Darüber stimmt Hünenberg ab

Bösch-Areal: Bahn frei für einen Velogiganten?

Bald stimmt die Hünenberger Bevölkerung über einen Landverkauf und die Revision des Bebauungsplans Bösch-Rothus ab. (Bild: Andreas Busslinger)

Am 18. Juni entscheidet die Hünenberger Stimmbevölkerung über ein wichtiges Anliegen. Die Gemeinde plant, ein 9’000 Quadratmeter grosses Landstück im Bösch an die Velofirma Specialized zu verkaufen. Das Vorhaben ist jedoch umstritten.

Die Gemeinde Hünenberg hat eine Vision: das Bösch-Industrieareal zu einem pulsierenden Arbeitsgebiet mit interessanten Freizeitangeboten und Freiräumen zu machen. Statt der heutigen 3’000, sollen künftig 6’000 Menschen hier arbeiten. Dem Wunsch der Gemeinde, dass hier künftig auch Hünenberger wohnen, machte der Zuger Kantonsrat kürzlich einen Strich durch die Rechnung. Er hat den Antrag auf Zonenänderung nicht genehmigt (zentralplus berichtete).

Eine gute Möglichkeit, Arbeitskräfte in die Gemeinde zu holen, sieht Hünenberg in einem neuen Sitz, den die Velofirma Specialized Europe GmbH im Bösch bauen möchte. Dazu sagt die Gemeindepräsidentin Renate Huwyler (Die Mitte) auf Anfrage: «Mit Specialized haben wir die Chance, eine innovative Unternehmung und attraktive Arbeitgeberin in Hünenberg anzusiedeln und damit einen grossen Mehrwert für die ganze Gemeinde zu schaffen.»

Ein «Leuchtturmprojekt» im Bösch?

Und weiter: «Dieses Leuchtturmprojekt kann den Startschuss zu einer signifikanten Aufwertung des Arbeitsgebiets Bösch markieren und ermöglicht mit seiner Strahlkraft über die Gemeindegrenzen hinaus, auch das Interesse anderer Investoren am Arbeitsgebiet Bösch zu wecken.» Der neue Specialized-Sitz soll auf einer heutigen Freifläche gebaut werden; einem Landstück, das bis heute der Gemeinde gehört. Und hier kommt die Stimmbevölkerung ins Spiel.

Denn die Gemeinde möchte das rund 9’040 Quadratmeter grosse Landstück Nr. 2’200 an die Specialized Europe GmbH verkaufen, welche vor Ort neben einem Hauptquartier auch ein Entwicklungs- und Testzentrum für alle Märkte weltweit schaffen möchte. Dadurch sollen 300 Arbeitsplätze geschaffen werden. Kostenpunkt für den Landverkauf: 10’850’000 Franken.

Die Fläche rechts im Bild will die Gemeinde Hünenberg an Specialized verkaufen. (Bild: zvg Andreas Busslinger)

Den Erlös will die Gemeinde Hünenberg in Erschliessungsmassnahmen sowie die Neugestaltung der öffentlich zugänglichen Park- und Freizeitflächen und die Renaturierung des Bachs investieren. Weiter soll ein 500 Quadratmeter grosser Pumptrack entstehen, der durch Specialized finanziert wird.

Die Bevölkerung stimmt also zum einen über den Landverkauf ab. Zum anderen aber auch über die Änderung des Bebauungsplans Bösch-Rothus, die für das Bauprojekt der Specialized nötig ist. Konkret muss die Ausnützungsziffer erhöht werden.

Wird die Freifläche nun reduziert oder vergrössert?

Nicht alle sind glücklich über das Begehren des Gemeinderats. Mehrere Einwände sind gegen den Verkauf respektive gegen die Bebauung des besagten Grundstücks eingegangen. Dies nicht zuletzt aus ökologischen Gründen. Im Vergleich zur heutigen Freifläche von rund 9’000 Quadratmetern würden nur noch 7’400 Quadratmeter Parkfläche verlangt, was eine wesentliche Reduktion darstelle, bemängelt Pro Natura etwa.

Dem widerspricht die Gemeindepräsidentin. Effektiv werde letztlich mehr Grün-/Freifläche geschaffen. «Denn aus den heutigen 9’000 Quadratmetern, die auch die Blumenwiese von 2’859 Quadratmetern beinhaltet, gibt es zukünftig 7’400 Quadratmeter Parkfläche – die ökologisch wertvolle Blumenwiese wird aber im doppelten Umfang kompensiert», so Huwyler.

«Zur Schaffung von ökologischen Ersatzflächen gibt es weder ein präzisierendes Richtprojekt noch anderweitige sichernde Bestimmungen oder vertragliche Vereinbarungen mit den betroffenen Grundeigentümern.»

Pro Natura zum Projekt

«Das heisst, heute sind es 9’039 Quadratmeter, zukünftig insgesamt 7’408 Quadratmeter Parkfläche plus 5’718 Quadratmeter ökologische Fläche, was letztlich mit 13’126 Quadratmetern deutlich mehr Park-, Grün- und Freifläche ergibt», so die Gemeindepräsidentin.

Pro Natura bangt um Freiflächen

In ihrer Einwendung weist Pro Natura zudem auf folgenden Umstand hin: «Zur Schaffung von ökologischen Ersatzflächen – auf den privaten Parzellen notabene – gibt es weder ein präzisierendes Richtprojekt noch anderweitige sichernde Bestimmungen oder vertragliche Vereinbarungen mit den betroffenen Grundeigentümern.»

Das Risiko sei hoch, dass die privaten Grundeigentümer ihren Teil der Fläche später den eigenen Bedürfnissen entsprechend umgestalten und die Interessen der Natur und der Öffentlichkeit nicht mehr berücksichtigt würden.

Gemeinde hat sich bewusst zum Verkauf entschieden

Land im Kanton Zug ist rar. Besonders eingezontes Bauland. Dass die Gemeinde das Grundstück an Specialized verkauft und nicht im Baurecht vergeben möchte, befremdet die Gegnerschaft.

Die Gemeinde gibt zu bedenken, dass die Abgabe von Land im Baurecht an Gewerbeunternehmen nicht üblich sei. Dies, weil deren Rechtsform und ihre Eigentümerschaft ändern könnten. Ebenfalls könnten die Gebäude veräussert werden oder eine neue Zweckbestimmung erhalten. «Solche Entwicklungen werden durch die Bestimmungen in Baurechtsverträgen erschwert und kompliziert. Deshalb werden Gewerbeliegenschaften in nicht städtischen Gebieten selten im Baurecht errichtet», so der Gemeinderat.

Für Specialized sei die Übernahme des Grundstücks Nr. 2’200 aufgrund der sehr hohen Investitionen von 50 bis 60 Millionen Franken nur zu Eigentum infrage gekommen. Für die Gemeinde wäre mit dem Baurecht zudem ein höheres Risiko entstanden, gerade beim Ablauf des Baurechts.

Zu guter Letzt: «Die Gemeinde hat sich mit der Aushandlung eines Vorkaufsrechts über 20 Jahre und eines Rückkaufsrechts über 15 Jahre eine gewisse Sicherheit geschaffen, dass sie das Grundstück wieder zurückkaufen könnte.» Dies, falls die Specialized das geplante Projekt nicht realisiere oder das Grundstück weiterverkaufen möchte. «Der Gemeinderat erachtet dies als angemessene Absicherung.»

Öffentliche Veranstaltung für die Bevölkerung geplant

Wie ist die Stimmung im Gemeinderat, rund drei Wochen vor der Abstimmung? «Die Ortsparteien Die Mitte, FDP und SVP haben die Ja-Parole gefasst, und auch die Kommissionen stimmen den Vorlagen zu», führt Renate Huwyler aus. «Der Gemeinderat ist überzeugt von diesem Entwicklungsgeschäft, und wir sind zuversichtlich, dass wir gemeinsam die Chance für unsere Gemeinde nutzen können.»

*Sehr klar gegen das Vorhaben stellt sich das Grüne Forum Hünenberg. Dessen Präsidentin Rita Hofer betont, dass ihre Partei zwei Mal die Nein-Parole gefasst habe. Zu wertvoll sei die bestehende Freifläche im Bösch Rothus. Die Revision des Bebauungsplanes Bösch solle zudem mit der laufenden Ortsplanungsrevision koordiniert werden. Weiter ist die Partei darüber befremdet, dass das gemeindeeigene Land «ins Ausland verkauft» wird.

Über das Anliegen stimmen die Hünenbergerinnen am 18. Juni ab. Es dürfte vorgängig jedoch noch einige Diskussionen geben. Die Möglichkeit dafür erhält die Bevölkerung etwa am 30. Mai an einer öffentlichen Orientierungsversammlung.

*Diese Passage wurde nach Publikation dieses Artikels auf einen Hinweis des Grünen Forums ergänzt.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Renate Huwyler, Gemeindepräsidentin Hünenberg
  • Schriftlicher Austausch mit Pro Natura Zug
  • Website Gemeinde Hünenberg betreffend Abstimmung
  • Infos zur öffentlichen Veranstaltung
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