Ruedi Lustenberger in seinem Heimatdorf Romoos

Bodenständig. Engagiert. Gesellig. Nationalratspräsident.

Nationalratspräsident Ruedi Lustenberger (63, CVP) in seinem Wohnzimmer in Romoos.

(Bild: dog)

Er wurde zum höchsten Schweizer gewählt: Nationalratspräsident Ruedi Lustenberger. Der gebürtige Entlebucher ist fest in seinem Dorf Romoos verankert und geniesst höchsten Respekt in der Bevölkerung. zentral+ besuchte den 63-jährigen und sprach mit den Dorfbewohnern über ihren «Rüedu».

In der Entlebucher Gemeinde Romoos, oberhalb von Doppelschwand und 15 Autominuten von Wolhusen entfernt, ist man sichtlich stolz auf den prominenten Einwohner. «Sie wollen zur Schreinerei? Fahren Sie einfach ein Stück hinunter und kurz nach der Haarnadelkurve biegen sie rechts ab. Dort wohnt übrigens auch eine echte Berühmtheit!» Die Augen der Dorfbäckerin leuchten, während sie freundlich Auskunft gibt.

Mit der «Berühmtheit» ist Ruedi Lustenberger gemeint. Der 63-jährige CVP-Nationalrat wurde im November letzten Jahres zum Nationalratspräsidenten gewählt und darf sich seither «höchster Schweizer» nennen. «Ja, den Rüedu kennen wir sehr gut», sagt die Bäckerin, «grüssen Sie ihn lieb, wenn Sie ihn sehen».

«Die Landschaft, in der wir leben, gehört zu uns wie Vater und Mutter»

Lustenbergers Zuhause ist denn auch kaum zu verfehlen. Ein Schild, auf dem der charismatische Politiker abgebildet ist, führt praktisch vor die Haustür. Gut gelaunt öffnet er die Tür und bittet hinein in seine Stube. Die niedere Decke und der Kachelofen lassen darauf schliessen, dass dieses Gebäude schon etwas älter ist. «In diesem Haus wurde ich geboren und wohne schon mein ganzes Leben hier», sagt Lustenberger mit dem für ihn typisch breiten Lächeln und verschmitzt-sympathischen Gesichtsausdruck.

 «Ich bezeichne mich guten Gewissens als sehr gemässigten, konservativen, aber praktizierenden Grünen.»

Die 700-Seelen-Gemeinde Romoos, das Napfgebiet und das Entlebuch bedeuten für den fünffachen Vater schlicht Heimat. «Wenn ich durchs Dorf gehe, kenne ich alle Leute und alle kennen mich. Ich duze jeden und jeder duzt mich – vom kleinen Knopf bis zum 90-jährigen Rentner.» Und seine Heimat habe ihn und seine Politik sehr beeinflusst: «Wie Ferdinand Hodler einst sagte: Die Landschaft, in der wir leben, gehört zu uns wie Vater und Mutter», zitiert er den bekannten Maler. «Hodler hat recht. Der Lebensraum, in dem man sich bewegt, lebt und arbeitet, ist prägend.» So sei er beispielsweise zu seiner Naturverbundenheit gekommen. «Ich bezeichne mich daher guten Gewissens als sehr gemässigten, konservativen, aber praktizierenden Grünen», sagt der Schreinermeister und passionierte Jäger.

Bis vor zwei Jahren führte Lustenberger die Schreinerei direkt vor seinem Haus. Er übergab sein Unternehmen einem langjährigen Mitarbeiter, damit er sich mehr auf seine politischen Ämter, seine zahlreichen Mandate und sein Privatleben konzentrieren könne. Aber das Schreinerblut fliesse nach wie vor durch seine Adern. Auf seiner Webseite wirbt Lustenberger mit dem Spruch: «Der Schreinermeister – Ihr Nationalrat.» Abgeleitet vom Leitspruch des Schreinermeisterverbandes «Der Schreiner – Ihr Macher.»  soll dieser Satz das positive Image der Schreiner mit seiner Person in Verbindung bringen. «Sie stehen für Zuverlässigkeit und Genauigkeit und geniessen eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Im Wahlkampf dient es als gutes Prädikat, wenn hinter dem eigenen Namen die Bezeichnung Schreinermeister steht – mindestens genauso gut wie Jurist oder Soziologe», so Lustenberger.

Lange Zeit führte seine Schreinerei auch das Sargmagazin der Gemeinde Romoos. «Dadurch hatte ich die Funktion des Bestatters inne. Ich habe über 200 Menschen, die ich grösstenteils persönlich kannte, in den Sarg gelegt und zur Kapelle gebracht», sagt Lustenberger mit ruhiger, fast andächtiger Stimme.

Eine altbewährte Abmachung sorgt für Harmonie in Lustenbergers Ehe

Marie-Theres Lustenberger betritt das Wohnzimmer und serviert Kaffee. Sie müsse aber auch gleich wieder los, sagt die Ehefrau von Ruedi Lustenberger. Mit einem freundlichen Adieu verabschiedet sie sich vom Gast und auch die Verabschiedung zwischen dem Ehepaar ist herzlich und liebevoll. Ein authentischer Moment, der die Harmonie in ihrer Beziehung erahnen lässt. Auch sie stammt aus Romoos. Die beiden kennen sich seit dem Kindesalter und sind schon zusammen zur Schule gegangen. Gemeinsam haben sie fünf erwachsene Kinder – vier Töchter und einen Sohn. Und seit kurzem sind sie stolze Grosseltern.

«Der Kontakt zu den Bürgern ist ihm immer noch wichtig. Das zeigt sich zum Beispiel nach dem Sonntagsgottesdienst auf dem Dorfplatz.»
Franz Koch, Gemeindepräsident Romoos

Dennoch ist es wohl auch nicht immer einfach, die Frau eines bekannten Politikers und Unternehmers zu sein. Gibt es ein Geheimrezept, das die Harmonie in der Beziehung aufrecht hält? «Als ich 1991 in die Politik einstieg, haben wir eine Abmachung miteinander getroffen, die bis heute gilt: Sie werde mich voll und ganz unterstützen, aber ich dürfe ihr nie sagen, dass sie mich zu Anlässen begleiten müsse. Und das haben wir die vergangenen 22 Jahre auch so gehalten», sagt Ruedi Lustenberger. Daher hätte sie sich auch ausnahmslos mit ihm über seine neue Aufgabe freuen können – solange sie nicht in Mitleidenschaft gezogen werde. «Sie sucht und liebt das Rampenlicht nicht. Dafür stärkt sie mir zuhause umso mehr den Rücken», so Lustenberger.

Immer einen Spruch auf Lager

Ruedi Lustenberger ist ein Mann des Volkes, jemand zum Anfassen. Bodenständig, engagiert und gesellig. Trotz der steilen Polit-Karriere habe er sich nicht verändert, sagt Franz Koch, Gemeindepräsident von Romoos. «Der Kontakt zu den Bürgern ist ihm immer noch wichtig. Das zeigt sich zum Beispiel nach dem Sonntagsgottesdienst auf dem Dorfplatz», so Koch. Tatsächlich geht Lustenberger, sofern es die Zeit zulässt, fast jeden Sonntag in die Kirche. Dabei begleitet der gläubige Katholik seine 93-jährige Mutter. Auch seine Frau Marie-Theres ist in der Kirche engagiert. Nach dem Gottesdienst komme man dann noch zu einem Schwatz zusammen. «Dabei wird auch gerne mal politisiert und diskutiert», so Lustenberger. «Da gibt es keine Berührungsängste. Das geniesse ich jeweils sehr.»

Manchmal trifft man den «höchsten Schweizer» im Hotel Kreuz, der einzigen Gastwirtschaft in Romoos. «Ruedi trinkt gerne ein Glas Wein», sagt Hanspeter Wigger, Wirt des «Kreuz». «Es ist immer lustig, wenn er da ist, da er immer einen Spruch auf Lager hat», so Wigger. Er sei zwar einer von ihnen, aber dennoch sei es schon sehr aussergewöhnlich, dass der Nationalratspräsident aus Romoos komme. «Das werden wir wohl nie wieder erleben», sagt Wigger. Die Präsidentenfeier fand denn auch in Romoos statt und der «Kreuz»-Wirt bekochte die 430 anwesenden Gäste. Es sei Lustenberger wichtig gewesen, in seiner Heimatgemeinde zu feiern, obwohl es andernorts wesentlich mehr Platz gäbe. Auch Gemeindepräsident Franz Koch ist sich der Einmaligkeit dieser Wahl bewusst: «Für die Gemeinde wie für die Region ist es ein ganz spezielles, erstmaliges Ereignis. Wir haben für Ruedi Lustenberger eine schöne Präsidentenfeier organisiert.» 

Seit 30 Jahren ein Jagdrevier gepachtet

Private Ziele werde er während seines Amtsjahres hintenanstellen müssen. Dennoch gebe es auch immer wieder Gelegenheiten sich zurückzuziehen und Zeit mit seiner Frau in Romoos zu verbringen. «Über die Feiertage war ich zwei Wochen zuhause und konnte mich von der strengen Zeit seit der Wahl im November entspannen.» Auch auf seine Jassrunde muss Lustenberger in diesem Jahr nicht verzichten. «Seit 15 Jahren komme ich alle vier bis sechs Wochen mit drei Freunden zum Jassen zusammen. Darauf freue ich mich jeweils unglaublich. Zufälligerweise findet gerade heute eine Runde statt. Um 16 Uhr gehts los.»

Seine Jassfreunde seien alles Jäger aus der Region, so wie er auch. Die Jagd sei ihm wichtig und dafür nehme er sich auch gerne Zeit. «Zusammen mit einem Dutzend Kollegen habe ich seit fast dreissig Jahren das Revier Bramboden hier im Napfgebiet gepachtet. Vor allem Gämsen und Rehe werden hier gejagt.» Zwar erhalte er häufig Einladungen zu auswärtigen Jagden, die er jedoch aufgrund der knappen Zeit kaum wahrnehmen könne. «Am liebsten jage ich sowieso in meinem Revier. Aber mit zunehmendem Alter wird auch der Finger am Abzug weniger oft gekrümmt als früher. Ich habe ebenso Freude ein Tier einfach nur zu beobachten. Und ich freue mich, wenn die jungen Jäger weidmännisch jagen, sprich: sich bewusst und respektvoll der Natur und dem Tier gegenüber verhalten», sagt Lustenberger.

Jede Woche an drei bis vier Veranstaltungen

Mit einem Glanzresultat von 175 von insgesamt 183 Stimmen wurde Ruedi Lustenberger zum Nationalratspräsidenten gewählt. Zuvor amtete Lustenberger bereits zwei Jahre als Vizepräsident des Nationalrates. Er habe sehr viel von seinen Vorgängern Hansjörg Walter (SVP) und Maya Graf (Grüne) gelernt und werde demnach auch nicht viel anders machen als die beiden Präsidenten vor ihm. Aber: «Ich werde meine persönliche Note einbringen und habe mir zum Ziel gesetzt, so nah wie möglich am Volk zu sein und die Bevölkerung zu erreichen, um ‹Goodwill› gegenüber unserer Eidgenossenschaft zu schaffen», sagt Lustenberger.

Die Aufgaben als Nationalratspräsident seien sehr vielfältig. Nebst der Leitung der Sitzungen, hat er vor allem eine repräsentative Aufgabe. «Ich bin jede Woche an drei bis vier Veranstaltungen in der ganzen Schweiz – entweder als Gast oder als Redner. Zudem wird eine Nationalratsdelegation traditionellerweise einen Besuch im Ausland machen. Dieses Jahr fahren wir für eine Woche nach Dänemark und Norwegen, wo wir uns mit den dortigen Parlamentspräsidenten austauschen werden», so Lustenberger. Insgesamt beanspruche dieses Amt ein Pensum von etwa 75 Stellenprozent.

Ruedi Lustenberger scheint gut verankert zu sein – in seiner Heimat, seiner Familie, aber auch in der Schweizer Politik. Mit einer Mischung aus Bodenständigkeit, Witz und Kompetenz hat es der 63-jährige ganz nach oben, zum höchsten Schweizer geschafft. Besonders die Romooser sind stolz auf ihren «Rüedu».

Vor lauter Gesprächen ging der Gruss der Bäckersfrau unter. Aber er wird ihn bestimmt bald persönlich entgegennehmen können, spätestens am Sonntag nach der Kirche bei Trunk und Schwatz unter seinesgleichen.

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