Petition von Guido Fluri

Chamer kämpft europaweit gegen Kindesmissbrauch im Internet

Mit einer Motion (hier im Bild) hat Guido Fluri europaweit die Aufarbeitung von Kindesmissbrauch gefordert. Nun hat der Chamer Unternehmer eine Petition lanciert. (Bild: zvg)

Der Chamer Unternehmer Guido Fluri setzt sich gegen pädokriminelle Inhalte im Internet ein. Mit seiner Stiftung hat er eine Petition an die EU lanciert, die die Techkonzerne verpflichten will, aktiv Inhalte zu suchen und zu löschen.

Während der Corona-Pandemie haben sich viele Aspekte unseres Lebens in den Onlinebereich verschoben. Geshoppt, geplaudert und gearbeitet wurde übers Internet. Entsprechend nahm auch die Cyberkriminalität zu. Gerade auch im Bereich der Pädokriminalität.

Ein Bericht der «Internet Watch Foundation», einer britischen Non-Profit-Organisation zur Bekämpfung von Onlinekindesmissbrauch, besagt, dass sich die Zahl der Websites mit Bildern von schlimmem Kindesmissbrauch zwischen 2020 und 2022 verdoppelt hat. Solche Zahlen lassen auch den Chamer Unternehmer Guido Fluri nicht kalt. Mit seiner Stiftung setzt er sich seit 15 Jahren gegen die Gewalt an Kindern ein. Die grassierende sexuelle Gewalt an Kindern im Internet sei für ihn inakzeptabel: «Hinter jedem Bild steht der Missbrauch eines Kindes. Das müssen wir stoppen», wie er auf Anfrage sagt.

«Ein Land kann nur in die Zukunft bauen, wenn es auch seine trübe Vergangenheit aufarbeitet.»

Guido Fluri, Chamer Unternehmer

Im Februar hat er deshalb im Rahmen einer grösseren «Justice Initiative» eine Petition zur Bekämpfung von Onlinekindesmissbrauch an die EU lanciert. Ihr Ziel: Techkonzerne und Internetdienstleister gesetzlich zu verpflichten, aktiv kinderpornografisches Material auf ihren Plattformen zu suchen und zu löschen. Zudem soll ein europäisches Kompetenzzentrum zur Prävention und Bekämpfung von Kinderpornografie und zur Unterstützung von dessen Opfer realisiert werden. Damit unterstützt die Petition eine vorgeschlagene Gesetzesänderung der EU-Kommission.

Initiative für Verdingkinder hat andere Länder inspiriert

Gemäss Guido Fluri ist die Petition eine Folge der erfolgreichen Wiedergutmachungsinitiative in der Schweiz. Zur Erinnerung: Mit ihr forderte Guido Fluri eine finanzielle Wiedergutmachung und Aufarbeitung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen. 2014 wurde sie lanciert, 2017 trat ein Bundesgesetz dazu in Kraft.

«Ich konnte nicht anders», blickt Fluri zurück. «Ich wurde selbst aktiv, um all den Menschen, die so untendurch mussten und Missbrauch erlitten haben, eine Stimme zu geben. Um einen politischen Durchbruch zu erringen und ihnen ein Stück Gerechtigkeit zurückzugeben.» Wichtig war es ihm auch, dass die Betroffenen die Anerkennung und Wiedergutmachung innert kurzer Zeit erhalten. Denn viele Opfer seien heute im hohen Alter. «Viele Menschen sind bereits gestorben, bevor sie diese Würde erhalten haben.»

Im Nachgang zu seinem Engagement seien Vertreter verschiedener Länder wie Frankreich, Deutschland und Portugal auf ihn zugekommen, die seine Initiative als Vorbild sahen. Daraus sei dann die «Justice Initiative» entstanden – ein Bündnis von Opfergruppen, NGOs und Akademikerinnen aus ganz Europa. Hierfür hat die Stiftung in einem Dutzend Länder Stützpunkte aufgebaut und arbeitet mit über 50 Organisationen zusammen.

Europaweit hinschauen und das Leid der Kinder aufarbeiten

Diese Initiative habe zwei Ziele, so Fluri. Ein Ziel sei analog der Schweiz die historische Aufarbeitung und Wiedergutmachung von Kindesmissbräuchen – sei es durch den Staat oder beispielsweise auch durch die Kirche. «Ein Land kann nur in die Zukunft bauen, wenn es auch seine trübe Vergangenheit aufarbeitet», ist der Unternehmer überzeugt.

Im Rahmen dessen habe die Initiative im September 2022 eine Motion in den Europarat eingereicht und zusammen mit dem Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis die internationale Wanderausstellung «Shame» lanciert, die Opfer von Kindesmissbrauch porträtiert. «Viele dieser Menschen hegen ein grosses Misstrauen in Menschen, Institutionen und den Staat. Deshalb müssen die Länder auf sie zugehen und ihnen diese Wertschätzung und Anerkennung geben.»

Von links: Nina Vaaranen-Valkonen (Geschäftsführende Direktorin von «Suojellaan Lapsia / Protect Children»), Saga (Betroffene), Guido Fluri (Initiator Justice Initiative) und Juan (Betroffener) unterschreiben die EU-Petition.
Von links: Nina Vaaranen-Valkonen (Geschäftsführende Direktorin von «Suojellaan Lapsia/Protect Children»), Saga (Betroffene), Guido Fluri (Initiator «Justice Initiative») und Juan (Betroffener) unterschreiben die EU-Petition. (Bild: zvg)

Das zweite Ziel sei die Prävention. «Wir müssen nicht nur die Opfer der Vergangenheit anerkennen, sondern auch in die Zukunft schauen und die nächste Generation schützen.» Dabei haben sie den Fokus auf Kinderpornografie im Internet gelegt. «Wir müssen die Techplattformen dazu bringen, dass sie die Missbrauchsbilder ausfindig machen, melden und auch entfernen.» Die EU-Kommission hat dazu einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet. Denn ohne diese Regelung bestünde ab 2024 eine Lücke, da dann die laufende Übergangsregelung mit den Techkonzernen ausläuft. Mit massiven Folgen für den Kindesschutz, so Fluri.

Starke Kritik an Passage zur Durchsicht von Chats

Mit der kürzlich gestarteten Petition möchte der Unternehmer dem Kommissionsvorschlag mehr Nachdruck verleihen. Das Ziel sei es, im September mehrere Hunderttausend Unterschriften einzureichen, um ein Zeichen zu setzen. Denn: «Der Vorschlag ist kein Selbstläufer, sogar bei einem Thema wie Kinderpornografie im Netz.» Er betreibe darum nebst der Petition viel Lobbyarbeit, um eine Mehrheit im EU-Parlament zu erreichen.

Der Gesetzesvorschlag ist tatsächlich nicht unumstritten. Kritiker des Vorschlags stören sich vor allem an einem Passus, der auch die Durchforstung von privaten Chats und Chats (beispielsweise aus Videospielen) vorsieht. Unter ihnen ist das Gesetz deshalb unter dem unrühmlichen Namen «Chatkontrolle» bekannt.

Auch der wissenschaftliche Dienst des EU-Parlaments gab den Plänen keine guten Noten, wie beispielsweise der «Spiegel» berichtet. Die Technologien zur Erkennung von missbräuchlichen Inhalten seien noch zu ungenau. So würden mehr Falschmeldungen an die Ermittlerinnen gemeldet, was diese erheblich belaste. Auch müssten dazu zahlreiche Daten pauschal gespeichert werden – was gegen die EU-Grundrechte verstosse. Zudem kritisieren insbesondere Datenschützer den damit verbundenen schweren Eingriff in die Privatsphäre. Und die nicht klar definierten Begriffe, wie die «Netzpolitik» schreibt.

Guido Fluri ist zuversichtlich

Für Guido Fluri wiegen diese Gründe jedoch nicht schwer genug, um den Vorschlag abzulehnen. «Auch beim Geldwäschereigesetz haben sich die Gegner immer hinter Datenschutz versteckt.» Er sei trotzdem zuversichtlich, dass sein Vorhaben gelingen werde. «Natürlich kann es sein, dass die eine oder andere Passage abgeschwächt wird. Wichtig ist aber, dass der Prozess weitergeht.» Für alle die Personen, die Missbrauch erfahren hätten und noch immer daran litten. «Wir haben die Aufgabe als Schweiz, ein Zeichen zu setzen und den Betroffenen Kraft und Anerkennung zu geben.» So wie bereits mit der Wiedergutmachungsinitiative.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Jerome Halter
    Jerome Halter, 20.05.2023, 15:11 Uhr

    Ja die Chatkontrolle… Und ich wette das Volk würde dem blind zustimmen ohne zu verstehen was das bedeutet. Es ist ja für die Kinder!

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