Bezahlkarten für Asylbewerber: Regierung will Idee ausweiten
Die Zuger SVP will, dass Asylbewerber kein Bargeld mehr von den Behörden erhalten, sondern nur noch Guthabenkarten zur Verfügung gestellt bekommen. Der Regierungsrat begrüsst diese Idee nicht nur; er will sie sogar ausweiten.
Der Vorschlag wird in vielen Kantonen diskutiert, in Zug bringt ihn die SVP-Fraktion des Zuger Kantonsrats aufs Parkett. Es ist eine Idee, mit der gemäss ihr nicht nur die Schlepperkriminalität bekämpft, sondern gleichzeitig auch die Anreize der illegalen Migration gesenkt werden könnte. Wie das?
Die Partei möchte, dass Asylbewerber die ihnen zustehenden Sozialhilfeleistungen nicht mehr bar oder mittels Bankzahlungen bekommen, sondern dass ihnen das Geld via guthabenbasierter Debitkarte zur Verfügung gestellt wird. Diese soll auch ohne Bankkonto funktionieren. Diese soll das Auszahlen von Bargeld komplett ersetzen. «Die Karte kann in der Regel überall dort benutzt werden, wo auch mit Kredit- oder EC-Karten gezahlt werden kann. Erste Versuche in einigen Landkreisen in Deutschland haben gezeigt, dass das System sehr gut funktioniert», schreibt die SVP-Fraktion in ihrer Motion (zentralplus berichtete).
Regierung applaudiert der SVP-Idee
Nun liegt die Antwort der Zuger Regierung vor, und die findet: Tolle Sache. «Die Einführung eines Bezahlkartensystems im Kanton Zug ist technisch und rechtlich mit gewissen Einschränkungen möglich.» Und weiter: «Das System würde eine gezielte und bedarfsgerechte Unterstützung von Personen im Asylbereich erlauben und gleichzeitig eine transparente und zweckmässige Verwendung der Mittel fördern.»
Auch die bürgerliche Zuger Regierung glaubt, dass das Debitkartenzahlsystem dazu beitragen würde, den Missbrauch von Geldern zu erschweren und «sicherzustellen, dass die bereitgestellten Mittel vorrangig für den täglichen Bedarf genutzt werden». Durch die gezielte Steuerung der Ausgaben werde ein allfälliger Missbrauch von Geldern erheblich erschwert. Dies insbesondere im Hinblick auf Auslandsüberweisungen oder die zweckwidrige Nutzung für illegale Aktivitäten.
Die Regierung weiter: «Gleichzeitig stellt das System sicher, dass die bereitgestellten Mittel vorrangig für den täglichen Bedarf eingesetzt werden.» Und: «Darüber hinaus ermöglicht die Bezahlkarte eine klare Nachverfolgbarkeit der Ausgaben, was nicht nur die Kontrolle erleichtert, sondern auch das Vertrauen in die Sozialhilfe stärkt.» Aus diesen Gründen befürworte der Regierungsrat das Bezahlkartensystem im Asylbereich.
Zur Veranschaulichung: Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige erhalten im Kanton Zug 470 Franken pro Monat. Das gilt für Einzelpersonen. Je mehr Personen in einem Haushalt, desto kleiner der Betrag pro Person. Anerkannte Flüchtlinge und Personen in der Sozialhilfe erhalten 1031 Franken pro Monat.
Bezahlkarte auch für Schweizer Sozialhilfeempfänger?
Die Zuger Regierung befürwortet die SVP-Idee nicht nur, sie will sogar noch weiter gehen. In einem ersten Schritt spielt sie mit der Idee, Bezahlkarten gleich für alle Asylbewerber einzuführen. «Eine Ausweitung auf anerkannte Flüchtlinge wäre indes sinnvoll, da bei dieser Gruppe – im Gegensatz zu anderen Gruppen im Asylbereich – aufgrund der deutlich höheren Sozialhilfeleistungen auch ein höheres Risiko der Zweckentfremdung besteht», heisst es im Bericht und Antrag.
Dies hätte aber wiederum eine weitere Ausweitung zur Konsequenz. Denn: Das Gesetz hält fest, dass sich Festsetzung, Ausrichtung und Einschränkung der Sozialhilfeleistungen für Geflüchtete nach kantonalem Recht richten. «Dies bedeutet, dass die für sie auszurichtenden Sozialhilfeleistungen mit denjenigen für die einheimische Bevölkerung identisch sein müssen.»
Heisst: Für anerkannte Geflüchtete könnte eine Bezahlkarte also nur unter der Bedingung eingeführt werden, dass eine solche für alle Sozialhilfebezüger im Kanton Zug eingeführt würde – also auch für Schweizer. Zug wäre schweizweit der erste Kanton mit dieser Ausweitung.
«Die Bezahlkarte ermöglicht eine transparente Verwendung der Mittel.»
Andreas Hostettler, Zuger Direktor des Innern
Und dieser Idee ist die Regierung nicht abgeneigt. Auf Anfrage von zentralplus äussert sich der Direktor des Innern, Andreas Hostettler, wie folgt: «Die Bezahlkarte ermöglicht eine bedarfsgerechte Deckung des täglichen Bedarfs und eine transparente Verwendung der Mittel. Sie hat das Ziel, dass Sozialhilfeleistungen auch für den tatsächlichen Zweck verwendet werden.»
Heisst auf gut Deutsch: Wird das Bezahlkartensystem auf alle Sozialhilfebezügerinnen ausgeweitet, können diese besser kontrolliert werden. Denn die Ausgaben sollen gemäss Regierung gezielt gesteuert und nachverfolgbar gemacht werden.
Transparenz, ohne zu stark in die Privatsphäre einzugreifen
Zur Frage, inwiefern die Kontrolle einfacher wäre, sagt Hostettler: «Dies bedeutet, dass bestimmte Ausgaben eingeschränkt werden können, etwa durch die Verwendung von Positiv- oder Negativlisten für spezifische Händler oder Produkte.» Die Nachverfolgbarkeit der Ausgaben erleichtere es den Behörden, die Verwendung öffentlicher Gelder zu kontrollieren und Missbrauch zu erschweren.
Er betont: «Es sollen jedoch nicht alle Einkäufe detailliert kontrolliert werden. Stattdessen liegt der Fokus darauf, die Nutzung auf bestimmte Zwecke zu begrenzen und durch die technische Gestaltung der Karte Transparenz zu schaffen, ohne dabei die Privatsphäre der Nutzer unnötig stark zu beeinträchtigen.»
1426 Sozialhilfebezüger wären betroffen
Im Kanton Zug könne das System gemäss Regierungsrat für rund 990 Unterstützungseinheiten respektive rund 1500 Personen im Asylbereich (weggewiesene Personen, Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige) umgesetzt werden. Sie schätzt, dass dafür einmalige Investitionskosten von rund 100’000 Franken sowie laufende jährliche Betriebskosten von rund 90’000 Franken anfallen. Wichtig sei es der Zuger Regierung jedoch, dass bei der Umsetzung der Einschränkungen kein unverhältnismässiger bürokratischer Aufwand entstehe.
Sollten auch anerkannte Flüchtlinge sowie Sozialhilfebeziehende in diesem Bezahlsystem aufgenommen werden, würden sich die Kosten entsprechend erhöhen, schreibt die Regierung. Die Zahl der anerkannten Flüchtlinge liegt im Kanton Zug aktuell bei 807, die Zahl der gemeindlichen Sozialhilfebezügerinnen bei 1426 Personen.
Auf Anfrage äussert sich die SVP-Fraktion positiv zur vom Regierungsrat vorgeschlagenen Option, das Bezahlkartensystem auszuweiten.
SP-Kantonsrat zweifelt an Nutzen
Nicht einverstanden mit der Haltung sowohl von SVP als auch Regierung ist hingegen SP-Kantonsrat Rupan Sivaganesan. Er ist ausserdem der Präsident des Vereins Asylbrücke, der sich für eine menschenwürdige Asylpolitik einsetzt. «Die Hoffnung der SVP und der Regierung ist, dass Menschen durch das Kartenzahlsystem weniger Geld in ihre Heimat schicken, und dass die Anreize sinken, überhaupt in die Schweiz zu kommen. Das erachte ich als realitätsfremd.»
Das zeige auch die Asylentwicklung in Deutschland, nachdem dort in verschiedenen Bundesländern mit der Socialcard ein ähnliches System umgesetzt wurde. «Die Zahlen der Asylgesuche sind deshalb nicht gesunken.»
«Wir haben in Zug das strengste Einbürgerungsgesetz der Schweiz. Nun will man es zusätzlich verschärfen, und die Regierung macht das mit.»
Rupan Sivaganesan, SP-Kantonsrat
Sivaganesan weiter: «Wir haben in Zug das strengste Einbürgerungsgesetz der Schweiz. Nun will man es zusätzlich verschärfen, und die Regierung macht das mit.» Und weiter: «Mir scheint, als habe der Regierungsrat keine eigene Strategie, wie er mit dem Thema umgehen wolle, und heisst alles gut, was die bürgerlichen Parteien vorschlagen.»
Der SP-Kantonsrat gibt zudem zu bedenken: «Mit der Bezahlkarte würde ein riesiger bürokratischer Aufwand entstehen. Ich frage mich, ob sich das lohnt. Letztlich profitieren nur die Banken.» Er weist zudem darauf hin, dass es auch Unternehmen gibt, in denen man nicht mit Karte bezahlen könne. «Ausserdem frage ich mich, wie das Familien machen, die Sozialhilfe erhalten. Was, wenn die Kinder ins Ferienlager gehen? Die erhalten ja dann kein Bargeld, um sich etwa in der Badi ein Glace zu kaufen.»
Luzerner Regierung will abwarten
Bereits war das Bezahlkartensystem für Asylbewerber in anderen Kantonen ein Thema. Der Aargauer Kantonsrat lehnte die Idee im Sommer knapp ab. In Solothurn sprach sich die Regierung dagegen aus. In Schwyz hingegen ist das Bezahlkartensystem bereits beschlossene Sache. Die Luzerner Regierung ist diesbezüglich kritischer und schielt abwartend auf Bundesbern. Denn auch dort ist die Bezahlkarte ein Thema.
Sowohl National- als auch Ständerat unterstützen ein Bezahlsystem für Asylsuchende mit Debitkarten. Nun muss der Bundesrat entscheiden, inwiefern die Kantone bei der Umsetzung eines solchen Systems unterstützt werden können.
- Bericht und Antrag der Regierung
- SVP-Motion
- Schriftliche Anfrage bei Andreas Hostettler
- Mündliche Anfrage bei Rupan Sivaganesan
- Schriftliche Anfrage bei der SVP-Fraktion
- SRF-Bericht zu nationalen Bestrebungen für Bezahlkarten