Luzerner Stadtratskandidaten vor Wahl, Teil 2

Caroline Kuhn, die unbekannte Favoritin der Konservativen

Caroline Kuhn möchte für die CVP den Sitz des städtischen Finanzdirektors Stefan Roth erobern (Bild: lwo).

Sie ist die Favoritin der Konservativen, hat aber politisch noch keine Erfahrung: Caroline Kuhn (55) möchte Luzerner Stadträtin werden. Im Interview sagt sie, was ihre Qualitäten sind, warum sie für mehr Zusammenarbeit auch mit der SVP ist, weshalb sie der Salle Modulable nachtrauert – und ob sie ihren Job als Staatsanwältin satt hat.

So viel Frauenpower gab es bei Exekutivwahlen in Luzern noch nie: Für die Nachfolge des Mitte September zurücktretenden städtischen CVP-Finanzdirektors Stefan Roth bewerben sich erstens «nur» Frauen, zweitens gleich vier. Und alle bringen viel Erfahrung mit.

Favoritinnen sind Fraktionschefin Franziska Bitzi Staub (43) und die ehemalige Parteipräsidentin und Kantonsrätin Pia Maria Brugger Kalfidis (54). Auch Grossstadträtin Mirjam Fries (52) und Staatsanwältin Caroline Kuhn (55) werden versuchen, diesen Donnerstagabend die CVP-Mitglieder von sich zu überzeugen. zentralplus stellt alle Kandidatinnen vor.

Die Kandidatin der Konservativen

Caroline Kuhn ist politisch die grosse Unbekannte. Sie wird vom konservativen CVP-Flügel rund um Anton F. Steffen (77) hofiert. Steffen hält Kuhn für die geeignetste Kandidatin. Denn diese sei nicht mit den letzten Wahlen verknüpft, die mit der Abwahl von Roth als Stadtpräsident und dem Verlust von zwei Grossstadtratssitzen für die CVP debakulös endeten. Steffen war auch ein starker Befürworter des «Bürgerlichen Schulterschlusses» zwischen CVP, FDP und SVP, worauf die CVP zähneknirschend erst im zweiten Wahlgang einstieg.

zentralplus: Caroline Kuhn, Sie sind Staatsanwältin. Das ist doch ein cooler Job. Warum wollen Sie nun Stadträtin werden?

Caroline Kuhn: (lächelt) Ich habe einen guten Job. Ob er immer cool ist, weiss ich nicht. Es ist ein Job, wo man Grenzen setzt, mit vielen Schicksalen in Kontakt kommt und auch die Schattenseiten unserer Gesellschaft sieht. Wenn Sie nun meine Berufsbiografie anschauen, habe ich die Hälfte meiner Berufstätigkeit in der Verwaltung verbracht, auch in leitenden Positionen. Meine berufliche Biografie beinhaltet also sowohl die Strafverfolgung wie auch die Arbeit in der Stadt Luzern und der Verwaltung von Sursee.

zentralplus: Haben Sie den Job als Staatsanwältin satt?

Kuhn: (überlegt kurz) Nein, das möchte ich so nicht sagen. Ich mache diese Arbeit nun seit 14 Jahren. 2007 habe ich auch ein Nachdiplomstudium dazu gemacht. Das zeigt, dass ich diese Aufgabe gerne mache. Nun aber hat sich diese Option – die Wahl zur Stadträtin – ergeben. Plötzlich ging dieses Zeitfenser auf! Ich war schon immer sehr politinteressiert und habe mich deshalb entschieden zu kandidieren.

zentralplus: Und dann räumen Sie mit einer strengen Law-and-Order-Politik gehörig auf in der Stadt?

Kuhn: Auch als Staatsanwältin hat man ein Ermessen. Das braucht man überall, und das wäre auch als Stadträtin der Fall.

«Für mich ist die Eigenverantwortung wichtig.»

zentralplus: Sie haben keine politische Erfahrung und sind mit 55 die älteste der vier Kandidatinnen – wie ernst ist Ihnen diese Kandidatur, und wie schätzen Sie Ihre Wahlchancen ein?

Kuhn: Meine Kandidatur ist mir ernst, das ist keine Jux-Bewerbung. Was die Wahlchancen betrifft: Die CVP kommt mit vier Kandidatinnen, die alle ein gutes Profil aufweisen. Jede Kandidatin kommt mit einer bestimmten Prozentzahl an Wahlchancen an den Start. Ich überlege mir nicht, wie viele Prozente ich habe. Ich weiss nur, dass am Donnerstagabend jemand 100 Prozent hat.

Und was das Alter betrifft: Ich kann auch mit 55 durchaus noch eine bestimmte Anzahl an Amtsperioden anbieten.

Caroline Kuhn möchte für die CVP den Sitz des städtischen Finanzdirektors Stefan Roth erobern (Bild: lwo).

Caroline Kuhn möchte sich von der CVP für die Stadtratswahlen nominieren lassen (Bild: lwo).

zentralplus: Sie werden vom konservativen CVP-Flügel hofiert. Warum ist eine konservative CVP-Stadträtin in einer mitte-links-ausgerichteten Stadt wie Luzern das Richtige?

Kuhn: Konservativ ist ein weiter Begriff. Ich sehe mich als traditionsbewusst. Für mich ist die Eigenverantwortung wichtig. Meine Position beinhaltet zudem mehr als nur das Schlagwort konservativ.

zentralplus: Wie sieht denn Ihre Position aus?

Kuhn: Ich habe eine Herkunft: Ich bin fast seit meiner Volljährigkeit bei der CVP. Ich war an den Frauenparteitagen, damals mit 20, 25 Jahren, als erstmals Frauen in der Politik Karriere machten. Für mich ist es wichtig, dass alles, was wir machen, eine finanzielle Grundlage hat. Alles muss finanzierbar sein, auch längerfristig.

zentralplus: Vor dem ersten Wahlgang für die Stadtratswahlen weigerte sich die CVP, den «bürgerlichen Schulterschluss» mit FDP und SVP einzugehen. Sind Sie dafür gewesen?

Kuhn: Ja, ich habe an dieser Parteiversammlung für das Zusammengehen gestimmt. Denn ich bin der Meinung, dass wir von der CVP unsere Ziele nicht mehr alleine erreichen können. Früher war das einfacher.  Heute brauchen wir Allianzen, und dafür benötigen wir oft nicht nur die FDP, sondern manchmal eben auch die SVP.

«Eine Partei wie die SVP a priori auszuschliessen, finde ich etwas keck.»

zentralplus: Gerade innerhalb der städtischen CVP gibt’s grosse Vorbehalte gegenüber der SVP. Sie haben weniger Berührungsängste?

Kuhn: Die Frage ist doch: Wo können wir gemeinsam etwas erreichen? Wenn sich dafür Partner finden – umso besser. Aber jemanden a priori auszuschliessen, finde ich etwas keck.

zentralplus: Die SP hätte wohl Freude an einer konservativen CVP-Kandidatur wie der Ihren. Das würde die Genossen animieren, mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen zu steigen. Wollen Sie das riskieren?

Kuhn: Das wäre dann der Entscheid der SP. Sie müsste sich dabei halt überlegen, ob sie mit dem Stadtpräsidium nicht schon sehr gut positioniert ist.

zentralplus: Sie würden wohl die Finanzdirektion übernehmen – sind Sie dafür gut genug qualifiziert?

Kuhn: Zuerst wird der Stadtrat entscheiden, ob er eine Rochade macht. Falls nicht, wäre ich gut genug vorbereitet. Ich war während sieben Jahren, 1993 bis 2000, Stabschefin bei CVP-Stadtrat Paul Baumann. Früher nannte man das Direktionssekretärin. Ich habe dort den ganzen Budget- und Rechnungsprozess der Direktion der städtischen Unternehmungen begleitet. Zudem war ich in Sursee Stadtschreiberin, da kommen unweigerlich ganz viele Themen übers Pult, auch finanzielle.

zentralplus: Wie würden Ihre Mitarbeitenden Sie bezeichnen?

Kuhn: (überlegt) Da muss man eigentlich die Mitarbeiter fragen. Selber hat man natürlich schon eine Wahrnehmung, wie es sein könnte.

zentralplus: Und wie könnte es sein?

Kuhn: Hmm … Verlässlich, diszipliniert, durchaus auch mal humorvoll und für eine unkonventionelle Lösung zu haben.

zentralplus: Was würden Sie anders machen als Ihr Vorgänger Stefan Roth?

Kuhn: Stefan Roth hat die Finanzen der Stadt Luzern gut hinterlassen. Ich müsste mich zuerst einarbeiten und alles analysieren, bevor ich dazu konkreter werden könnte.

zentralplus: Wo sehen Sie Handlungsbedarf in der Stadt Luzern?

Kuhn: Die Stadt hat eine sehr hohe Lebensqualität, dazu müssen wir Sorge tragen. Für mich ist es auch wichtig, dass die Stadt auf finanziell gesunder Basis operiert. Auch der Verkehr ist wichtig. Hier brauchts Partnerschaften mit Kanton und Bund. Vieles ist in diesem Bereich schon aufgegleist.

«Die gesellschaftliche Realität ist nun mal, dass sehr viele Personen mit dem Auto unterwegs sind.»

zentralplus: Unter anderem das Gesamtverkehrskonzept der Stadt – kennen Sie es?

Kuhn: (überlegt) Ich habe darüber glesen, im Detail habe ich mich jedoch noch nicht damit befasst.

zentralplus: Der Verkehr ist ein wichtiges Thema in der Stadt. Verkehrsdirektor Adrian Borgula wird immer mal wieder hart kritisiert für seine Politik zugunsten des ÖV und des Langsamverkehrs. Gäbe es eine andere Lösung?

Kuhn: Für mich ist wichtig, dass eine Stadt erreichbar ist, und zwar für alle Verkehrsteilnehmer. Da gibt es heute sehr viele Instrumente, auch von der Siedlungsplanung und Stadtentwicklung her. Selbstverständlich ist es gut, wenn man den Veloverkehr fördert. Aber es gibt auch noch andere Verkehrsteilnehmer. Die gesellschaftliche Realität ist nun mal, dass sehr viele Personen mit dem Auto unterwegs sind.

zentralplus: Die Bevölkerung wächst ständig, der Strassenraum hingegen bleibt begrenzt. Gibt es eine andere Lösung, als den ÖV zu bevorzugen? Ohne den Versuch, die Anzahl Autos zu reduzieren, wird es doch nur schlimmer?

Kuhn: Das ist so. Ich denke, schon heute überlegen sich viele Leute, ob sie mit dem Auto in die Stadt fahren sollen – oder ob sie für das letzte Stück die S-Bahn nehmen. Auch müssen wir uns fragen, ob alle morgens um 8 Uhr zur Arbeit fahren müssen. Hier sind mehr flexible Arbeitszeitmodelle gefragt.

«Die Initiative zur Erhöhung der Unternehmenssteuern löst die finanziellen Fragestellungen des Kantons nicht.»

zentralplus: Am 25. September findet im Kanton Luzern die Abstimmung über die Erhöhung der Unternehmenssteuern statt. Wie stehen Sie dazu?

Kuhn: Ich unterstütze die Initiative nicht. Denn sie löst die finanziellen Fragestellungen des Kantons nicht. Für die Unternehmenssteuerreform III des Bundes ist es nicht das richtige Signal, wenn der Kanton Luzern diese Erhöhung macht. Für Unternehmen ist es wichtig, dass sie sich auf eine verlässliche und kalkulierbare Steuergesetzgebung abstützen können.

zentralplus: Jetzt schlägt die Luzerner Regierung selber eine allgemeine Steuererhöhung von 1,6 auf 1,7 Einheiten vor. Dies als eine von vielen Massnahmen aus dem Riesensparpaket KP17, um die Finanzen wieder ins Lot zu bringen. Was sagen Sie dazu?

Kuhn: Damit muss sich jetzt das Parlament befassen. Wenn es nicht anders geht, werden wir kaum drumrum kommen.

zentralplus: Der Luzerner Anwalt Jost Schumacher griff Sie vor Kurzem in einem Leserbrief in der «Neuen Luzerner Zeitung» (NLZ) frontal an. Sie seien nicht stark genug für das Stadtratsamt. Das tönt nach einer persönlichen Abrechnung. Was ist passiert?

Kuhn: (ihr Blick verhärtet sich) Zu diesem Brief nehme ich keine Stellung.

zentralplus: Hat es Sie nicht geärgert, dass die NLZ diesen Frontalangriff überhaupt gedruckt hat? Die Leser kennen ja die Zusammenhänge nicht, und Sie hatten keine Gelegenheit, Stellung dazu zu nehmen?

Kuhn: Wie gesagt, das war der Entscheid der NLZ, und auch dazu nehme ich keine Stellung.

zentralplus: Zu Ihren Schwerpunkten: Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie wichtig ist Ihnen ein ausgebauter Umweltschutz?

Kuhn: (zögert lange, findet die Frage schwierig zu beantworten, ringt sich schliesslich durch) 5. Denn hier besteht schon eine umfassende Gesetzgebung.

zentralplus: Wirtschaftsförderung?

Kuhn: 8

zentralplus: Kultur?

Kuhn: 7

zentralplus: Öffentlicher Verkehr?

Kuhn: Der ist schon gut ausgebaut, drum eine 6.

zentralplus: Bildung?

Kuhn: 8

zentralplus: Ausgebauter Sozialstaat?

Kuhn: Auch der ist schon gut ausgebaut und austariert, deshalb ein 5.

zentralplus: Der Kantonsrat hat vergangenen Montag die Salle Modulable abgeschossen. Das Projekt ist wohl tot. Was sagen Sie dazu?

Kuhn: (zögert keine Sekunde) Ich finde das schade. Diesen Weg hätte man weiterführen sollen. Es ging ja erst um die Projektierung. Ich bin selber sehr kulturinteressiert und besuche die Luzerner Kulturhäuser wie KKL oder Luzerner Theater regelmässig. Die Salle Modulable hätte eine Chance für Luzern sein können.

Anklägerin des Staates

Caroline Kuhn ist in Bern aufgewachsen, wohnt aber seit 1987 in Luzern. Sie ist geschieden, lebt nun allein und hat einen erwachsenen Sohn. Kuhn hat in Bern Rechtswissenschaften studiert. Sie hat unter anderem als Einschätzungsexpertin bei der Stadt Luzern, als Ersatzrichterin am Amtsgericht Luzern-Stadt sowie als Stabssekretärin bei der Stadt Luzern gearbeitet. Von 2000 bis 2002 war sie Stadtschreiberin von Sursee, bevor sie als Amtstatthalterin startete und seit 2011 als Staatsanwätlin in der Staatsanwaltschaft Abteilung 1 in Kriens/Luzern arbeitet.

Als Hobbys gibt Kuhn an: Literatur, Musik, Kino und Schwimmen. Die 55-Jährige ist Mitglied u.a. in der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern.

Hier gehts zu allen vier grossen zentralplus-Interviews mit den CVP-Kandidatinnen:

Hinweis: zentralplus berichtet diesen Donnerstag ab 19.15 Uhr live von der Nominationsversammlung der CVP. Wir bieten das volle Programm: Live-Ticker, Interview mit der siegreichen CVP-Stadtratskandidatin, Kommentar, Video.

Themen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon