Luzerner Stadtratskandidaten vor der Wahl, Teil 1

Brugger Kalfidis: «Ich bin keine Sparpolitikerin»

Pia Maria Brugger Kalfidis am Schwanenplatz: Mobilität ist einer ihrer Schwerpunkte. (Bild: jal)

Pia Maria Brugger Kalfidis kandidiert als eine von vier Frauen für den Sitz von CVP-Stadtrat Stefan Roth. Die 54-Jährige sieht bei den städtischen Finanzen keinen Handlungsbedarf, will hingegen die öffentlichen Plätze aufwerten und mehr Leute vom Auto in den Bus locken. Und sie ist überzeugt, für die Wahlen intakte Chancen zu haben – trotz ihres turbulenten Abgangs als Geschäftsführerin in Ebikon.

Vier Frauen buhlen um die Nachfolge von CVP-Stadtrat Stefan Roth, der am 15. September aus der Stadtregierung zurücktritt. Wen die CVP für die Wahlen vom 27. November ins Rennen schickt, entscheidet die Parteiversammlung diesen Donnerstagabend.

zentralplus fühlt den vier Kandidatinnen vor der Nominationsversammlung den Puls. Den Anfang der vierteiligen Interview-Serie macht Pia Maria Brugger Kalfidis. Die 54-jährige Betriebsökonomin vertrat die CVP über zehn Jahre lang im Kantonsrat (siehe Box unten). Im Interview erzählt sie, wieso sie eine gute Finanzdirektorin wäre, wieso sie zu ihrem abrupten Abgang bei der Gemeinde Ebikon nicht alles sagen will und weshalb sie eine typische Mitte-Politikerin ist.

zentralplus: Pia Maria Brugger Kalfidis, wieso wollen Sie die Nachfolge von Stefan Roth antreten?

Pia Maria Brugger Kalfidis: Ich setze mich seit Langem für die Stadt Luzern und die Region ein – politisch und beruflich. Und das immer mit sehr viel Herzblut – sei es in der Zusammenarbeit mit den Agglomerationsgemeinden, als Mitinitiantin bei der Fusion mit Littau oder bei der Planung des öffentlichen Verkehrs. Deshalb habe ich eine grosse Verbundenheit mit der Region und möchte meine Erfahrung und meine Leidenschaft für die Stadt einsetzen.

zentralplus: Und was wollen Sie im Amt erreichen, falls Sie gewählt werden?

Brugger Kalfidis: Grundsätzlich muss man als Stadträtin einen umfassenden Blick haben. Mir ist es wichtig, die hohe Lebensqualität in Luzern zu erhalten und weiterzuentwickeln.

«Es braucht noch mehr Leute, die auf den öffentlichen Verkehr umsteigen.»

zentralplus: Diesem Ziel würden wohl alle zustimmen. Wo legen Sie denn Ihre politischen Schwerpunkte?

Brugger Kalfidis: Gesunde Finanzen sind natürlich die Basis, damit wir investieren können. Wenn wir eine zu hohe Verschuldung haben, sind wir blockiert. Ich habe das als Kantonsrätin erlebt und wir erleben das gerade jetzt wieder zum Beispiel mit der Salle Modulable: Wenn die Finanzen nicht mehr stimmen, traut man sich auch nicht, etwas anzupacken.

 

zentralplus: Sie sprechen im Video von einem Miteinander der verschiedenen Verkehrsmittel. Wo in diesem Spannungsfeld zwischen Velo, Auto und öffentlichem Verkehr setzen Sie die Prioritäten?

Brugger Kalfidis: Beim Busnetz haben wir schon viel gemacht, da sind wir auf dem richtigen Weg. Es braucht aber noch mehr Leute, die auf den öffentlichen Verkehr umsteigen. Zu viele fahren heute noch für einen oder zwei Kilometer mit dem Auto – was auch den Gewerbeverkehr blockiert. Deshalb braucht es noch ein weiteres Umdenken. Ich setze mich aber auch klar für die Veloförderung ein. Wichtig ist letztlich ein fairer Umgang untereinander.

zentralplus: Was qualifiziert Sie für die Finanzdirektion, die mit dem Rücktritt von Stefan Roth frei wird?

Brugger Kalfidis: Ich war in meinen Funktionen für die Finanz-, Budget- und Aufgabenplanung verantwortlich und kenne die Abläufe, auch in der Verwaltung. Zudem hat man als Finanzdirektorin auch eine wichtige Rolle in der Gesamtplanung inne – und dort liegt meine Stärke. Ich kenne mich in vielen Themen aus, gehe auf Partner zu und arbeite gerne mit anderen zusammen. Um die Finanzen der Stadt zu führen, braucht es genau diese Offenheit.

zentralplus: Stefan Roth hat zuletzt immer wieder gesagt, die Stadt stehe finanziell gut da. Teilen Sie diese Einschätzung?

Brugger Kalfidis: Ja, er hat das sehr gut gemacht. Man darf sich aber nicht davon blenden lassen. Denn die Finanzlage kann sehr schnell kippen.

zentralplus: Gibt es akuten Handlungsbedarf?

Brugger Kalfidis: Nein, das sehe ich nicht.

Sie will die Stadt gestalten, falls sie von der CVP diesen Donnerstag nominiert und gewählt wird. (Bild: zvg/Monique Wittwer)

Sie will die Stadt gestalten, falls sie von der CVP diesen Donnerstag nominiert und gewählt wird. (Bild: zvg/Monique Wittwer)

zentralplus: Aber wenn es finanziell wieder eng werden sollte: Wo würden Sie den Hebel ansetzen?

Brugger Kalfidis: In allen Verwaltungen steckt Potenzial für Optimierungen. Aus meiner Erfahrung weiss ich, wo man ansetzen muss, um Abläufe besser aufeinander abzustimmen und effizienter zu werden.

«Aktuell ist eine Steuererhöhung in der Stadt nicht angesagt.»

zentralplus: Sie würden also in der Verwaltung sparen?

Brugger Kalfidis: Nein, sparen nicht, aber ich würde Synergien schaffen.

zentralplus: Das ist doch einfach ein schöneres Wort dafür.

Brugger Kalfidis: Nein, da gibt es einen Unterschied. Die Aufgaben der öffentlichen Hand wachsen und wichtig ist, dass man das Personal nicht immer sofort ausbaut, sondern schaut, ob man intern etwas anpassen kann.

zentralplus: Aber das dürfte nicht immer reichen. Würden Sie im konkreten Fall eher Sparmassnahmen, eine Steuererhöhung oder eine Neuverschuldung ins Auge fassen?

Brugger Kalfidis: Ich bin keine Sparpolitikerin. Manchmal braucht es Innovationen, um vorwärtszukommen. Aber man sollte nicht so viel ausgeben, dass eine grosse Sparübung unumgänglich ist. Für mich ist klar: Aktuell ist eine Steuererhöhung in der Stadt nicht angesagt. Ganz grundsätzlich muss man in jedem Fall einzeln und pragmatisch entscheiden. Ich kann deshalb nicht von vornherein sagen, dass eine Steuererhöhung, eine Neuverschuldung oder Sparmassnahmen unbedingt zu verhindern seien.

«Ich vertrete eine Generation, die eine offene Gesellschaft befürwortet.»

zentralplus: Die CVP vertritt ein sehr breites Spektrum. Wo innerhalb der Partei siedeln Sie sich an?

Brugger Kalfidis: Ich bin eine typische Mitte-Politikerin. Bei den Finanzen bin ich sehr betriebsökonomisch ausgerichtet und wohl eher restriktiv. Gesellschaftlich hingegen bin ich sehr offen. Ich vertrete eine Generation, die eine offene Gesellschaft befürwortet, die viel zulässt und eine breite Akzeptanz lebt.

zentralplus: Dann schauen wir mal konkret auf mehrere Themen. Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie wichtig ist Ihnen der Umweltschutz?

Brugger Kalfidis: Sehr wichtig. Eine 8.

zentralplus: Wirtschaftsförderung?

Brugger Kalfidis: 8.

zentralplus: Kultur?

Brugger Kalfidis: (zögert). Mindestens so viel wie der Umweltschutz, also auch 8.

zentralplus: Bildung?

Brugger Kalfidis: 10!

zentralplus: Sozialstaat?

Brugger Kalfidis: Wir haben schon einen ausgebauten Sozialstaat, daher 7. Aber einfach, weil wir dort keinen enormen Bedarf und bereits ein hohes Level haben.

zentralplus: Verkehr?

Brugger Kalfidis: 8.

zentralplus: Also ist alles relativ wichtig. Anders gefragt: Gibt es ein Thema, das Ihnen nicht so viel bedeutet?

Brugger Kalfidis: Nein, und das zeichnet mich aus: Ich blicke immer aufs Gesamte. Ich bin froh, dass sich viele Leute in einzelnen Feldern stark engagieren. Aber es braucht jemanden, der den Überblick hat und das Ganze zusammenführt.

zentralplus: Und da sehen Sie sich?

Brugger Kalfidis: Ich finde es spannend, Ideen zu ermöglichen. Und dazu gehört übrigens auch, sie im richtigen Moment zu ermöglichen. Nehmen wir das Beispiel der Salle Modulable: Das Timing mit der aktuellen Finanzsituation des Kantons war gar nicht gut aufeinander abstimmt. Das müsste man antizipieren. Also voraussehen, wo man steht, wenn ein solch wichtiger Entscheid ansteht.

«Was in Ebikon passiert ist, war kein Krimi, sondern eine Frage der Arbeitskultur.»

zentralplus: Apropos antizipieren: Wie schätzen Sie Ihre Chancen für die Nomination ein am Donnerstagabend?

Brugger Kalfidis: (lacht). Ich glaube, sie sind intakt. Ich habe jedenfalls von vielen gehört, dass sie mich unterstützen und Vertrauen in mich und meine Arbeitsweise haben.

zentralplus: Was zu reden gibt, war Ihr Abgang bei der Gemeinde Ebikon. Können Sie Klarheit schaffen, was der Grund dafür war?

Brugger Kalfidis: Wir haben in der Gemeinde Ebikon über die letzten fünf Jahre einen enormen Prozess durchlaufen. Dazu kam eine hohe Belastung im Tagesgeschäft, weil Ebikon boomt. Aber so ein Wechsel eines althergebrachten Führungsmodells erfordert einen Paradigmenwechsel und der ist wohl für einige zu schnell gegangen. Ich bedaure, dass man sich teilweise in den neuen Rollen nicht finden wollte.

Finanzpolitisch eher restriktiv, gesellschaftspolitisch offen: So sieht sich Pia Maria Brugger Kalfidis. (Bild: jal)

Finanzpolitisch eher restriktiv, gesellschaftspolitisch offen: So sieht sich Pia Maria Brugger Kalfidis. (Bild: jal)

zentralplus: Es gab also unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Führung: Woran konkret ist denn die Zusammenarbeit gescheitert?

Brugger Kalfidis: Ich kann leider keine Details nennen. Was vielleicht für grosse Fragezeichen sorgte, ist die Tatsache, dass ich ein sehr kooperativer Mensch bin, der Konflikte nicht sucht. Deshalb konnten einige nicht verstehen, dass ein solcher Konflikt entstanden ist. Aber wie gesagt: Mehr kann ich dazu nicht sagen.

zentralplus: Auch wenn manche Wähler denken könnten, dass da etwas geheim gehalten werden soll?

Brugger Kalfidis: Nein, das denke ich nicht. Denn es ist arbeitsrechtlich nichts vorgefallen. Es war ja kein Krimi, sondern eine Frage der Arbeitskultur, wie sie heute in vielen Betrieben auftaucht. Die Mitglieder der CVP müssen nun den Entscheid fällen: Ist das ein Hinderungsgrund oder schenkt man mir das Vertrauen?

zentralplus: Aber denken Sie nicht, dass deswegen Ihre Führungsstärke oder Ihr Führungsstil infrage gestellt werden könnte?

Brugger Kalfidis: Ich hoffe nicht. Aber es liegt nicht an mir, das zu beurteilen. Ich gehe zuversichtlich in diese Nomination.

zentralplus: Einige Parteien prüfen eine eigene Kandidatur. Fänden Sie es legitim, wenn der CVP-Sitz angegriffen wird?

Brugger Kalfidis: Ja klar ist das legitim. Das gehört zu unserer Demokratie.

Hinweis: zentralplus berichtet diesen Donnerstag ab 19.15 Uhr live von der Nominationsversammlung der CVP. Wir bieten das volle Programm: Live-Ticker, Interviews mit der nominierten CVP-Kandidatin, Kommentar, Videos.

Viele Stationen und ein unklarer Abgang

Pia Maria Brugger Kalfidis ist in Hochdorf aufgewachsen und wohnt seit rund 30 Jahren in der Stadt Luzern. Nach einer kaufmännischen Berufslehre liess sie sich an der Hochschule Luzern zur Betriebsökonomin ausbilden. Es folgten Weiterbildungen als Managerin öffentlicher Verkehr sowie in den Bereichen Business Administration und Coaching.

Von 1997 bis 2000 war sie Präsidentin der städtischen CVP. Damals, im Jahr 2000, bewarb sie sich bereits einmal für den Stadtrat, scheiterte aber in der parteiinternen Nomination. Von 1999 bis 2010 sass sie im Kantonsrat. Seither hat sie kein politisches Amt mehr inne.

Die 54-Jährige arbeitete zuletzt als Gemeindeschreiberin in Ebikon, ab dem 1. April 2016 als Geschäftsführerin. Doch nach einigen Wochen kam es zwischen ihr und dem Gemeinderat zum Zerwürfnis – was das Ende der fünfjährigen Zusammenarbeit bedeutete, ohne dass die Gründe im Detail publik wurden. Vor 2011 war Pia Maria Brugger Kalfidis über zehn Jahre Geschäftsleiterin beim heutigen Verkehrsverbund Luzern. Die Stadtverwaltung ist ihr vertraut, weil sie zwischen 1995 bis 2000 als Koordinatorin der Volksschulen tätig war.

Pia Maria Brugger Kalfidis ist verheiratet und hat eine zwölfjährige Tochter. Ihre Hobbys richtet sie deshalb gerne nach ihrer Tochter aus, mit der sie zum Beispiel reitet und Vespa fährt. Ansonsten mag die 54-Jährige die Natur, Reisen, Kultur und Lesen.

Hier gehts zu allen vier grossen zentralplus-Interviews mit den CVP-Kandidatinnen:


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