sagt Fries.

Nach der Ratssitzung vom April habe sich dann gezeigt, dass bei der Carparkierung noch mehr Unsicherheiten bestünden als während der Diskussion im Rat: Eine Aufstockung der Carparkplätze im Brüelmoos wurde abgelehnt und die Agglogemeinden – insbesondere Kriens – hätten sich negativ zu Carparkplätzen geäussert. Fries: «Es hat sich gezeigt, dass die Carparkierung in der Realität noch weit weg von einer Lösung ist. Und der Stadtrat hat sich inzwischen auch negativ gegenüber einer möglichen Lösung im Parkhaus Musegg ausgesprochen.»

Inzwischen sagen sie Nein zur Inseli-Initative: Andrea Gmür (Präsidentin der städtischen CVP), Mirjam Fries (CVP-Fraktionschefin im Grossstadtrat) und Albert Schwarzenbach (CVP-Grossstadtrat).

Inzwischen sagen sie Nein zur Inseli-Initative: Andrea Gmür (Präsidentin der städtischen CVP), Mirjam Fries (CVP-Fraktionschefin im Grossstadtrat) und Albert Schwarzenbach (CVP-Grossstadtrat).

(Bild: zvg/Montage zentralplus)

Mangelnde Kommunikation

Ähnlich argumentiert Grossstadtrat Albert Schwarzenbach. Er war an der Parteiversammlung – ebenso wie Fraktionskollege Michael Zeier-Rast – verhindert. Zum Fraktionsentscheid steht er aber immer noch: «Wir haben es uns nicht leicht gemacht und alle Aspekte beleuchtet. Die Mehrheit der Fraktion hat die Vorteile stärker gewichtet als die Nachteile.»

Das fordert die Inseli-Initiative

Platz für Reisecars oder grüne Oase: Die Inseli-Initiative der Jungsozialisten entscheidet, was ab 2023 auf der zentralen Fläche hinter dem KKL passiert. Die 2015 lancierte Initiative verlangt, dass die 26 Carparkplätze verschwinden und die Grünfläche vergrössert wird. Der Stadtrat sowie SP, Grüne, GLP und EVP sagen Ja zur Initiative. Dagegen sind die bürgerlichen Parteien CVP, SVP und FDP sowie Vertreter aus Wirtschaft, Tourismus und von der Määs.

Den Meinungsumschwung der CVP erklärt er mit der mangelnden Kommunikation seitens der Stadt. «Wenn das Inseli weiter begrünt wird, müssten die Cars Ersatzparkplätze erhalten. Nach der Debatte haben wir gesehen, dass die Nachbargemeinden nichts davon wissen wollen», so Schwarzenbach.

Zudem sei die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees zu möglichen Anhalteplätzen bei der Schiffsanlegestelle zu spät einbezogen worden. Schwarzenbach ist immer noch überzeugt: «Die beste langfristige Lösung für Cars wäre das Parkhaus Musegg, wie auch Studien des Stadtrats zeigen. Das Volk soll darüber befinden können.»

Meinung durchgeboxt?

Hart ins Gericht mit der städtischen CVP geht ein Mann aus den eigenen Reihen. Silvio Bonzanigo, alt Grossstadtrat der CVP, kommentierte die Angelegenheit kürzlich auf Lu-wahlen.ch so: «Die CVP-Mitgliederversammlungen sind ohne Punch, ohne Auseinandersetzung. Parolen der Parteileitung werden durchgewunken.»

«Das ist dummes Zeug, die Linken konstruieren da etwas.»

Andrea Gmür, Präsident CVP Stadt Luzern

Auch das Ja-Komitee «Lebendiges Inseli» ist über den CVP-Kurs irritiert. Linus Petermann, Präsident der städtischen Juso, fragt sich, wie das Nein an der Mitgliederversammlung zustande kam. Seine Vermutung: Die städtische Parteipräsidentin Andrea Gmür habe ohne Diskussion an der Mitgliederversammlung ihre Meinung durchgeboxt. «Die bürgerliche Front will geeint dastehen und keine unterschiedlichen Meinungen zulassen», so Petermann.

Fast nur Nein-Voten

Andrea Gmür, Präsidentin der CVP Stadt Luzern, engagiert sich an vorderster Front gegen die Juso-Initiative. Hat sie die Partei kraft ihres Amtes auf einen Nein-Kurs getrimmt? Die Nationalrätin winkt ab, als wir sie während der Session in der Wandelhalle erwischen. «Das ist dummes Zeug, die Linken konstruieren da etwas», sagt sie hörbar genervt.

CVP-Fraktionschefin Mirjam Fries habe die Inseli-Vorlage an der Parteiversammlung objektiv vorgestellt. Man habe innerhalb der CVP intensiv diskutiert, aber die Stimmung an der Mitgliederversammlung sei dermassen klar gewesen: «Es hat nur Nein-Voten gegeben, wir haben niemanden auf Parteimeinung getrimmt», so Gmür.

Auch die Parteipräsidentin erklärt sich das klare Nein-Votum ihrer Partei mit der Unsicherheit über die Carparkplätze, die seit der Parlamentsdebatte zunahm. Schon im Grossstadtrat sei der Entscheid in der CVP-Fraktion mit 4 zu 3 knapp gewesen. «Die Situation hat sich danach verändert: Der Stadtrat hat sich vom Parkhaus Musegg verabschiedet, zudem hat er das Gespräch mit den umliegenden Gemeinden zu möglichen Ersatzparkplätzen nicht gesucht.»

Zuletzt muss man noch anmerken: Auch eine Partei aus dem Pro-Lager war im Parlament gespalten: Die GLP-Grossstadträte Jules Gut und Stefan Sägesser stimmten damals Nein – Judith Wyrsch und András Özvegyi sagten Ja zu einem carfreien Inseli. Alle anderen Fraktionen – FDP, Grüne, SP und SVP – stimmten geschlossen auf Parteilinie.

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