Luzern: Alles Parkplatz oder was?

«Bei dem Thema kann ich mir nur die Finger verbrennen»

Das Thema Parkplätze ist in der Stadt Luzern ein Dauerbrenner, wie etwa hier im Hirschmatt-Quartier.

(Bild: zvg)

Parkplätze sind in der Stadt Luzern für die einen ein rotes Tuch, für die anderen ewige Mangelware. In einer vielschichtigen und kurzweiligen Podiumsdebatte wurden diesen Dienstagabend digitale Lösungen skizziert, auswärtige Autofahrer kritisiert und heisse Eisen angepackt. Einer stellte gar das Problem an sich in Frage.

«Das Thema sorgt für rote Köpfe, weil so viele davon betroffen sind. Seien es Ladenkunden, Innenstadtbewohner, Carfahrer oder Gewerbler», sagte CVP-Grossstadtrat Roger Sonderegger zu Beginn. Die Bedürfnisse der Luzerner sind seiner Meinung nach der Grund, weshalb die Parkplatz-Thematik derart heiss diskutiert wird. Und das wird sie in Luzern seit einiger Zeit.

Aber gibt es eigentlich zu viele oder zu wenige Parkplätze in der Stadt Luzern? «Das ist schwierig zu sagen», sagte Stefanie Ledergerber, Verkehrsplanerin aus Bern. Grundsätzlich führten mehr Parkplätze zu mehr Nachfrage.

Wir befinden uns bereits mitten in der Debatte im Neubad-Talk, der am Dienstagabend in Luzerns liebster Zwischennutzung stattfand. «Alles Parkplatz oder was?» – unter diesem Titel diskutierten Vertreter aus der Politik, den Quartieren und der Branche den thematischen Dauerbrenner. Moderiert hat die Debatte zentralplus-Redaktor Jonas Wydler.

Diskussion lief schnell warm

In der Politik kumulierte die Debatte in den vergangenen Monaten im Projekt eines Parkings unter der Museggmauer (zentralplus berichtete). Das umstrittene Parkhaus soll rund 660 Autos sowie 36 Reisecars beherbergen. Der Grosse Stadtrat will davon nichts wissen. Aber von bürgerlicher Seite her wurde eine Initiative lanciert, die das Projekt vor das Volk bringen will (zentralplus berichtete).

«Es gibt bereits zu viele Parkplätze in der Stadt.»

Jules Gut, Grossstadtrat und Fraktionschef GLP

Weg vom Rahmen, hin zum Kern: Das Podium lief schnell warm – wie zu erwarten war. GLP-Fraktionschef Jules Gut redete nicht lange um den heissen Brei herum, für ihn wird die Nachfrage nach dem Betonfeld mit Markierung künstlich befeuert: «Die Auto-Lobby hat immer noch den Anspruch, dass es überall einen Abstellplatz für den grossen Karren gibt.»

Die Talkrunde von links: CVP-Grossstadtrat Roger Sonderegger, Verkehrsplanerin Stefanie Ledergerber, Moderator Jonas Wydler, Quartiervereins-Präsident Markus Schulthess und GLP-Grossstadtrat Jules Gut.

Die Talkrunde von links: CVP-Grossstadtrat Roger Sonderegger, Verkehrsplanerin Stefanie Ledergerber, Moderator Jonas Wydler, Quartiervereins-Präsident Markus Schulthess und GLP-Grossstadtrat Jules Gut.

(Bild: zvg)

Und es ging auch nicht lange, bis das vielleicht am hitzigsten debattierte Politikum der Stadt Platz in der Arena fand: das Musegg-Parking. «Es gibt bereits zu viele Parkplätze in der Stadt, weshalb braucht es da noch 600 weitere unter der Museggmauer?», preschte Gut vor und verwies auf die bestehenden Parkhäuser, die bereits heute oft mehr als genug freie Parkmöglichkeiten böten.

Gast mit heikler Position

Für seinen Konterpart Roger Sonderegger, Präsident des Initiativkomitees «Kein Diskussionsverbot – Parkhaus Musegg vors Volk!», war klar: «Mit dem Parkhaus würden wir das Car-Problem am Schwanenplatz vielleicht lösen und ausserdem verschwänden zahlreiche oberirdische Parkplätze.» Dadurch würde sich die Attraktivität der Innenstadt weiter erhöhen. Während sich die beiden Polit-Alphatiere in üblicher Manier aufeinanderstürzten, gingen die beiden anderen Gäste die Diskussion etwas entspannter an.

«Ich finde es heikel, dass mit dem Parkhaus die Zahl der Parkplätze in der Stadt erhöht wird.»

Stefanie Ledergerber, Verkehrsplanerin

Die extra aus Bern angereiste Expertin Stefanie Ledergerber war sich ihrer ungemütlichen Position bewusst: «Beim Thema Musegg-Parkhaus kann ich mir nur die Finger verbrennen.» Obwohl sie den Wunsch für legitim hält, die Cars unter den Berg zu lotsen, stellen sich ihr Fragezeichen, wie sie verrät: «Ich finde es heikel, dass mit dem Parkhaus die Zahl der Parkplätze in der Stadt erhöht wird.» 

«Das Thema Parkplätze ist langweilig»

Markus Schulthess, Ko-Präsident des Quartiervereins Hirschmatt-Neustadt und Inhaber einer IT-Firma, ging mit einem konstruktiven Ansatz an die Debatte. Anstatt einfach neue Parkplätze wünscht er sich eine clevere Steuerung der Parkplatz-Nachfrage: «Bereits heute gibt es Technologien, die es etwa erlauben, Parkplätze im Voraus zu mieten.» Jules Gut sprang auf den Zug auf und stellte unter dem Blickwinkel der Digitalisierung gar die Relevanz der Debatte an sich in Frage: «Das Thema Parkplätze ist langweilig. In 20 Jahren hat sowieso niemand mehr ein eigenes Auto.»

Der ganze Talk als Video:

 

Ganz so einfach sei die Sache nicht, waren sich die anderen Gesprächsgäste einig. «Ich glaube nicht, dass Parkplätze irrelevant werden», warf Ledergerber ein. Auch für Schulthess sind die Parkplätze für Gewerbekunden weiterhin wichtig – und würden es auch in Zukunft bleiben.

Sind die Auswärtigen schuld?

Obwohl die Differenzen im Detail gross scheinen, im Grundsatz war man sich einig: Mehr als die bereits bestehenden rund 68’000 Parkplätze, davon deren 15’000 öffentliche, sind nicht wünschenswert in Luzern. «Wir müssen mit dem arbeiten, was wir haben», fand Roger Sonderegger stellvertretend.

Und damit kommen wir zu den Bedürfnissen, etwa jenem nach den Parkplätzen für Stadtbewohner. Für den CVP-Mann stellt sich die Frage, ob es Sinn mache, wenn «öffentliche Parkplätze im Neustadtquartier von den Anwohnern als Camping-Platz verwendet werden». Sprich, wenn sie tagelang vom gleichen Auto besetzt werden. Hier müsse der Markt spielen. Gut gab ihm recht: «Parkkarten kosten in der ganzen Stadt monatlich 60 Franken – egal ob in Littau oder in der Neustadt.» Das sei fernab der Realität.

«Über 70 Prozent der Fahrten umfassen weniger als drei Kilometer.»

Jules Gut, Grossstadtrat und Fraktionschef GLP

Aus dem Publikum kam zum Schluss der Einwand, dass in der Neustadt kaum mehr Parkplätze für die Innenstadt-Bewohner vorhanden seien – unter anderem, weil die Leute aus Agglo und Nachbarkantonen diese für Einkäufe und andere Erledigungen nutzen würden. Für die Verkehrsplanerin Ledergerber geht es hier um eine Interessenabwägung: «Es ist schon kritisch, wenn die Stadtbewohner auf öffentlichen Parkplätzen das Recht einfordern, ihr Fahrzeug hinzustellen.»

Gleichzeitig gäbe es noch ein enormes Potenzial, den Druck auf die Parkplätze in den Städten zu reduzieren, würden weniger Leute mit dem Auto in die Stadt fahren. Sind also die Urner und die Nidwaldner Schuld? So einfach ist es nicht, findet Gut: «Über 70 Prozent der Fahrten umfassen weniger als drei Kilometer. Diese Distanz kann man mit dem Elektro-Bike ideal bewältigen.»

Ob das Parkplatz-Problem in der Stadt nun hausgemacht ist oder nicht, bleibt offen. Das ist kennzeichnend für das ganze Thema: Nach rund einer Stunde verliess man das Hallenbad mit vielen klugen Antworten – und mindestens so vielen Fragen.

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